Rz. 78

Stand: EL 129 – ET: 02/2022

Hat ein ArbN keine > Erste Tätigkeitsstätte, fährt er aber dauerhaft typischerweise arbeitstäglich nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Vorgaben

zum selben Ort (zB das Bahn- oder Busdepot, den Taxistand, den Fährhafen, den Flughafen oder den Betrieb des ArbG) oder
zu dem der Wohnung nächstgelegenen Eingang desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets, so ist der Ansatz von Fahrtkosten als WK nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4a Satz 3 EStG auf die Höhe der > Entfernungspauschale beschränkt. Da sich der ArbN aber weiterhin auf einer ‚Auswärtstätigkeit’ befindet, können die anderen Reisekostenarten – insbesondere die Verpflegungspauschalen (> Rz 80 ff) – berücksichtigt werden.

Eine Besonderheit ist es aber, dass der ArbG die Fahrtkosten seit 2014 in diesen Fällen nicht ebenso wie andere Reisekosten nach § 3 Nr 13 oder Nr 16 EStG – wenn auch beschränkt auf die Höhe der Entfernungspauschale – steuerfrei belassen darf. Die FinVerw sieht diese Fälle hinsichtlich der arbeitstäglichen Fahrten zur Arbeit nicht als ‚Auswärtstätigkeit’, sondern ordnet sie dem Komplex ‚Entfernungspauschale’ zu (vgl R 9.5 Abs 1 Satz 6 LStR). Folgerichtig sieht § 40 Abs 2 Satz 2 Nr 1 EStG insoweit lediglich Pauschalierungsmöglichkeiten vor.

 

Rz. 78/1

Stand: EL 129 – ET: 02/2022

Stellungnahme: § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4a Satz 3 EStG besagt, dass Abs 1 Satz 3 Nr 4 und Abs 2 EStG (Entfernungspauschale) für die Fahrten von der Wohnung zum > Sammelpunkt oder zum der Wohnung nächstgelegenen Eingang des weiträumigen Tätigkeitsgebiets entsprechend gilt. Die Regelung findet sich aber im Komplex ‚Auswärtstätigkeit’ (Nr 4a aaO); gleichwohl geht auch der Gesetzgeber in § 40 Abs 2 Satz 2 Nr 1 EStG davon aus, dass es sich um den Komplex ‚Entfernungspauschale’ (Nr 4 aaO) handelt mit der Folge, dass der für ‚Reisekosten’ geltende § 3 Nr 13 und Nr 16 EStG nicht anwendbar ist. Wenn das so gewollt ist, sollte die bisher in Nr 4a Satz 3 aaO getroffene Regelung systematisch besser in Nr 4 aaO angesiedelt werden. Anderenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung § 3 Nr 13 und Nr 16 EStG folgerichtig anwendet und § 40 Abs 2 Satz 2 Nr 1 EStG insoweit leerläuft, weil er nur für steuerpflichtigen > Arbeitslohn gilt.

 

Rz. 78/2

Stand: EL 129 – ET: 02/2022

Für die Beurteilung, ob der ArbN einen Treff-/Sammelpunkt typischerweise arbeitstäglich anfahren muss, gehören Urlaubs- und Krankheitstage nicht zu den Arbeitstagen, bleiben also unberücksichtigt. Bei ArbN-Gruppen, deren Tätigkeit durch längere Reisen geprägt ist (zB Flug- oder Schiffspersonal mit Fernreisen oder LKW-Fernfahrer), greift die Einschränkung der Fahrtkosten uE nicht. Diese ArbN suchen den vom ArbG bestimmten Ort, von dem aus die Reisen angetreten werden sollen (zB Flughafen, Schiffsanlegestelle, Logistikeinrichtung oder ArbG-Betrieb) nicht typischerweise arbeitstäglich auf (glA Wirfler, DStR 2013, 2660).

Für die Frage, ob der ArbN denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet (> Rz 79 ff) aufgrund der Weisung des ArbG "dauerhaft" aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs 4 Satz 3 EStG (zu dieser > Erste Tätigkeitsstätte Rz 22 ff) entsprechend heranzuziehen.

Typischerweise arbeitstäglich meint entlang einer ex ante-Betrachtung "in der Regel üblich", "im Normalfall". Es wird kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen voraussetzt, aber auch keine prozentuale oder tagesmäßige Grenze gezogen. Steht indes von vornherein fest, dass (öfters) andere Einsätze stattfinden, fehlt es am typischerweise arbeitstäglichen Aufsuchen (vgl insgesamt BFH 273, 108 = BStBl 2021 II, 727 unter Aufhebung und Zurückverweisung von EFG 2019, 261; zur BFH-Entscheidung zB Hilbert, NWB 2021, 2641, ähnlich zur aufgehobenen Vorinstanz indes noch Sächsisches FG vom 14.03.2017 – 8 K 1870/16, HaufeIndex 11 144 374).

 

Rz. 78/3

Stand: EL 129 – ET: 02/2022

Privat organisierte Fahrgemeinschaften führen nicht zur Einschränkung der Fahrtkosten, da es an einer Weisung des ArbG mangelt.

 

Beispiel 1:

Vier Bauarbeiter vereinbaren, sich arbeitstäglich auf dem Parkplatz in Autobahnnähe zu treffen, um dort mit einem Fahrzeug zu den wechselnden Baustellen zu fahren. Die Fahrten zum Parkplatz können in Höhe der tatsächlichen Kosten vom ArbG steuerfrei erstattet oder vom ArbN als > Werbungskosten geltend gemacht werden.

 

Beispiel 2:

Der ArbG ordnet an, dass sich die vier Bauarbeiter arbeitstäglich auf dem Parkplatz in Autobahnnähe einzufinden haben, um von dort den Sammeltransport mit dem ArbG-eigenen Kleinbus zu den Baustellen vornehmen zu können. Eine zeitliche Befristung erfolgt nicht.

Die Fahrten zum Parkplatz unterliegen den Regelungen der > Entfernungspauschale. Der ArbG muss Zuschüsse individuell versteuern oder kann in Höhe der Entfernungspauschale die LSt nach § 40 Abs 2 Satz 2 Nr 1 EStG pauschalieren. Ohne Zuschüsse des ArbG kann jeder ArbN die Entfernungspauschale für diese Wegstrecke als Werbungskosten abziehen. Der Sammeltransport selbst ist steuerfrei nach § 3 Nr 16 EStG (zu Einz...

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