Trotz Corona zur Wahlstation des Referendariats nach Windhuk

Eine Rechtsreferendarin hat vor Gericht erfolgreich ihre vorbehaltlose Zuweisung zu der von ihr gewünschten Wahlstation in Namibia durchgesetzt. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wegen der Corona-Pandemie hindert die Zuweisung nicht.

Nach einer Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen OVG darf die Zuweisung einer Rechtsreferendarin zu einer Wahlstation im Ausland nicht davon abhängig gemacht werden, dass für das gewählte Land zum Zeitpunkt des Beginns der Wahlstation keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wegen SARS-CoV-2 besteht.

Zuweisung erst abgelehnt, dann unter Corona-Vorbehalt erteilt

Eine Rechtsreferendarin im nördlichsten Bundesland hatte sich zur Ableistung ihrer Wahlstation für die Ausbildungsstelle „Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) in Windhuk entschieden. Die Präsidentin des zuständigen OLG lehnte die Zuweisung mit dem Hinweis auf eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das betreffende Gebiet zunächst ab. Nachdem das Auswärtige Amt die Reisewarnung wieder aufgehoben hatte, erteilte das OLG schließlich die Zuweisung unter dem Vorbehalt, dass zum Zeitpunkt des vorgesehenen Antritts der Wahlstation keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Namibia wegen einer Einstufung als Corona-Risikogebiet besteht.

Referendarin besteht auf vorbehaltlose Zuweisung nach Namibia

Diesen Widerrufsvorbehalt wollte die Referendarin nicht hinnehmen und beantragte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beim zuständigen VG ihre vorbehaltlose Zuweisung zu der gewünschten Ausbildungsstelle. Sie argumentierte, die Wahlstation sei die wichtigste Station ihres Referendariats.

Sie strebe eine Karriere in der internationalen Zusammenarbeit an. Sie sei bereit, für etwaige mit der Zuweisung verbundene Risiken, persönlich die Verantwortung zu übernehmen. Sowohl das VG als auch im Beschwerdeverfahren das OVG gaben der Referendarin recht.

Zuweisung zur Wahlstation im Ermessen oder nicht?

Einer der Streitpunkte vor Gericht war die Frage, ob es sich bei der Zuweisung eines Rechtsreferendars zu einer Wahlstation um eine gebundene Entscheidung der die Ausbildung leitenden OLG-Präsidentin handelt oder ob die Entscheidung in deren Ermessen steht. Die Frage ließ das OVG offen. Sowohl als gebundene als auch als Ermessensentscheidung war der Widerrufsvorbehalt nach Auffassung des OVG rechtswidrig.

Anforderungen des juristischen Vorbereitungsdienstes entscheidend

Das OVG stellte klar, dass auch im Rahmen einer nach § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung, der in den Zuweisungsregeln der §§ 30 ff JAVO zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck im Rahmen der Ermessensausübung nicht verlassen werden dürfe. Nach den Zuweisungsregeln der §§ 30 ff JAVO habe sich der Dienstherr bei Zuweisung in die einzelnen Stationen in erster Linie an den inhaltlichen Anforderungen des juristischen Vorbereitungsdienstes zu orientieren.

Organisatorische Belange dürfen berücksichtigt werden

Bei seinen Entscheidungen dürfe der Dienstherr allerdings in Grenzen organisatorische und finanzielle Aspekte der Ausbildung berücksichtigen, sofern diese von einigem Gewicht sind. Anders als bei den Regelstationen im Zivil- oder Strafrecht spielten bei der Zuweisung zur Wahlstation dienstliche und organisatorische Erwägungen aber eine eher geringe Rolle. So zwinge das Problem der Ausschöpfung der Ausbildungskapazitäten durch Überlastung der jeweiligen Ausbildungsplätze in den Zivil- und Strafrechtsstationen häufig zur Entlastung einzelner Schwerpunktbereiche durch eine belastungsgerechte Verteilung der Referendare.

Für solche, den Ausbildungszwecken dienende organisatorische Maßnahmen, stünde der Ausbildungsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Bei den häufig in deutlich geringerem Umfang von den Referendaren frequentierten Wahlstationen seien solche Probleme aber weniger zu befürchten.

Reisewarnungen sind nicht berücksichtigungsfähig

Die Berücksichtigung von Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bewegen sich nach der Bewertung des OVG außerhalb des Regelungszwecks der Zuweisungsregeln der §§ 30 ff JAVO. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei eine Gefährdung des Ausbildungszwecks infolge einer Zuweisung zu einer Ausbildungsstelle im Ausland grundsätzlich nicht in höherem Maße zu befürchten, als bei einer Zuweisung im Inland. Das Auswärtige Amt weise Risikogebiete im Ausland ab einer Überschreitung der Inzidenzwerte von 50 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen aus. Diese Werte würden innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in vielen Regionen teilweise um ein Mehrfaches überschritten (Zeitpunkt der Entscheidung 22.12.2020). Die Zuweisung von Referendaren zur Ableistung einer Referendarstation in diese Gebiete sei dennoch in keiner Weise eingeschränkt.

Gesundheitsfürsorge rechtfertigt den Vorbehalt nicht

Im Ergebnis sah das OVG keinen sachlichen Grund, bei der Zuweisung ins Ausland strengere Maßstäbe als im Inland anzulegen, besonders wenn die ausländische Region niedrigere Inzidenzwerte als einige Regionen in Deutschland aufweist (so auch im Rahmen der Corona-Einreiseverordnung: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.11.2020, 13 B 1770/20). Damit war auch das Argument der Antragsgegnerin vom Tisch, der Widerrufsvorbehalt diene u.a. der Ausübung der dienstlichen Fürsorgepflicht im Hinblick auf die Gesundheit der Mitarbeiter.

Quarantäne gefährdet nicht zwingend den Ausbildungszweck

Die Argumentation der Antragsgegnerin, mögliche nach der Rückkehr erforderliche Quarantänemaßnahmen seien geeignet, die Erreichung des Ausbildungszwecks innerhalb der vorgesehenen Ausbildungszeit zu gefährden, überzeugte das OVG ebenfalls nicht. Das Risiko einer erforderlichen Absonderung bestehe grundsätzlich bei jeder Zuweisung zu einer Ausbildungsstation im Ausland. Angesichts des derzeitigen, nahezu weltweit dynamischen pandemischen Geschehens könne zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung an einer Auslandsstation nie vorhergesagt werden, ob zum Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung, also der Rückkehr des Referendars in die Bundesrepublik, der Ort der Auslandsstation als Risikogebiet ausgewiesen werde oder nicht.

Widerrufsvorbehalt war unwirksam

Nach der Bewertung des OVG lag der von der Antragsgegnerin im Rahmen der Zuweisung zur Wahlstation in Namibia erklärte Widerrufsvorbehalt außerhalb der Zwecksetzung der Zuweisungsvorschriften der JAVO. Da hinsichtlich der gewählten Ausbildungsstelle in Namibia auch keinerlei grundsätzliche Bedenken gegen die Gewährung einer sachgerechten Ausbildung bestehen, erklärte das OVG den Widerrufsvorbehalt für rechtswidrig und damit unwirksam.

(Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss v. 22.12.2020, 2 MB 43/20).

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