Unentgeltliche Zuwendungen und Vorsteuerabzug

Die Finanzverwaltung hat sich mit der Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei "mittelbarer" Veranlassung auseinandergesetzt und den UStAE geändert.

Bezieht ein Unternehmer Leistungen, ist er zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er die Leistungen für seine entgeltlichen Ausgangsleistungen zu verwenden beabsichtigt. Soweit die Eingangsleistungen für dem Grunde nach der Besteuerung unterliegende unentgeltliche Ausgangsleistungen verwendet werden sollen, ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Dies musste aber aufgrund der Rechtsprechung des EuGH bei mittelbarer Verwendung für besteuerte Ausgangsleistungen eingeschränkt werden. Die Finanzverwaltung nimmt zu der mittelbaren Verwendung von Eingangsleistungen Stellung.

Die rechtliche Problematik

Beziehen Unternehmer Leistungen, hängt die Vorsteuerabzugsberechtigung u. a. davon ab, für welche Ausgangsleistung die bezogene Leistung verwendet werden soll. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09.12.2010 - V R 17/10), die sich so nicht unmittelbar aus § 15 UStG ableiten lässt, ist kein Vorsteuerabzug möglich, wenn der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine dem Grunde nach der Besteuerung unterliegende unentgeltliche Wertabgabe (unentgeltliche Lieferung nach § 3 Abs. 1b UStG oder unentgeltliche sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a UStG) zu verwenden (vgl. auch Abschn. 15.15 UStAE).

Der BFH (Urteil vom 11.04.2013 - V R 29/10) war bisher davon ausgegangen, dass zwischen der bezogenen Leistung und der (beabsichtigten) Ausgangsleistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen muss. Der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der Tätigkeit des Unternehmers bestimmt sich dabei nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Leistung.

Der EuGH (Urteil v. 16.9.2020, C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie) hatte allerdings diese sehr einschränkende Rechtsauffassung des BFH (Urteil vom 16.12.2020 - XI R 26/20) nicht geteilt, sodass der BFH seine bisherige Rechtsprechung abmildern musste. Der BFH führte dazu aus, dass ein Unternehmer, der eine Leistung bezieht, um diese an einen Dritten unentgeltlich weiter zu geben und damit zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen, den Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich und unerlässlich war, um diesen unternehmerischen Zweck zu erfüllen, die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist. Insoweit reicht eine "mittelbare" Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus.

Als Folge daraus ergab sich, dass § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nicht erfolgt, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.

Die Grundsätze aus dieser Rechtsprechung haben Einfluss auf viele Bereiche von Unternehmern, führen aber insbesondere bei Erschließungsmaßnahmen zu Veränderungen. Bei Erschließungsmaßnahmen werden häufig Leistungen von Unternehmern in Anspruch genommen, um die notwendige Infrastruktur zu schaffen, die aber auch von Dritten genutzt werden kann oder wo die geschaffene Infrastruktur "unentgeltlich" auf die öffentliche Hand übergeht.

Die neue Verwaltungsanweisung des BMF

Die Finanzverwaltung hat jetzt zu dem Urteil des EuGH (Urteil vom 16.09.2020 - C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie) und dem Folgeurteil des BFH (Urteil vom 16.12.2020 - XI R 26/20 (XI R 28/17)) zu den Erschließungsmaßnahmen Stellung genommen. Die Umsetzung der Vorgaben aus der Rechtsprechung erfolgt allerdings restriktiv. Insbesondere sollen sich keine Änderungen an den bisher von der Finanzverwaltung veröffentlichten umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen für Erschließungsmaßnahmen (BMF, Schreiben v. 7.6.2012, IV D 2 - S 7300/07/10001 :001; weiterhin anwendbar gem. BMF, Schreiben v. 10.3.2023, IV A 2 - O 2000/22/10003 :00) ergeben.

Die Finanzverwaltung nimmt bei den Ergänzungen im UStAE insbesondere zur Frage der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe sowie zum Vorsteuerabzug Stellung.

Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe

Grundsätzlich liegt eine dem Grunde nach unentgeltliche Wertabgabe, die zu einem besteuerten Ausgangsumsatz führt, auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand aus unternehmerischen Gründen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG) unentgeltlich abgibt. Voraussetzung ist ein entsprechender Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug (§ 3 Abs., 1b Satz 2 USt).

