[Ohne Titel]

RA Prof. Dr. Peter Bilsdorfer[*]

Es ist – wie oft im Leben – müßig darüber zu diskutieren, wer letztlich in der Vergangenheit etwas anders und auch hätte besser machen können. War es der Gesetzgeber, der meinte, seinem Drang nach Digitalisierung auch im Bereich der Kommunikation von Steuerberatern mit den Gerichten folgen zu müssen, war es die Bundesteuerberaterkammer, die meinte, eine eigene Steuerberaterplattform schaffen zu sollen, die dann auch ab dem 1.1.2023 gem. § 52d S. 2 FGO zur aktiven elektronischen Kommunikation verpflichtend war, ohne dass alle Steuerberater bereits diese Plattform nutzen konnten. Oder waren "schuldig" – auch im Sinne der Wiedereinsetzung (§ 56 FGO) – die Steuerberater, die es verpasst hatten, den Weg über die "fast lane" zu gehen, bei der Antragstellern der Registrierungsbrief "priorisiert" zugesandt werden würde.

[*] Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Kropp/Haag/Hübinger in Saarbrücken und counsel der Kanzlei sowie Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes.

I. Die Fakten

Zu den Fakten hat sich Weigel (Weigel, AO-StB 2023, 165) bereits geäußert, dies unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des BFH v. 28.4.2023 (BFH v. 28.4.2023 -XI B 101/22, DStR 2023, 1081). Er ist dabei auch kurz auf im Ergebnis zustimmende Entscheidung des FG Münster (Gerichtsbescheid v. 14.4.2023 – 7 K 86/23 E) eingegangen. Zwischenzeitlich hat der 9. Senat des Niedersächsischen FG dem BFH in der Sache widersprochen (FG Nds., Gerichtsbescheid v. 14.4.2023 – 9 K 10/23, Anm. Weigel, AO-StB 2023, 203 [in dieser Ausgabe]), wobei der 7. Senat dieses FG genau gegenläufig – also auf der Linie des BFH – entschieden hat (FG Nds., Urt. v. 20.3.2023 – 7 K 183/22). Die Faktenlage ist also durchaus "bunt".

II. Mögliche Konsequenzen

Nach dem Kenntnisstand des Verfassers sind bei einigen FG weitere Verfahren mit einer gleichgelagerten Problematik anhängig, die die Frage aufwerfen, wie sich die Beteiligten verhalten könnten oder sollten.

1. Der sicherste Weg

Den wohl sichersten und auch kostengünstigsten Weg bietet der des Ruhens des Verfahrens (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 ZPO). Erforderlich sind hier allerdings übereinstimmende Anträge der Verfahrensbeteiligten. Zwar muss insb. die Finanzbehörde einem Antrag des Klägers nicht zustimmen. Und auch nur in Ausnahmefällen dürfte eine missbräuchliche Zustimmungsverweigerung vorliegen (offengelassen vom BFH v. 25.1.1994 – VIII B 103/93, BFH/NV 1994, 726). Allerdings wird ein entsprechendes (empfehlendes) Nachfragen des Gerichts selbst meist keine Verweigerung bewirken, eher im Gegenteil. Die Behörde wird in der Folge in den seltensten Fällen ihre Zustimmung verweigern.

2. Die Sachentscheidung des FG

Auch wenn beim BFH weitere Verfahren in der Sachfrage anhängig werden und diese möglicherweise die Tür gegenläufiger Entscheidungen – dann über die Regelung in § 11 FGO) – öffnen, könnte es sein, dass ein FG sich in die Diskussion aktiv einschalten möchte. Hier sei auf die Vorschrift des § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO verwiesen, wonach das FG in einem entsprechenden Gerichtsbescheid die Revision zulassen kann. Es ist dies ein Weg, der eine schnelle (und auch wenig aufwendige) Entscheidung auf der Ebene des FG ermöglicht.

3. Die Rücknahme der Klage

Trotz der BFH-Entscheidung v. 28.4.2023 (BFH v. 28.4.2023 -XI B 101/22, DStR 2023, 1081) ist in dieser Frage das letzte Wort nicht gesprochen. Von daher sollte – selbst bei einer entsprechenden Nachfrage des FG – dieser Weg seitens der Betroffenen nicht gegangen werden. Denn wenn es vielleicht dann schließlich doch zu einer anderslautenden (beraterfreundlicheren) Rechtsprechung kommen sollte, wären die im Sinne einer solchen Verfahrensbeendigung Handelnden möglicherweise in einer äußerst problematischen Haftungssituation; dies, weil es nahe gelegen hat, erst einmal die Entwicklung der Rechtsprechung in dieser sicherlich nicht unstreitigen Frage abzuwarten. Hier mag es dann, wenn ein Ruhen des Verfahrens – aus welchen Gründen auch immer – ausscheidet, sinnvoll sein, die Handhabung dem FG zu überlassen, das den Fall ja ohne weiteres auch "liegen lassen" und so ein faktisches Ruhen bewirken kann.

4. Information des Haftpflichtversicherers

Selbständige Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind nach § 67 StBerG verpflichtet, sich gegen die sich aus ihrer Berufstätigkeit nach den §§ 33 und 57 Abs. 3 Nr. 2 und 3 StBerG ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden zu versichern und diese Berufshaftpflichtversicherung während der Dauer ihrer Bestellung aufrechtzuerhalten. Diese Versicherung gewährt dem Versicherungsnehmer (hier: dem Steuerberater) Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen Verstoßes von einem anderen (hier: dem Mandat) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Auch wenn es vielen Berufsangehörigen unangenehm ist: Hier bestehen bestimmte Informationspflichten. So hat der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ...

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