Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.
Sachverhalt: Veräußerung von Geschäftsanteilen zu unter dem gemeinen Wert liegenden Preis an die GmbH
Der von dem BFH zu entscheidende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kläger, seine 3 Kinder, sein Bruder A und dessen 2 Kinder sowie sein Bruder B und dessen 2 Kinder sind Erben der D zu je 1/10.
- Zum Nachlass gehörte ein Geschäftsanteil mit dem Nennbetrag von 9.000 EUR an der T GmbH, deren Stammkapital 27.000 EUR betrug.
- Die übrigen Geschäftsanteile hielt die H KG, an der neben einer Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung der Kläger und seine beiden Brüder als Kommanditisten beteiligt waren.
- Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10.10.2013 veräußerten die Miterben gemeinschaftlich den durch Erbanfall erworbenen Anteil an der T GmbH zu einem Kaufpreis von 300.000 EUR an die T GmbH.
Mit an die T GmbH gerichtetem Feststellungsbescheid vom 27.04.2017 stellte das örtlich zuständige Finanzamt (FA) auf Anforderung des beklagten Finanzamts den Wert des veräußerten Geschäftsanteils auf den 10.10.2013 erklärungsgemäß mit 1.819.176 EUR fest.
Aufgrund der Differenz zwischen dem festgestellten Wert und dem vereinbarten Kaufpreis ging das FA von Schenkungen im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 des ErbStG der nicht an der H KG beteiligten Miterben zugunsten der Kommanditisten der H KG aus und setzte mit Bescheiden jeweils vom 12.11.2018 Schenkungsteuer gegen den Kläger fest.
Den Wert des jeweiligen Erwerbs ermittelte es, ausgehend vom Unterschiedsbetrag zwischen dem festgestellten Wert des Geschäftsanteils und dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 1.519.176 EUR, der zu je 1/10 auf die zuwendenden Miterben entfalle und von diesen zu je 1/3 den bedachten Kommanditisten zugewandt worden sei, mit jeweils 50.639 EUR. Die Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG gewährte es nicht.
Einspruch und Klage blieben erfolglos
Der Kläger legte erfolglos Einsprüche gegen die Schenkungsteuerbescheide ein. Auch die Klage blieb erfolglos.
Revisionsbegründung
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 7 Abs. 8 Satz 1 und der §§ 13a, 13b ErbStG. Es fehle an einer "Leistung" im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, da der Begriff nur solche Handlungen erfasse, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft als Empfängerin der Leistung mehren könnten. Der Erwerb eigener Anteile durch die T GmbH erhöhe aber nicht den Wert des Gesellschaftsvermögens. Die T GmbH erwerbe keinen Vermögenswert, der ihr nicht ohnehin zustehe. Dies bestätige der durch das BilMoG eingefügte § 272 Abs. 1a und 1b HGB. Danach stelle der Erwerb eigener Anteile keinen Anschaffungsvorgang dar, sondern sei als Kapitalherabsetzung zu qualifizieren. Ohne eine Vermögensmehrung bei der Gesellschaft könne es auch zu keiner Werterhöhung der mittelbaren Beteiligung des Klägers an der T GmbH als Kommanditist der H KG kommen.
Entscheidung: BFH hält die Revision des Klägers für begründet
Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG unzutreffend ausgelegt, da es davon ausgegangen ist, dass die von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorausgesetzte Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft "denklogisch" mit dem Wert des teilweise unentgeltlich auf die Gesellschaft übertragenen Geschäftsanteils korrespondiert.
Steuerbare Schenkung fingiert
§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. Die durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) eingeführte Vorschrift soll eine Besteuerungslücke insbesondere bei disquotalen Einlagen schließen, indem eine solche Einlage des Zuwendenden in eine Kapitalgesellschaft schenkungsteuerrechtlich einer Direktzuwendung an den (Mit-)Gesellschafter gleichgestellt wird. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verdrängt als Spezialtatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Das FG hat im Urteilsfall zu Recht angenommen, dass die Anteilsabtretung durch die Miterben eine Leistung an die T GmbH im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darstellt. Leistung im Sinne der Vorschrift ist grundsätzlich jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das die Hingabe von Vermögen des Zuwendenden bewirkt. Gegenstand der Leistung können Sachen, Rechte und andere Vermögensgegenstände sein, die übertragen, abgetreten oder belastet werden oder auf die der Zuwendende verzichtet. Die Leistung kann in einer offenen oder verdeckten Einlage bestehen oder auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Gesellschafters oder eines Dritten mit der Kapitalgesellschaft beruhen.
