Rz. 3

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Zu den Grundentscheidungen des deutschen Steuerrechts gehört es, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst "am Werkstor" beginnen zu lassen (vgl BVerfG vom 04.12.2002 – 2 BvR 400/982 BvR 1735/00, BStBl 2003 II, 534; vgl Wolf/Schäfer, DB 2003, 2402). Ebenso geht auch der BFH bisher davon aus, dass die berufliche Sphäre bereits mit dem Verlassen der Wohnung beginnt, denn das Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Arbeit ist unverzichtbarer Bestandteil der Berufsausübung (vgl schon BFH 153, 337 = BStBl 1988 II, 706). Zu diesem Prinzip ist der Gesetzgeber, der zum Werkstorprinzip übergehen wollte, als Folge der Entscheidung des BVerfG vom 09.12.2008 (BGBl 2008 I, 2888; > Rz 2 aE) wieder zurückgekehrt. Das war aber keineswegs immer so; vgl die Rechtsentwicklung bei > Rz 9.

 

Rz. 4

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Zur Grundnorm des § 9 Abs 1 Satz 1 EStG ist die Regelung zur Entfernungspauschale in § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG lex specialis (BFH 169, 190 = BStBl 1993 II, 113 mwN). § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG ist rechtsbegründend (konstitutiv) hinsichtlich der von ihm besonders geregelten Tatbestände (> Rz 15). Das schließt die nähere Bestimmung der Wege zwischen einer Wohnung (> Rz 20 ff) und einer ersten Tätigkeitsstätte ein (> Rz 25), außerdem die Beschränkung auf die Pauschale und einen Höchstbetrag (> Rz 15), die Kürzung der Entfernungspauschale um steuerfreie Sachbezüge (> Rz 74) – Satz 5 ist insoweit lex specialis zu § 3c EStG (> Rz 5) – sowie die Wege von der weiter entfernt liegenden, aber nur gelegentlich aufgesuchten Wohnung am Lebensmittelpunkt (Satz 6; > Rz 45 ff). Die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 und 5 EStG gilt deshalb zB auch bei Benutzung eines Firmenwagens (vgl BFH 166, 292 = BStBl 1992 II, 308; zur Besteuerung des geldwerten Vorteils > Kraftfahrzeuggestellung).

Weil § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 und 5 EStG die Anwendung der Entfernungspauschale für die Benutzung eines Flugzeugs ausschließen, gilt die Grundnorm des § 9 Abs 1 Satz 1 EStG ua für die Aufwendungen bei Benutzung eines Flugzeugs zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (BFH 224, 448 = BStBl 2009 II, 724; zu den Gründen > Rz 18).

Für die in § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG erwähnten Strecken mit steuerfreier > Sammelbeförderung fehlt es für die Anwendung von § 9 Abs 1 Satz 1 EStG allerdings an den für einen Abzug in Betracht kommenden Aufwendungen. Zur Abgrenzung von Dienstreisen/Auswärtstätigkeiten > Rz 97 ff.

 

Rz. 5

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Stehen die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen, werden sie grundsätzlich nicht berücksichtigt (§ 3c EStG). Für die Entfernungspauschale gelten aber folgende Besonderheiten: § 3c EStG gilt nicht, soweit sich der Gesetzgeber für die Kürzung der Entfernungspauschale durch Anrechnung anstelle des in § 3c EStG geregelten Abzugsverbots entschieden hat; das Ergebnis ist das Gleiche: Angerechnet werden bestimmte, im Rahmen des Rabatt-Freibetrags für Sachbezüge steuerfrei bleibende betriebliche Leistungen (vgl § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 5 EStG; > Rz 74). Diese Aufzählung ist uE abschließend. § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 5 EStG geht § 3c EStG als lex specialis vor, allerdings nur hinsichtlich der in Satz 5 genannten Tatbestände. Deshalb wird die Entfernungspauschale wegen § 3c EStG auch insoweit nicht abgezogen, als der Stpfl in anderen Fällen steuerfreie Vergütungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte erhält, zB soweit die Fahrtkosten durch eine steuerfreie Aufwandsentschädigung abgegolten werden (vgl BFH 198, 545 = BStBl 2002 II, 823; > Aufwandsentschädigungen Rz 55 ff). Das sich daraus ergebende Mischsystem ist unschön, bleibt aber praktikabel. § 3c EStG gilt im Übrigen auch bei § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 5 EStG: Für Fälle der doppelten Haushaltsführung wird ebenfalls auf § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 3 bis 5 EStG verwiesen. Eine Entfernungspauschale wird zB nicht gewährt, soweit der ArbG für wöchentliche Heimfahrten zur Familie Auslösungen/Erstattungen zahlt, die nach § 3 Nr 13 EStG oder § 3 Nr 16 EStG steuerfrei sind, > Rz 72/2. Zu Besonderheiten bei Schwerbehinderten > Rz 105 ff; zu weiteren Hinweisen > Auslösungen bei privaten Arbeitgebern.

 

Rz. 5/1

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Vom WK-Abzug ausgeschlossen ist die Entfernungspauschale teilweise auch, soweit der ArbG pauschalierte Zuschüsse im Zusammenhang mit den Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (im Regelfall bei Benutzung eines Kfz) pauschal besteuert: Diese Bezüge mindern den als Entfernungspauschale nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 und Abs 2 EStG abziehbaren Betrag (vgl § 40 Abs 2 Satz 2 Nr 1 EStG). Der ArbG muss die anzurechnenden Bezüge in der > Lohnsteuerbescheinigung Rz 10/18 gesondert ausweisen (vgl § 41b Abs 1 Nr 7 EStG). Anders jedoch bei einem pauschalierten > Job-Ticket oder Zuschüssen dazu sowie bei Freifahrtberechtigungen für Soldaten (§ 40 Abs 2 Satz 2 Nr 2 und 3 EStG; > Bunde...

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