[Ohne Titel]

RiBFH Dr. Christoph Wäger[*]

Im Folgenden geht es um aktuelle Entwicklungen im Bereich des Vorsteuerabzugs. Im Fokus stehen dabei die Drittverwendung von Eingangsleistungen, die Betrugsbekämpfung, ein sich abzeichnendes Berichtigungserfordernis bei Erfolglosigkeit sowie Fragen der Zuordnung und des Vorliegens von Rechnungen. Es handelt sich um einen Auszug aus dem jeweils vierteljährlich im Umsatzsteuerhandbuch Birkenfeld/Wäger veröffentlichten Beitrag, in dem die aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung erläutert werden.

[*] Der Verfasser ist Richter am BFH. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

A. Aktuelle Rechtsprechung

[I. – IV. ...]

V. Vorsteuerabzug

1. Materielle Voraussetzungen

a) Ausgangslage

Steinbruch und Erschließung

 

Rz. 84

U wird die Erweiterung des Betriebs eines Steinbruchs unter der Auflage der Erschließung über eine öffentliche Straße gestattet. Der zusätzlich zu erwartende Schwerlastverkehr erfordert den Ausbau einer öffentlich-rechtlich gewidmeten Verbindungsstraße, die auch von der Allgemeinheit genutzt wird. U übernimmt die Kosten hierfür und beauftragt den Bauunternehmer.

Abwandlung 1: U errichtet auf Bitten der Gemeinde auch noch eine bislang nicht vorhandene Fahrradspur zusätzlich zur Straße.

Abwandlung 2: U errichtet zugunsten der Gemeinde die Erschließungsanlagen für ein Gewerbegebiet kostenlos. Er veräußert die so erschlossenen Grundstücke steuerpflichtig.

 

Rz. 85

Zum[1] Grundfall hatte der EuGH[2] letztes Jahr auf Vorlage durch den BFH bereits entschieden, dass der Unternehmer grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und keine Entnahmebesteuerung vorzunehmen ist.

 

Rz. 86

Für den Fall der Abwandlung 2 versagt der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung den Vorsteuerabzug.[3]

[1] Diese Zusammenfassungen "Aktuell" aus Birkenfeld/Wäger – USt-Handbuch bieten jeweils quartalsweise eine komprimierte Analyse und Einschätzung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Gesetzgebungsentwicklungen durch den Herausgeber RiBFH Dr. Christoph Wäger.
[2] EuGH v. 16.9.2020 – C-528/19, ECLI:EU:C:2020:712, UR 2020, 840 – Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, vgl. hierzu Aktuell 2020/III Rz. 90.

b) Aktuelle Rechtsprechung

 

Rz. 87

Mit seinem Urteil v. 16.12.2020[4] folgt der BFH der im Streitfall ergangenen EuGH-Entscheidung. Der BFH beschäftigt sich dabei im Schwerpunkt mit dem Vorsteuerabzug und der Entnahmebesteuerung.

 

Rz. 88

Danach steht dem Unternehmer der Vorsteuerabzug für den Grundfall unter drei Voraussetzungen zu, worin der BFH eine Änderung der Rechtsprechung sieht:

Bezieht ein Unternehmer eine Leistung, um diese an einen Dritten unentgeltlich zu liefern und zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen, steht ihm der Vorsteuerabzug zu, wenn

  (i) die Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich/unerlässlich war, um diesen Zweck zu erfüllen, und
  (ii) die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der Ausgangsumsätze enthalten sind und
  (iii) der Vorteil des Dritten (hier: der Allgemeinheit) allenfalls nebensächlich ist.

Insoweit reicht eine "mittelbare" Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus (Änderung der Rechtsprechung).

 

Rz. 89

Zur Entnahmebesteuerung entscheidet der BFH, dass § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nicht erfolgt, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.

[4] BFH v. 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17), BFHE nn = UR 2021, 465 – Veröffentl.: 14.5.2021.

c) Anmerkung

aa) Entschiedener Streitfall

 

Rz. 90

Der BFH setzt die für den Streitfall vorliegende Entscheidung des EuGH zutreffend um. Fraglich ist, welche Folgen sich aus der Entscheidung für andere Fallgestaltungen ergeben und inwieweit insoweit von einer bereits vollzogenen Rechtsprechungsänderung auszugehen ist. Klar dürfte dabei sein, dass für den fiktiv gebildeten Fall der Abwandlung 1 kein Abzugsrecht besteht. Unklar sind die Folgen für den Erschließungsfall der Abwandlung 2.

bb) Aufgabe von BFH-Rechtsprechung

 

Rz. 91

Der BFH erklärt, an zwei früheren Urteilen nicht mehr festhalten zu wollen. In Bezug auf den Vorsteuerabzug geht es um Folgendes:

  • Nach bisheriger Rechtsprechung stehen die Errichtungskosten eines Gebäudes (aus den Jahren 2002 und 2003) in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang nur zur Gebäudevermietung (steuerpflichtig an Ingenieure und steuerfrei an Ärzte), während zu einer Vergabeleistung des Vermieters an einen Apotheker, die vom Apotheker vergütet wird, ein nur mittelbarer Zusammenhang besteht und diese daher bei der Vorsteueraufteilung nach Umsatz nicht zu berücksichtigen ist.[5]
  • Errichtet eine Gemeinde zur elektrischen Erschließung eines Teils ihres Gemeindegebiets eine Stromleitung, die sie einem Energieversorger unentgeltlich überlässt, ist sie auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn sie erwartet, ihren steuerpflichtigen Wasser- und Fernwärmeabsatz durch die Ansiedelung potentieller neuer Kunden infolge der elektrischen Erschließung des Gemeindegebiets zu fördern, da der unmittelbare und direk...

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