Wann ist ein digitaler Türspion erlaubt?
Unterlassungsklage eines WEG-Eigentümers
Ein Wohnungseigentümer, der in einem Mehrfamilienhaus wohnte, ersetzte einen herkömmlichen Wohnungsspion an seiner Wohnungstüre durch einen digitalen Türspion. Dieser war mit einer Kamera versehen, die den vor der Wohnungstüre befindlichen Hausflur erfasste. Die Aufnahmen konnten weder gespeichert noch an andere Geräte – wie ein Smartphone – übertragen werden.
Damit war ein benachbarter Wohnungseigentümer nicht einverstanden. Er verklagte den Nutzer auf Beseitigung des digitalen Türspions und hatte Erfolg damit.
Das Amtsgericht Karlsruhe als Vorinstanz gab der Klage des Eigentümers statt.
Was das Gericht zum digitalen Türspion entschieden hat
Die hiergegen eingelegte Berufung des Wohnungseigentümers und Nutzers des digitalen Türspions wies das LG Karlsruhe zurück. Es entschied, dass der digitale Türspion wieder entfernt werden muss (LG Karlsruhe, Urteil v. 17.5.2024, 11 S 162/23).
Benachbarter WEG-Eigentümer hat Anspruch auf Unterlassung
Die Richter begründeten das damit, dass der benachbarte Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich des digitalen Türspions nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat.
„Einfacher“ digitaler Türspion ist unzulässig
Dieser ergebe sich dadurch, dass der benachbarte Wohnungseigentümer durch das Anbringen des digitalen Türspions in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die Aufnahmen dauerhaft gespeichert werden. Ebenso wenig müsse der digitale Türspion zur Übertragung der Aufzeichnungen in der Lage sein. Von daher reiche der hier verwendete „einfache“ Türspion mit Kamerafunktion aus.
Abwehrrecht wegen fehlendem WEG-Beschluss
Die übrigen Sondereigentümer können sich jedenfalls dann auf ein Abwehrrecht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG berufen, wenn – wie hier – die damit verbundene bauliche Veränderung nicht durch einen Beschluss der WEG-Eigentümer legitimiert werde. Das ergebe sich daraus, dass durch die Erfassung des Treppenhauses das allgemeine Persönlichkeitsrecht der übrigen Sondereigentümer tangiert wird.
Kein Anspruch auf Duldung gegenüber den Nachbarn
Ein Anspruch auf Duldung des beklagten Wohnungseigentümers gegenüber den übrigen Sondereigentümern nach § 1004 Abs. 2 BGB scheide zumindest dann aus, solange die mit der Anbringung des digitalen Türspions verbundene bauliche Veränderung nicht genehmigt worden sei.
Rechtskraft des Urteils
Laut Angabe eines Sprechers ist die Entscheidung des LG Karlsruhe mittlerweile rechtskräftig.
Einordnung dieser Entscheidung
Dass Gerichte Videoüberwachung von Gemeinschaftsflächen in der Regel als unzulässig ansehen und ein WEG-Beschluss keinen Freibrief darstellt, ergibt sich etwa aus einer Entscheidung des LG München. Dieses hatte festgestellt, dass eine Eigentümergemeinschaft durch die Genehmigung der Kameraüberwachung und Videoaufzeichnung in der Tiefgarage einer Wohnanlage trotz Einbrüche in Autos das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Wohnungseigentümer verletzt hatte. (LG München, Beschluss v. 11.11.2011, 1 S 12752/11 WEG).
BGH: Videoanlage in Klingeltableau nur unter engen Voraussetzungen
Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung den nachträglichen Einbau einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau nur unter folgenden Voraussetzungen für zulässig gehalten (BGH, Urteil v. 8.4.2011, V ZR 210/10):
- Die Kamera darf nur durch Betätigung der Klingel aktiviert werden,
- eine Bildübertragung darf allein in die Wohnung erfolgt, bei der geklingelt wurde,
- die Bildübertragung muss nach spätestens einer Minute unterbrochen werden,
- die Anlage darf nicht das dauerhafte Aufzeichnen von Bildern ermöglichen.
AG Bergisch-Gladbach: Digitaler Türspion muss entfernt werden
Dass die Rechtsprechung bei digitalen Türspionen ähnlich ist, dafür spricht eine Entscheidung des AG Bergisch-Gladbach.
Ein Wohnungseigentümer hatte einen digitalen Türspion an seiner Wohnungstüre angeschafft, weil die Polizei ihm das als Einbruchsschutz wegen verwahrter Waffen empfohlen hatte. Doch die Eigentümergemeinschaft verlangte von ihm, dass er ihn wieder entfernt.
Das Gericht entschied, dass er den digitalen Türspion nach §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB beseitigen muss. Denn er habe durch die Installation das Maß der gemäß zulässigen Nutzung des Gemeineigentums gem. § 14 Nr. 1 WEG überschritten, weil dadurch der Hausflur erfasst wird. Das sei bei dem verwendeten digitalen Türspion unzulässig, der die Aufnahmen speichern und Bild und Ton ans Smartphone übermitteln konnte. Hiergegen spreche nicht, dass die Kamera nur anlassbezogen beim Klingeln aufzeichnete ( AG Bergisch-Gladbach, Urteil v. 3.9.2015, 70 C 17/15).
AG Köln: Behinderter Mieter darf digitalen Türspion einbauen
Demgegenüber sah das AG Köln die Installation einer Videokamera im Hausflur eines Mehrfamilienhauses durch einen Mieter als zulässig an, weil dieser aufgrund einer erheblichen Sehbehinderung sowie Gehbehinderung nicht den Türspion benutzen konnte (AG Köln. Urteil v. 20.12.1994, 208 C 57/94).
Praxishinweis:
Aufgrund dieser Rechtsprechung sollten WEG-Eigentümer sich normalerweise nur nach Genehmigung der Eigentümergemeinschaft einen digitalen Türspion anschaffen. Mieter sollten die Genehmigung ihres Vermieters einholen. Der digitale Türspion sollte zudem datenschutzkonform sein. Vor allem sollten die Aufzeichnungen nur nach Betrieb der Klingel für maximal eine Minute erfolgen. Dabei sollte nur ein kleiner Bereich des Treppenhauses vor der Wohnungstüre erfasst werden. Eine Speicherung sollte technisch ausgeschlossen sein, da es nur um Kontrolle des potenziellen Besuchers geht.
(LG Karlsruhe, Urteil v. 17.5.2024, 11 S 162/23)
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Claude Eckel
06.03.2025 18:39 Uhr
"Das Gerichte Videoüberwachung von Gemeinschaftsflächen..." Wat? Mal bitte Rechtschreibung korrigieren. Musste dreimal ansetzen, bevor mir klar wurde, was der Satz eigentlich heißen sollte: "Dass Gerichte (dies und das) als unzulässig ansehen..." Der Satz beginnt mit einer Konjunktion, nicht mit einem Artikel. Dann muss man das aber auch so schreiben.