Erst durch Legal Tech entstehen große Rechtsdienstleistungsmarken

Solange Anwälte zurückdenken können, besteht der Rechtsberatungsmarkt aus unüberschaubar vielen lokalen Klein(st)kanzleien, einigen regionalen mittelständischen Kanzleien und wenigen wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Großkanzleien. National bekannte Marken suchte man in dieser friedlichen Co-Existenz bisher vergeblich. Die Digitalisierung ist gerade dabei das zu ändern.

Die Anwaltschaft – bisher namenlose Vielfalt

Freshfields, CMS und Hengeler Mueller – Sie kennen die umsatzstärksten Kanzleien Deutschlands? Dann arbeiten Sie entweder dort, sind Wirtschaftsanwalt in einer anderen Kanzlei oder DAX-Vorstand. Otto Normalverbraucher sind selbst die größten deutschen Sozietäten nicht geläufig. Bekannte Marken mit großer Reichweite sind im 20 Milliarden-Markt der Rechtsberatung noch immer Mangelware.

So befeuert Legal Tech die Markenbildung

Zwar war bereits in den vergangenen Jahrzehnten ein Trend zur Marktkonzentration und Markenbildung erkennbar. Erst die Digitalisierung und die darauf fußenden Legal Tech-Geschäftsmodelle verleiht dieser Entwicklung jedoch eine enorme Dynamik. Das liegt an folgenden Punkten:

1.       Global statt lokal: Viele anwaltliche Leistungen, die früher von Menschen in Büros erledigt wurden, vollbringen heute Algorithmen auf Servern. Internetportale kennen weder Entfernungen noch Öffnungszeiten. Was bringt dem Mandanten die fußläufige Erreichbarkeit des „Anwalts um die Ecke“, wenn er dort 2 Wochen auf einen Termin warten muss und die gleiche Leistung im Netz rund um die Uhr zum halben Preis angeboten wird?

2.       Spezialisierung statt Feld, Wald & Wiese: So wie McDonalds für schnelles Essen und Ferrari für schnelle Autos steht, steht das Portal Flightright heute für schnelles Geld bei Entschädigungsansprüchen wegen Flugverspätung. Die meisten herkömmlichen Kanzleien sind dagegen wenig markant und bieten Blumensträuße von Leistungen für Verbraucher oder Unternehmen statt spezialisierter Ausrichtung und klarer Strategie.

3.       Von der Innovation zur Marke: Der Schwede Ingvar Kamprad hatte einst die Idee, Möbel herzustellen, die er nicht von seinen Mitarbeitern, sondern von seinen Kunden zusammenbauen ließ. Verkauft wurde dieser Einfall nicht als Betrug sondern als urbaner Lifestyle. So entstand die Marke IKEA. So ähnlich funktionieren auch viele Legal Tech-Geschäftsmodelle. Der Mandant füttert Algorithmen über eine Eingabemaske und die Maschine unterstützt oder ersetzt den dahinter stehenden Anwalt. Die Kostenersparnis – weitergegeben an den Mandanten – macht für viele Verbraucher die Durchsetzung ihrer Ansprüche oder sonstige Anwaltsleistungen erst erschwinglich.

4.       Kanzleien entdecken die Werbung: Werbung bzw. Marketing war in der Rechtsberatung lange gesetzlich eingeschränkt und dann verpönt. Akquise war Chefsache und fand mittwochs im Rotary-Club und sonntags im Sportverein statt. Kanzleilogos mussten entweder ein Paragrafen-Zeichen oder eine Justitia enthalten und möglichst in marineblau daherkommen. Das änderte sich mit den Möglichkeiten des Internets. Wer sich der ganzen Welt präsentieren kann macht sich naturgemäß mehr Gedanken über sein Auftreten. Markenbildung ist durch die Online-Welt zum Teil erst möglich geworden und wird immer mehr zum Bestandteil anwaltlicher Marketingstrategie – nicht nur für Markenrechtler.

Google liebt Marken – Menschen tun es auch

Markenbildung über das Internet bedeutet heute in erster Linie Präsenz in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken.

Der Suchmaschinen-Gigant Google liebt Marken und platziert sie in seinen Suchergebnislisten regelmäßig vor der weniger bekannten Konkurrenz. Eine Kanzlei mit starkem Auftritt im Netz, der über die eigene Homepage hinausgeht, deren Name häufig auftaucht – am besten immer wieder in Verbindung mit bestimmten Themen – hat daher gute Karten auf vordere Platzierungen in der Suchmaschine und viel Traffic auf seiner Webseite.

Menschen ticken natürlich genauso. Sie vertrauen Marken, die bekannt sind und für bestimmte Themen und Attribute stehen.festzusetzen
Postet bzw. wirbt man auf Facebook (dort wo potentielle Mandanten die andere Hälfte des Tages verbringen), dient das der Markenbildung. Das funktioniert aber nur, wenn Kanzleiname, Logo sowie die verwendeten Farben und Bilder markant genug sind, sich irgendwie im Gehirn der in Hochgeschwindigkeit surfenden Nutzer                                                       

Marke und Daten bestimmen den Wert der Kanzlei

Wer es mit Hilfe des Internets, Werbeagenturen und guten Ideen geschafft hat, eine Marke im Rechtsberatungsmarkt zu etablieren, darf sich darf sich dann auch über einen schönen Corporate Brand Asset freuen. Bisher bestand der Wert einer Anwaltskanzlei hauptsächlich aus den dort tätigen Köpfen und ihrer Bindung zu Mandanten mit laufendem Beratungsbedarf. Deshalb mussten Käufer kaum mehr als den einfachen Jahresumsatz als Kaufpreis für eine Kanzlei auf den Tisch legen.

Ein Rechtsdienstleister mit einer starken Marke, guten Platzierungen bei Google und optimierten digitalen Prozessen zur Sammlung und Verarbeitung von mandatsbezogenen Daten dürfte dagegen um ein Vielfaches höher zu bewerten sein. Die Geschäftsmodelle solcher Kanzleien bzw. Legal Tech-Dienstleister sind schließlich unabhängig von den Köpfen dahinter und lassen sich meist beliebig skalieren.

Wer hat das Zeug zur erfolgreichen Marke?                                

Derzeit entstehen erfolgreiche Marken im Rechtsdienstleistungsbereich vor allem außerhalb von Kanzleien. Anwaltsuchdienste wie zum Beispiel Anwalt.de oder Dienste für Rechtsdokumente wie Smartlaw haben in ihren Segmenten bereits eine solche Dominanz im Netz und ein so scharfes Profil, dass sie sich dauerhaft als erfolgreiche Marke etablieren können. Durch die Vielzahl von Themen, die sie bespielen und bewerben werden sie die Sichtbarkeit herkömmlicher Kanzleien schrittweise zurückdrängen.

Was bleibt diesen? Entweder sie versuchen sich durch die Teilnahme an erfolgreichen Suchdiensten und Mandatsvermittlungsplattformen ihr Stück vom Kuchen zu sichern oder aber sie werden selbst zur Marke. Die wenigen, die das schaffen, werden immer größere Anteile des Marktes unter sich aufteilen können.