Rz. 105

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Für bestimmte > Menschen mit Behinderungen gilt die Besonderheit, dass sie für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte statt der nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 oder Nr 5 EStG berechneten Entfernungspauschalen ihre tatsächlichen Aufwendungen ohne Abzugsbeschränkung als WK abziehen können (vgl § 9 Abs 2 Satz 3 und 4 EStG). Das betrifft

  • Menschen mit Behinderungen, deren Grad der Behinderung (GdB) mindestens 70 beträgt, oder
  • Menschen mit Behinderungen, deren GdB weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (Merkzeichen "G" im Schwerbehinderten-Ausweis).

Ergänzend > Menschen mit Behinderungen Rz 5. Zum Nachweis der Behinderung > Rz 112.

 

Rz. 106

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Der behinderte Stpfl kann – bezogen auf jeden einzelnen Arbeitstag (> Rz 107) – wählen, ob er entweder die Entfernungspauschale oder die tatsächlichen Aufwendungen als WK ansetzen will. Die tatsächlich entstandenen Kosten sind dem FA allerdings nachzuweisen (> Rz 107); alternativ ist bei Benutzung des eigenen Kraftwagens der Km-Satz für Dienstreisen (> Kilometer-Pauschalen Rz 5) iHv 0,30 EUR je gefahrenen km anzusetzen (BMF vom 18.11.2021, Tz 3 = Rz 29, BStBl 2021 I, 2315). Der Ansatz der Entfernungspauschale kann zB an Arbeitstagen günstiger sein als der Ansatz der tatsächlichen Kosten, an denen der Behinderte von einer Fahrgemeinschaft mitgenommen wird oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt.

 

Beispiel 1:

Ein schwerbehinderter ArbN fährt an 200 Arbeitstagen zur 80 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte. An 110 Arbeitstagen nutzt er seinen PKW, an 90 Arbeitstagen wird er von einem Arbeitskollegen in dessen PKW mitgenommen.

Für die 110 Arbeitstage, an denen der ArbN selbst zur Arbeit fährt, wählt er den Ansatz der tatsächlichen Kosten mit dem Km-Satz von 0,30 EUR für jeden gefahrenen Km, für die restlichen Arbeitstage wird die Entfernungspauschale angesetzt.

Abgezogen werden nach § 9 Abs 2 Satz 3 EStG: (160 km × 0,30 EUR × 110 Tage =) 5 280 EUR und zusätzlich nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG (20 km × 0,30 EUR × 90 Tage = 540 EUR und 60 km × 0,38 EUR × 90 Tage = 2 052 EUR) 2 592 EUR, insgesamt mithin 7 872 EUR.

 

Rz. 107

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Für die Prüfung, ob die tatsächlichen Aufwendungen den als Entfernungspauschale in Betracht kommenden Betrag übersteigen, ist grundsätzlich von einer Tagespauschale auszugehen; denn die Entfernungspauschale ist ‚arbeitstagbezogen’ zu ermitteln (vgl § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 2 EStG). Es sind also die Aufwendungen für jeden einzelnen Arbeitstag zu vergleichen (BFH 204, 532 = BStBl 2005 II, 712).

Der Stpfl kann deshalb eine auf jeden einzelnen Arbeitstag bezogene Berechnung durch Vorlage einer entsprechenden Aufstellung beantragen. Er muss sich allerdings für jeden Arbeitstag entscheiden, ob er entweder insgesamt die Entfernungspauschale oder die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen will. Das gilt auch dann, wenn der behinderte Stpfl täglich sowohl den PKW als auch öffentliche Verkehrsmittel benutzt (BMF vom 18.11.2021, Tz 3 = Rz 29 Beispiele 12 und 13, BStBl 2021 I, 2315). Eine Kombination von Entfernungspauschale und tatsächlichen Aufwendungen innerhalb desselben Arbeitstags bei der Bemessung der Wegekosten ist mit § 9 Abs 2 Satz 3 EStG unvereinbar (BFH 225, 64 = BStBl 2009 II, 729).

 

Rz. 108

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Auch bei > Menschen mit Behinderungen iSd § 9 Abs 2 Satz 3 EStG wird grundsätzlich nur ein Hin- und Rückweg arbeitstäglich (> Rz 31) berücksichtigt, hier also ebenfalls keine Mittagsheimfahrt (BFH 118, 467 = BStBl 1976 II, 452). Wird aber eine solche Person mit Behinderungen (> Rz 105; zB ein Blinder) im eigenen PKW täglich einmal von einer anderen Person (zB dem > Ehegatten oder > Lebenspartner) zur ersten Tätigkeitsstätte gefahren und nach Beendigung der Arbeitszeit von dort abgeholt, so werden in bestimmten Fällen (> Rz 109) auch die tatsächlichen Aufwendungen für sog Leerfahrten als ‚beruflich veranlasst’ angesehen: Ein solcher ArbN darf deshalb die tatsächlichen Kosten, die ihm durch die Ab- und Anfahrten des Fahrers entstehen, ggf in Höhe der Km-Sätze für Dienstreisen abziehen (BFH 124, 61 = BStBl 1978 II, 260).

 

Beispiel 2:

Der Ehemann A fährt arbeitstäglich mit dem PKW seine behinderte (GdB 70), führerscheinlose Ehefrau B von der Wohnung zur gemeinsamen ersten Tätigkeitsstätte. Mittags bringt A die nur halbtags beschäftigte B zur Wohnung und fährt anschließend wieder zur Arbeit. Nach Büroschluss kehrt er zu seiner Wohnung zurück.

Die Entfernungspauschale des A bestimmt sich nach der für ihn maßgebenden Wegstrecke; insoweit gelten keine Besonderheiten. B kann aber anstelle einer Entfernungspauschale die tatsächlichen Aufwendungen für die PKW-Nutzung abziehen, und zwar für die Strecke von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte sowie für die Leerfahrt von A zur Mittagszeit (das sind hier im Ergebnis zweimal die Wegstrecke zwischen der Wohnung und der Tätigkeitsstätte).

Nach dem Wortlaut des §...

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