LG München I

Berufungsgericht weist Räumungsklage ab: Treuwidrige Kündigung wegen Zahlungsverzugs


Räumungsklage: Treuwidrige Kündigung wegen Zahlungsverzugs

Ein Mieter zahlte die Miete nach einem Vermieterwechsel vorübergehend an den alten Vermieter weiter und wurde daraufhin fristlos gekündigt. Da der alte Vermieter jedoch nach wie vor Teil der neuen Vermietergemeinschaft war, hat das Berufungsgericht die Kündigung als treuwidrig abgelehnt.

Miete vorübergehend an alten Vermieter überwiesen  

Der Beklagte ist seit 2010 Mieter einer 3-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss eines Anwesens in München. Ursprünglich war die Eigentümergemeinschaft L. Vermieterin. Im Jahr 2017 erwarb der Kläger zu 4) das Anwesen und trat als Rechtsnachfolger in das Mietverhältnis ein. Mit notariellem Übertragungsvertrag ging das Eigentum im Jahr 2022 zu jeweils 1/6 an die Kläger zu 1) bis 3), Kinder des Klägers zu 4), über. Das hälftige Miteigentum verblieb beim Kläger zu 4). Die Kläger richteten ein Gemeinschaftskonto ein, auf das alle Mietzahlungen geleistet werden sollten. 

Der Beklagte wurde nach Darstellung der Kläger spätestens mit E-Mail vom 5.6.2023 über die Änderung des Empfängerkontos informiert. Ob er bereits mit Schreiben vom 27.2.2023 über das neue Konto in Kenntnis gesetzt wurde, war zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte überwies die Mieten für April bis Juli 2023 weiterhin auf das Konto des Klägers zu 4), der die Zahlungen einbehielt und weder auf das Gemeinschaftskonto weiterleitete noch an den Beklagten zurückzahlte. Ab August 2023 zahlte der Beklagte auf das Gemeinschaftskonto. 

Anfang August 2023 kündigten die Kläger das Mietverhältnis außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzugs. Eine Abmahnung erfolgte nicht. Der Beklagte erhielt die Kündigungen am 04.08.2023 durch Einwurf in den Briefkasten und am 05.08.2023 per Einschreiben. Mit Schreiben vom 14.08.2023 forderten die Kläger den Beklagten zur Begleichung der Mietrückstände bis zum 25.08.2023 auf. Mangels Zahlung erfolgte am 29.08.2023 eine erneute fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung. 

Das Amtsgericht München verurteilte den Beklagten im Oktober 2024 zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Es stützte sich auf § 543 Abs. 2 Nr. 3a und 3b BGB und erachtete die Kündigungen als wirksam, da die Mietzahlungen nicht auf das Gemeinschaftskonto erfolgt seien und der Beklagte über die Änderung informiert gewesen sei. Das Gericht gewährte keine Räumungsfrist. 

Berufung des Beklagten 

Der Beklagte legte Berufung ein und bestritt weiterhin den Zugang des Informationsschreibens vom 27.2.2023. Er argumentierte, dass die Zahlungen auf das Konto des Klägers zu 4) schuldbefreiend gewesen seien, da dieser die Beträge ohne Weiteres auf das Gemeinschaftskonto hätte weiterleiten können. Zudem habe die Klägerseite die Zahlungen konkludent genehmigt. Der Beklagte machte geltend, dass die Kündigungen treuwidrig seien und eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. 

Berufungsgericht weist Räumungsklage ab 

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Klage ab. Es stellte fest, dass das Mietverhältnis durch keine der Kündigungen beendet worden sei, da diese als treuwidrig gemäß § 242 BGB anzusehen seien. 

Mieter war in Zahlungsverzug 

Das Berufungsgericht hielt die erstinstanzliche Beweiswürdigung hinsichtlich des Zugangs des Informationsschreibens vom 27.02.2023 für letztlich nicht zu beanstanden. Es bestätigte, dass der Beklagte ab April 2023 nicht mehr berechtigt war, die Miete mit schuldbefreiender Wirkung auf das Konto des Klägers zu 4) zu zahlen. Gemäß § 432 BGB sind mehrere Vermieter Mitgläubiger, sodass die Miete nur an alle gemeinschaftlich geleistet werden kann. 

