Auslegung des Merkmals "dauerhaft denselben Ort" anfahren bei Sammelpunkten

Bestimmt der Arbeitgeber durch arbeits-/dienstrechtliche Festlegung, dass der Arbeitnehmer sich typischerweise arbeitstäglich an einem dauerhaft festgelegten Ort, der das Kriterium für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfüllt, einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder dort die Arbeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem vom Arbeitgeber festgelegten Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Dies bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG.
BFH zu typischerweise arbeitstäglich und dauerhaft festgelegtem Ort
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 19.4.2021, VI R 6/19) setzt die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a S. 3 EStG voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund der Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.
Nach dem Wortlaut "typischerweise" ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet ausnahmslos aufzusuchen hat. Vielmehr erfordert das Gesetz nur, dass er ihn nach der Anweisung "typischerweise arbeitstäglich" aufzusuchen hat. Typischerweise meint "in der Regel üblich", "im Normalfall". Damit bringt der Wortsinn zum Ausdruck, dass das Gesetz gerade kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen voraussetzt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort in der Regel aufzusuchen hat.
Ein dauerhaftes Aufsuchen ist entsprechend der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG zu bejahen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.
Fall beim FG Mecklenburg-Vorpommern
Im Rahmen eines Verfahrens vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern war der Kläger als Möbelmonteur angestellt. Seinen LKW durfte er nicht zur Heimfahrt nutzen, sondern er durfte ihn nach einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber maximal bis zum Ort W fahren. Der Kläger stellte das Fahrzeug überwiegend auf einem von ihm frei wählbaren öffentlichen Parkplatz in W ab.
Der Kläger hat für seine Fahrten mit dem PKW bis W und zurück Reisekosten geltend gemacht, da nach seiner Auffassung der Sammelpunkt nicht vom Betrieb festgelegt worden sei. Der Lkw könne an jedem beliebigen Ort zwischen A (Firmensitz) und W abgestellt werden. Demnach hätte der Arbeitgeber lediglich eine räumliche Abgrenzung vorgegeben und er hätte den tatsächlichen Abstellort eigenverantwortlich wählen können.
Das Finanzamt erwiderte, dass in der Anweisung des Arbeitgebers, mit dem Firmenfahrzeug bis nach W fahren zu dürfen, eine arbeitsrechtliche Festlegung zu sehen sei, W dauerhaft typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, um von dort eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Nachdem der Kläger einen öffentlichen Parkplatz in W angefahren habe, habe er diesen auch dauerhaft arbeitstäglich zum Übernehmen bzw. Abstellen des Lkw aufgesucht. Ein tägliches freies Wählen des Parkplatzes sei praktisch nicht möglich. Durch das dauerhafte arbeitstägliche Aufsuchen dieses Ortes könne sich der Kläger in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf die Minderung der Wegekosten hinwirken.
FG gewährt Reisekosten
Das FG hat sich aber der Auffassung des Klägers angeschlossen (Urteil v. 1.9.2022, 2 K 104/19). Der Kläger habe seine Tätigkeit zwar in der Regel "typischerweise arbeitstäglich" am selben Ort begonnen. Auch war die Anweisung des Arbeitgebers zeitlich nicht befristet, sodass auch das Merkmal "dauerhaft" erfüllt ist. Es fehle jedoch an einer Anweisung des Arbeitgebers, arbeitstäglich einen festgelegten Ort aufzusuchen, um von dort aus die berufliche Tätigkeit zu beginnen. Er hat nur bestimmt, den LKW irgendwo zwischen A und W abzustellen. Damit habe der Arbeitgeber jedoch keinen konkreten Ort bestimmt, sondern lediglich ein räumliches Gebiet eingegrenzt.
Aus Sicht des FG kommt es daher nicht darauf an, dass der Kläger aus Praktikabilitätsgründen tatsächlich in der Regel immer denselben Parkplatz aufgesucht hat. Dies geschah jedenfalls nicht auf Anweisung seines Arbeitgebers und war für ihn aus ex ante Sicht auch nicht vorhersehbar.
Das FG hat die Revision zwar zugelassen, welche aber nicht eingelegt wurde.
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