Nachdem der BFH (Urteil vom 16.12.2020 - XI R 26/20 (XI R 28/17)) festgestellt hatte, dass eine solche Ausgangsleistung aus unternehmerischen Gründen nicht der Besteuerung unterliegt, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht, gibt die Finanzverwaltung (Abschn. 3.2 Abs. 4 Satz 2 UStAE) vor, wann nach ihrer Auffassung kein unversteuerter Endverbrauch drohen soll:

  • Die Eingangsleistung wird vor allem für Bedürfnisse des Unternehmers genutzt und geht nicht über das hinaus, was hierfür erforderlich bzw. unerlässlich ist,
  • die Kosten für die Eingangsleistung sind Bestandteile des Preises der von dem Unternehmer erbrachten Leistungen und
  • der Vorteil des Dritten ist allenfalls nebensächlich.

Hinweis: Mit dieser Aufnahme der kumulativ notwendigen Voraussetzungen gibt die Finanzverwaltung inhaltsgleich die Aussagen des BFH wieder. Nur in diesen Fällen soll es bei einer aus unternehmerischen Gründen ausgeführten unentgeltlichen Lieferung nicht zu einer „Lieferung gegen Entgelt“ kommen.

Zur Abgrenzung nimmt die Finanzverwaltung noch Beispiele in den UStAE (Abschn. 3.2 Abs. 4 Satz 3 UStAE) auf, bei denen es zu einem unversteuerten Endverbrauch kommen würde, weshalb in der Konsequenz eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern ist:

  • Unentgeltliche Abgabe von bürgerlicher Bekleidung an Arbeitnehmer; die unternehmerischen Gründe für die Überlassung wie auch das eigenbetriebliche Interesse des Unternehmers ändern daran nichts, weil der Vorteil des Arbeitnehmers nicht als nebensächlich oder untergeordnet erscheint (BFH Urteil vom 24.08.2022 - XI R 3/22).
  • Zuwendungen an Betriebsangehörige im Rahmen einer Betriebsveranstaltung, wenn diese ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen und über Aufmerksamkeiten hinausgehen (BFH Urteil vom 10.05.2023 - V R 16/21).

Vorsteuerabzug

Zur Frage des Vorsteuerabzugs ergänzt die Finanzverwaltung die Aussagen durch einen umfassenden Abschn. 15.2b Abs. 2a UStAE. Eine mittelbare Veranlassung für den Vorsteuerabzug soll nur unter den Voraussetzungen möglich sein, die schon für die Nichtbesteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe in Abschn. 3.2 Abs. 4 Satz 2 UStAE aufgenommen worden sind.

Wichtig: Die bezogene Leistung darf nicht über das hinausgehen, was für die Erbringung der unternehmerischen Leistungen erforderlich bzw. unerlässlich ist. Der Bezug einer Leistung ist insbesondere dann erforderlich bzw. unerlässlich, wenn der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit ohne Ausführung dieses Leistungsbezugs nicht ausüben oder fortführen könnte. Der Leistungsbezug ist nicht schon deswegen erforderlich bzw. unerlässlich, weil dieser sich allein aus der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (wie z. B. einer behördlichen Auflage) begründet (Abschn. 15.2b Abs. 2a Satz 4 UStAE).

Hinweis: Liegen die Voraussetzungen nicht vor – d. h., die Eingangsleistungen gehen über die Bedürfnisse des Unternehmers hinaus oder der Vorteil des Dritten ist nicht nebensächlich -, würde sich dem Grunde nach eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG ergeben. In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09.12.2010 - V R 17/10); vgl. auch Abschn. 15.15 UStAE.  insoweit schon originär kein Vorsteuerabzug für den Leistungsbezug möglich, da davon ausgegangen wird, dass kein Bezug für das Unternehmen vorliegt. Eine Besteuerung einer Wertabgabe kann dann auch nicht erfolgen, da gar kein Bezug für das Unternehmen gegeben war.

