A. Allgemeine Hinweise zum Insolvenzverfahren

 

Rz. 1

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Rechtsgrundlage ist die Insolvenzordnung (InsO). Ziel des darin beschriebenen Verfahrens ist es, die Gläubiger durch Verwertung des Schuldnervermögens und Verteilung des Erlöses zu befriedigen (§§ 159ff, §§ 187ff InsO). Stattdessen können sich die Beteiligten frei auf einen Insolvenzplan (§§ 217ff InsO) zur Sanierung des Unternehmens einigen.

Vgl ausführlich zum Insolvenzverfahren auch AEAO zu § 251.

B. Lohnsteuer in der Phase bis zur Verfahrenseröffnung

 

Rz. 2

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Der InsSchuldner oder sein Geschäftsführer bleibt auch in der Liquiditätskrise zum LSt-Abzug verpflichtet. Das gilt – bis zu einem Verfügungsverbot – auch nach einem Antrag auf Eröffnung des InsVerfahrens: Bei Fälligkeit der LSt noch vorhandene Mittel sind an das FA abzuführen (BFH 222, 228 = BStBl 2009 II, 129; ergänzend > Haftung für Lohnsteuer Rz 155 ff).

 

Rz. 3

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Bis zur Entscheidung über die Eröffnung des InsVerfahrens kann das InsGericht als vorläufige Sicherungsmaßnahmen einen vorläufigen > Insolvenzverwalter bestellen. Erlegt das Gericht dem Schuldner schon in diesen Stadium des Verfahrens ein allgemeines Verfügungsverbot auf, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen InsVerw über (§ 22 InsO). Zu seinen Aufgaben gehört auch die Wahrnehmung steuerlicher Arbeitgeberpflichten (> Rz 10).

 

Rz. 4

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Hat das Gericht als vorläufige Sicherungsmaßnahmen eine vorläufige InsVerwaltung angeordnet (> Rz 2), aber kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen (‚schwacher’ vorläufiger InsVerw), gibt das FA Verwaltungsakte bis zur Eröffnung des InsVerfahrens weiterhin dem InsSchuldner bekannt (vgl § 22 InsO; AEAO zu § 251 Nr 3.1). Die Anmeldung von LSt/SolZ/KiSt führt weiterhin zu einer Steuerfestsetzung (vgl § 168 AO). Verbindlichkeiten des InsSchuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen InsVerw oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen InsVerw begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des InsVerfahrens als Masseverbindlichkeit (vgl § 55 Abs 4 InsO), > Rz 20 ff.

 

Rz. 5

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Erkennt der InsSchuldner, dass eine Insolvenz wegen Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit droht (vgl §§ 18, 19 InsO), wird er ggf die Lohnzahlung zurückhalten, denn für bis zu drei Monate vor Eröffnung des InsVerfahrens erhalten die ArbN anstelle des rückständigen Lohns steuerfreie Leistungen der Agentur für Arbeit. Zu den Einzelheiten > Insolvenzgeld. Werden vor Verfahrenseröffnung – auch über die letzten drei Monate hinaus – nur noch Löhne netto gezahlt, die Steuerabzüge vom Arbeitslohn aber nicht an das FA abgeführt, werden sie nach Verfahrenseröffnung zu Insolvenzschulden (> Rz 22). Entscheidet sich der InsSchuldner für eine Steuerpauschalierung, weil das zwar die Masse belastet, die ArbN insoweit aber vom FA nicht in Anspruch genommen werden können (vgl § 40 Abs 3 EStG), kann das FA seine Zustimmung in den Fällen des § 40 EStG verweigern, wenn die Zahlung der pauschalen LSt ungewiss ist (> Pauschalierung der Lohnsteuer Rz 100 ff); bei einer Pauschalierung nach § 40a EStG gilt dies mangels Notwendigkeit eines Antrags aber nicht (> Pauschalierung der Lohnsteuer Rz 172/2). Ficht der InsVerw aber die Lohnzahlung nach § 129ff InsO an (> Rz 6) oder kommt es mangels Masse nicht zur Eröffnung des Verfahrens, setzt sich ein Geschäftsführer dem persönlichen Haftungsanspruch nach § 69 AO aus (vgl BFH 216, 491 = BStBl 2009 II, 348; BFH 222, 228 = BStBl 2009 II, 129; BFH 223, 303 = BStBl 2009 II, 342; > Haftung für Lohnsteuer Rz 155 ff [162]; > Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften Rz 61). Versucht er aber, ausstehende LSt nach Verfahrenseröffnung noch beim FA einzuzahlen, kann der Geschäftsführer insoweit nicht haftbar gemacht werden, selbst wenn der InsVerw dem nicht zustimmt (BFH/NV 2005, 661). Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Widerrufs von Lastschriften durch den vorläufigen InsVerw vgl Urban, GmbHR 2010, 248. Zur Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zum Schadensersatz aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 266a StGB wegen Nichtabführung der ArbN-Anteile zur SV vgl BGH vom 18.01.2010 – II ZA 4/09, DB 2010, 436.

 

Rz. 6

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Der InsVerw kann unter den Voraussetzungen des § 129ff InsO Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die InsGläubiger benachteiligen, anfechten. Für die Klage des InsVerw auf Rückzahlung angefochtener Lohnzahlungen ist das Arbeitsgericht sachlich zuständig. Ob eine Anfechtung auch für die Abführung von LSt innerhalb der letzten drei Monate vor Eröffnung des InsVerfahrens zulässig ist, hält der BFH für ernstlich zweifelhaft (BFH 210, 410 = BStBl 2006 II, 201; BFH/NV 2006, 897). Sollte im Rahmen einer solchen Anfechtung > Arbeitslohn zurückgefordert werden, führt dies bei den ArbN im Zeitpunkt der Rückzahlung zu > Negative Einnahmen (vgl auch > Rückzahlung von Arbeitslohn; vgl BFH/NV 2006, 1979). Zur Rückzahlungsverpflichtung aufgrund Insolvenzanfechtung vgl BAG...

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