Mit den neueren Entwicklungen bei der Briefzustellung hatte sich das FG Berlin-Brandenburg zu befassen: Am Freitag, dem 15.6.2018 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid. Diesen übersandte er unmittelbar an die Klägerin. Diese war bis zum 19.6.2018 ortsabwesend. Nach ihrer Rückkehr übersandte sie den Bescheid an diesem Tag an ihren Bevollmächtigten, der am 19.7.2018 Einspruch einlegte. Diesen verwarf der Beklagte unter Hinweis auf die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als unzulässig.

Diese Rechtsansicht hat das Gericht nach einer Beweisaufnahme verworfen. Zwar stehe fest, dass der angegriffene Bescheid am 15.6.2018 zur Post aufgegeben worden sei. Jedoch greife im Streitfall die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht ein, weil der beauftragte Postdienstleister innerhalb der Drei-Tages-Frist nach dem 15.6.2018 an der Wohnung der Klägerin nicht regelmäßig an allen Werktagen zugestellt habe. Diesen Fall decke die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht ab. Die Vorschrift stamme aus einer Zeit, als ausschließlich die Deutsche Bundespost an sechs Tagen in der Woche Briefpost in der Bundesrepublik Deutschland befördert und zugestellt habe. Auch diesem Grunde erfasse die Vorschrift nur Tätigkeiten von Postdienstleistern, deren Arbeitsweise in den wesentlichen Zügen mit denen der Deutschen Bundespost bei Kodifizierung der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO übereinstimme. Dies ergebe wie sich auch aus der "Subunternehmer-Rechtsprechung" des BFH (BFH v. 7.5.2019 – III B 59/18, BFH/NV 2019, 897). Erfolge innerhalb der Drei-Tages-Frist – wie im Streitfall – planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Zustellung, finde die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO keine Anwendung.

FG Berlin-Brandenburg v. 24.8.2022 – 7 K 7045/20, Revision eingelegt – VI R 18/22

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge