Existenzgründer müssen Urheberrechtslage prüfen
Existenzgründer und Start-ups unterschätzen bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen mitunter die rechtlichen Hürden, die der Umsetzung innovativer Geschäftsideen entgegenstehen können. Dies gilt in besonderem Maße auch für mögliche urheberrechtliche Probleme. Die rechtliche Abklärung ist unabdingbare Voraussetzung für den erfolgreichen Start einer Unternehmung.
Rechtsanwaltsfachangestellte wollte eigenes Unternehmen gründen
Diese Erfahrung musste eine Rechtsanwaltsfachangestellte machen, die sich mit dem Vertrieb bedruckter großformatiger Kissenbezüge eine eigene berufliche Existenz aufbauen wollte. Die Existenzgründerin beabsichtigte, lebensgroße Bilder der Mitglieder einer bekannten südkoreanischen Boyband auf Kissenbezüge aufzudrucken. Diese sollten - über Pappaufsteller gestreift - zur Dekoration von Räumen dienen. Die Bilder bzw. Fotos bezog sie aus dem Internet.
Hinweis auf mögliche Urheberrechte nach Auftragserteilung
Die Existenzgründerin beauftragte im Januar 2022 ein auf Textildruck spezialisiertes Unternehmen mit der Anfertigung der Kissenbezüge und leistete hierauf Anzahlungen in Höhe von etwas über 11.000 EUR. Im März 2022 gab ein Mitarbeiter des Textilunternehmens der Existenzgründerin im Rahmen eines persönlichen Gesprächs den Hinweis, sie müsse sicherstellen, dass durch die Aufdrucke keine Urheberrechte verletzt werden.
Anfechtung und Kündigung des Auftrags
Die infolge des Urheberrechtshinweises verunsicherte Existenzgründerin erklärte einige Wochen später die Anfechtung und Kündigung des erteilten Auftrags. Sie forderte von dem Druckunternehmen die angezahlten Beträge zurück. Sie war der Auffassung, das Unternehmen hätte sie bereits bei Auftragserteilung über eine mögliche Urheberrechtsproblematik aufklären müssen. Das Unternehmen verwies auf bereits bestelltes Material, für das ansonsten keine Verwendungsmöglichkeit bestehe. Man stelle keine weiteren Rechnungen, die Abschlagszahlungen seien aber bereits verbraucht.
PKH-Antrag für Rückzahlungsklage
Dem hierauf von der Existenzgründerin bei Gericht gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückzahlung der geleisteten Summe, blieb der Erfolg zunächst erstinstanzlich versagt. Nach Auffassung des zuständigen LG waren die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung infolge Täuschung durch die Auftragnehmerin nicht gegeben. Eine Aufklärungspflicht seitens der Antragsgegnerin über die Urheberrechtsproblematik habe gegenüber der Antragstellerin nicht bestanden.
Aufklärungspflicht nur bei Wissensgefälle
Eine solche Aufklärungspflicht hätte die Antragsgegnerin nach Auffassung des LG nur im Fall überlegenen Wissens hinsichtlich der Urheberrechtsproblematik gehabt. Ein solches Informations- und Wissensgefälle habe aber nicht bestanden. Die Beschwerdeführerin habe als Existenzgründerin und Rechtsanwaltsfachangestellte über ein gewisses Grundverständnis der Rechtsordnung verfügt. Es sei daher davon auszugehen, dass ihr Wissen zu möglichen Urheberrechtsverletzungen dem Wissen der Antragsgegnerin nicht nachgestanden habe.
Urheberrecht an Bildern gehört zum Allgemeinwissen
Außerdem gehört es nach Auffassung des LG zum Allgemeinwissen, dass eine kommerzielle Verwertung fremder Bilder aus dem Internet ohne Zustimmung des Urhebers dessen Rechte verletzt und deshalb unzulässig ist. Dieses Wissen sei durch die massenhafte Durchsetzung des geltenden Rechts in Internetforen und in den sozialen Medien inzwischen allgemein verbreitet. Das LG kam mit dieser Argumentation zu dem Ergebnis, dass die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg hat und lehnte die beantragte Prozesskostenhilfe ab.
Beschwerdeführerin war nicht Verbraucherin, sondern Unternehmerin
In seiner Beschwerdeentscheidung kam das OLG zu einem anderen Ergebnis. Allerdings stimmte das OLG der Auffassung der Vorinstanz hinsichtlich eines nicht vorhandenen Wissensgefälles und der damit fehlenden Voraussetzung für eine Irrtumsanfechtung zu. Das OLG betonte, die Beschwerdeführerin habe sich bereits eine Internetdomain gesichert und Vorbereitungen für den Aufbau eines Webshops getroffen. Damit habe sie gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht als Verbraucherin, sondern als Unternehmerin gemäß § 14 BGB gehandelt. Insoweit habe für die Beschwerdegegnerin kein Anlass bestanden, die Beschwerdeführerin auf mögliche Probleme einer von ihr selbst getroffenen unternehmerischen Entscheidung hinzuweisen.
Recht zur Kündigung des erteilten Auftrags
Allerdings hatte die Beschwerdeführerin nach Auffassung des OLG den erteilten Auftrag zu Recht gekündigt. Gemäß § 648 Satz 1 BGB habe der Besteller eines Werks das Recht, jederzeit den Vertrag zu kündigen. Gemäß § 648 Satz 2 BGB könne der Unternehmer auch im Fall der Kündigung die vereinbarte Vergütung verlangen, müsse sich aber anrechnen lassen was er infolge der Vertragsaufhebung an Aufwendungen oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erspart habe.
Antragsgegnerin muss ersparte Aufwendungen konkret darlegen
Hinsichtlich ersparter Aufwendungen und anderweitiger Verwendung ihrer Arbeitskraft hat die Antragsgegnerin nach Ansicht des OLG bisher ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die pauschale Behauptung, die Anzahlungen seien bereits aufgebraucht, sei unsubstantiiert. Im übrigen liege es auf der Hand, dass die Antragsgegnerin zumindest Kosten für Konfektion und Druck erspart habe. Die bisher viel zu pauschalen Angaben der Antragsgegnerin seien gerichtlich nicht überprüfbar und in dieser Form nicht geeignet, einen möglichen Rückzahlungsanspruch der Antragstellerin zu Fall zu bringen.
PKH-Antrag überwiegend erfolgreich
Der beabsichtigten Klage kann nach Auffassung des OLG daher die Erfolgsaussicht nicht in vollem Umfang abgesprochen werden. Lediglich hinsichtlich unstreitig bereits erbrachter Einzelleistungen der Antragsgegnerin sei eine Rückforderung ausgeschlossen, so dass im Ergebnis Prozesskostenhilfe für den überwiegenden Teil der beabsichtigten Klage zu gewähren sei.
(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 6.6.2023, 4 W 13/23)
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