Bewusstes Ausnutzen des Zahlungsverzugs ist treuwidrig 

Das Gericht sah die Kündigungen jedoch als rechtsmissbräuchlich an. Es berücksichtigte, dass die Mietzahlungen für April bis Juli 2023 pünktlich und vollständig auf dem Konto des Klägers zu 4) eingegangen waren. Dieser hätte die Beträge ohne Weiteres auf das Gemeinschaftskonto weiterleiten oder an den Beklagten zurückzahlen können. Stattdessen behielt er die Zahlungen ein und forderte den Beklagten auf, die Beträge erneut auf das Gemeinschaftskonto zu überweisen. Dies war dem Beklagten aufgrund seiner finanziellen Situation nicht möglich. 

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerseite den Zahlungsverzug bewusst ausgenutzt habe, um das Mietverhältnis zu beenden. Angesichts der engen familiären Verbindung zwischen den Klägern und der personellen Überschneidung zwischen der vormaligen und der neuen Vermieterseite wäre es den Klägern möglich und zumutbar gewesen, die Situation ohne Kündigungen zu bereinigen. Das Verhalten der Klägerseite verletzte die Grundsätze von Treu und Glauben. 

Keine nachhaltige Pflichtverletzung 

Das Gericht berücksichtigte zudem, dass die Mietzahlung für August 2023 bereits auf das Gemeinschaftskonto erfolgt war. Dies zeigte, dass das fehlerhafte Zahlungsverhalten des Beklagten lediglich vorübergehender Natur war. Die Kläger hätten erkennen müssen, dass keine nachhaltige Pflichtverletzung vorlag. 

Das Gericht wies darauf hin, dass die Treuwidrigkeit der Kündigungen nicht nur den Kläger zu 4) betraf, sondern die gesamte Klagepartei. Der Ausspruch der Kündigungen lag in der Verantwortung aller Kläger. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klagepartei auferlegt. 


LG München I, Endurteil v. 06.08.2025 - 14 S 13520/24

Ähnliche Entscheidung des LG Berlin  

Auch das Landgericht Berlin war in einem ähnlichen Fall im Rahmen eines Hinweisbeschlusses davon ausgegangen, dass die Kündigung eines Vermieters wegen der Überweisung der Miete auf das Konto des ehemaligen Vermieters unwirksam ist (Beschluss vom 21.12.2021 – 65 S 134/21). Das Gericht begründete das damit, dass mangels Verschulden kein Verzug eingetreten sei. Das ergebe sich daraus, dass der Mieterer über Jahre seine Miete pünktlich gezahlt habe, was dem neuen Vermieter bekannt gewesen sei. Überdies habe dieser dem Mieter nicht mitgeteilt, dass er die Miete auf ein anderes Konto zahlen muss.   

Vorläufige Vollstreckung von Räumung der Mietwohnung  

Wichtig ist, dass Urteile der Amtsgerichte in Räumungssachen normalerweise für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Dies ergibt sich aus § 708 Nr. 7 ZPO. Hierauf müssen Mieter achten. Denn es die besteht die Gefahr, dass Mieter die Wohnung räumen müssen, obwohl sie gegen die Entscheidung Berufung eingelegt haben.  Dies können Mieter eventuell dadurch verhindern, dass sie vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gem. § 712 ZPO beantragen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden. Dies setzt voraus, dass ihnen die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt.   

Vermieter sollten bei einem anhängigen Berufungsverfahren nur ausnahmsweise eine vorläufige Räumungsvollstreckung durchführen. Ansonsten besteht das Risiko, dass sie Schadensersatz zahlen müssen. Das ergibt sich aus § 717 Abs. 2 ZPO.   


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