Die Anteilsabtretung durch die Miterben (§ 2040 Abs. 1, § 2033 Abs. 2 BGB) erfüllt daher den Leistungsbegriff des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ungeachtet dessen, dass der Vorgang für die T GmbH einen Erwerb eigener Anteile darstellt.
§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verlangt – anders als der schenkungsteuerrechtliche Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – keine freigebige Vermögensverschiebung. Maßgebend für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist allein die Werterhöhung von Anteilen an der Gesellschaft, die ein unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gesellschafter durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft erlangt. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend in der Anteilsabtretung der Miterben eine Leistung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gesehen, auch wenn gleichzeitig der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG erfüllt sein sollte.
Ermittlung der Bereicherung
Die Höhe der Bereicherung im Falle des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG richtet sich auch bei einer mittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft nach der Werterhöhung des Anteils des Bereicherten. Die Bereicherung kann nicht höher sein als der gemeine Wert der (teil-)unentgeltlich bewirkten Leistung. Hierzu führt der BFH weiter aus:
- Eine Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG liegt nur dann vor, wenn der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt.
- Die Bewertung hat jeweils nach den in § 11 Abs. 2 und 3 BewG enthaltenen Regeln für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften zu erfolgen.
- Bei dem Erwerb von eigenen Anteilen durch eine GmbH ist zu beachten, dass das Gesellschaftsvermögen der GmbH nur noch in den Geschäftsanteilen der verbliebenen Gesellschafter reflektiert wird. Daraus kann sich – wie vom FG angenommen – eine Werterhöhung der Anteile der verbliebenen Gesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ergeben. Denn es findet eine Wertverschiebung zu Lasten der eigenen und zu Gunsten der übrigen Gesellschaftsrechte statt.
- Im Fall des Erwerbs eigener Anteile durch die GmbH kann sich aber auch der Substanzwert der Gesellschaft durch das Ausscheiden des veräußernden Gesellschafters über die Minderung des Geldbestands für den Erwerb der Anteile hinaus verringern. So kann der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft etwa durch firmenwertbildende Faktoren (zum Beispiel das Entfallen des Kundenstamms oder von Know-how) weiter absinken (vgl. R B 11.5 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2019), sodass es zu keiner Werterhöhung der Anteile der GmbH-Gesellschafter kommen kann.
- Maßgebend ist, ob am Stichtag eine Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft eingetreten ist. Auf eine Realisation der Werterhöhung kommt es nicht an. Dementsprechend ist es auch ohne Belang, welche ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen zum Beispiel nach § 17 EStG eine künftige Veräußerung der Anteile hätte. Eine eventuelle Doppelbelastung der Werterhöhung mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer könnte erst bei einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile berücksichtigt werden.
Hinweis: Keine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG
Der BFH konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, ob es im Urteilsfall tatsächlich zu einer Werterhöhung der Gesellschaftsanteile im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gekommen ist, da das FG hinsichtlich einer möglichen Werterhöhung dieser Anteile keine konkreten Feststellungen getroffen hatte. Daher hat er die Sache zurückverwiesen und für das weitere Verfahren darauf hingewiesen, dass – sollte eine Werterhöhung der Anteile an der T GmbH nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorliegen – diese nicht nach den §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt wäre. § 13a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStG gewährt einen sogenannten Verschonungsabschlag und einen sogenannten Abzugsbetrag, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – Gegenstand des Erwerbs Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sind. Dies sei im Rahmen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht der Fall. Zuwendungsgegenstand sei hier allein die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die nicht zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG zählen (R E 7.5 Abs. 13 ErbStR 2019; a.A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13b Rz 174; Curdt in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG, Rz 234; Meincke/Hannes/Holtz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 18. Aufl., § 7 Rz 170 und Dannecker, Deutsches Steuerrecht 2020, 853, 857).
BFH, Urteil v. 10.4.2024, II R 22/21; veröffentlicht am 12.9.2024
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