Konsequenzen für die Praxis

Die Frage der Behandlung der Erschließungsmaßnahmen hat in der Praxis zu erheblicher Unsicherheit und auch nach dem BFH-Urteil zu weiteren Verfahren (vgl. z. B. FG Münster Urteil vom 29.08.2023 - 15 K 871/22 U) geführt. Positiv ist hervorzuheben, dass die Finanzverwaltung mehr als 3 Jahre nach den Entscheidungen überhaupt dazu Stellung genommen hat.

Ob dies eine abschließende Stellungnahme sein kann, muss aber bezweifelt werden. Die Finanzverwaltung nimmt in einer sehr einschränkenden Weise zu dem Gesamtkomplex Stellung und reduziert die Anwendung auf das absolut Notwendige. Eine weitere Auslegung wäre wünschenswert und sinnvoll gewesen.

Beispiele der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung illustriert ihre Aussagen durch 2 umfassende Beispiele, wobei das erste Beispiel den Sachverhalt nach dem EuGH-Urteil "Mitteldeutsche Hartstein-Industrie" wiedergeben soll. Allerdings versieht die Finanzverwaltung dieses Beispiel schon mit weiteren Attributen, die sich so aus dem EuGH-Urteil nicht ergeben. In dem Fall ging es um den Ausbau einer Straße, die auch dem öffentlichen Verkehr dienen sollte. Der Ausbau war notwendig, um eine Abbruchgenehmigung für einen Steinbruch zu erhalten. Da die Straße nach dem durch den Unternehmer erfolgten Ausbau "unentgeltlich" auf die Gemeinde überging, versagte die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug. Nach dem Urteil des EuGH ist der Vorsteuerabzug aber gegeben, da der Ausbau für die unternehmerische Tätigkeit notwendig war und die Straße eben auch durch die Fahrzeuge des Unternehmers genutzt wurde. Auch war der EuGH überzeugt, dass die Kosten für den Ausbau der Straße in den Ausgangspreisen kalkulatorisch enthalten sind. Die Finanzverwaltung setzt dies nun so um, dass die Straße nur in Form einer "geringen Pkw-Nutzung durch die Allgemeinheit" genutzt wird.

In einem weiteren - erweiterten - Beispiel wird bei dem Ausbau einer solch notwendigen Straße aufgrund der Verkehrssicherheit noch ein Fahrradstreifen gebaut und aufgrund einer behördlichen Auflage ein Grünstreifen angelegt. Soweit die Aufwendungen des Unternehmers auf den Fahrradstreifen und den Grünstreifen entfallen, sieht die Finanzverwaltung keinen Vorsteuerabzug für den Unternehmer. Dies soll gelten, selbst wenn dazu eine behördliche Auflage ergangen war. Diese (zu) einschränkende Sichtweise erscheint doch die Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH nicht zutreffend aufzunehmen.

Haltung des BFH

Der BFH, der früher auch eine mittelbare (wirtschaftliche) Verbindung zu den unternehmerischen Zwecken konsequent ausgeschlossen hatte, hat mittlerweile auch in anderen Fällen eine andere Haltung eingenommen (vl. BFH Urteil vom 20.10.2021 - XI R 10/21, zum Vorsteuerabzug einer Hängeseilbrücke sowie BFH Urteil vom 07.12.2022 - XI R 16/21, zum Vorsteuerabzug aus Reparaturkosten an einem Dach, die durch eine Photovoltaikanlage verursacht wurden). Ggf. ergeben sich schon weitere Erkenntnisse aus einem Vorabentscheidungsersuchen , bei dem es um die Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben (in diesem Fall Wärme) aus einer Biogasanlage an Unternehmer geht und somit ein unversteuerter Endverbrauch wahrscheinlich auch nicht vorliegen wird.

Hinweis: Ob die Aussage der Finanzverwaltung haltbar ist, dass das BMF-Schreiben aus 2012 zu den Erschließungsmaßnahmen nicht geändert werden muss, ist in dieser Absolutheit auch fraglich. Dies wird von der Finanzverwaltung nur dahingehend eingeschränkt, dass sich aus dem aktuellen Schreiben keine abweichenden Regelungen ergeben sollten.

Die Grundsätze aus dem Schreiben sind in allen offenen Fällen anzuwenden

BMF, Schreiben v. 24.1.2024, III C 2 - S 7109/19/10004 :001

Schlagworte zum Thema:  Vorsteuerabzug, Umsatzsteuer