Deutsche Umwelthilfe darf auch zukünftig abmahnen und klagen

Erleichterung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der BGH hat die Abmahn- und Klageberechtigung der DUH bestätigt. Abmahnungen der DUH sind nicht rechtsmissbräuchlich. Politisch existieren allerdings Bestrebungen, der DUH die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Nach den von der DUH erreichten gerichtlichen Erfolgen bei Klagen gegen diverse deutsche Städte wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Stickoxidwerte und den gerichtlich verordneten Fahrverboten, wurde in der Politik mehrfach die Frage nach der Klageberechtigung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation DUH gestellt. Die Durchsetzung der Fahrverbote durch die DUH in einigen deutschen Großstädten (Dieselfahrverbot vor dem BVerwG) ist bekanntermaßen einigen Politikern ein Dorn im Auge. Sie fordern deshalb, der Organisation die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Homepage eines Autohändlers mit Mängeln

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der DUH hatte auch ein Autohändler aus Baden-Württemberg. Die Umweltorganisation hatte ihn abgemahnt, weil er Kunden auf seiner Homepage nicht über die Verbrauchswerte und den CO2 Ausstoß der von ihm verkauften Fahrzeuge informierte. Der Verweis im Internet auf einen in seinen Geschäftsräumen ausliegenden Leitfaden rügte die Organisation als nicht hinreichend.

Autohändler sieht in DUH reinen Abmahnverein

Der Autohändler wollte weder dem Unterlassungsantrag noch der Zahlungsaufforderung der DUH folgen. Vor Gericht wandte er ein, die DUH sei ein reiner Abmahnverein. Die Überwachung der Einhaltung der Umweltvorschriften stehe in der Realität ebenso wenig im Vordergrund der Arbeit des Vereins wie die Wahrung des Informationsinteresses der Verbraucher.

  • Die Organisation betrachte das Abmahnwesen als lukrative Einnahmequelle.
  • Das Geschäftsmodell lebe von unzulässigen Profitabsichten der Akteure
  • und rechtswidrigen Querfinanzierungen politischer Kampagnen.
  • Diese Geschäftspraktiken seien rechtsmissbräuchlich.

Automobilbranche besonders abmahnresistent

Diese Vorwürfe wollte die DUH nicht auf sich sitzen lassen. Sie verwies vor Gericht darauf, als gemeinnützig anerkannt zu sein. Sie sei politisch unabhängig und verfolge keineswegs in erster Linie finanzielle Interessen. Zweck des Vereins seien

  • der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen,
  • der Schutz der Umwelt
  • und der Schutz der Verbraucher.

Die DUH überwache insgesamt 20 Wirtschaftsbranchen. Wirkliche Probleme habe sie nur mit der Automobilindustrie, die sich grundsätzlich gegen jede noch so berechtigte Abmahnung wehre.

Gesetzliche Grundlagen

Rechtliche Grundlage der Abmahntätigkeit der DUH ist § 8 UWG.

  • Danach kann derjenige auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, der eine unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt.
  • Gemäß § 8 Abs. 3 UWG können unter anderem qualifizierte Einrichtungen nach § 4 UKlaG diese Ansprüche geltend machen.
  • Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung dieser Ansprüche „unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen“.
  • Voraussetzung einer berechtigten Abmahnung ist darüber hinaus, dass der abmahnende Verband in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist.
  • Eingetragen werden nur solche Vereine, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
  • Die Einhaltung der Bedingungen wird vom Bundesamt regelmäßig überprüft.

BGH bestätigt zentrale Rolle der DUH als Umweltschutzorganisation

Der BGH bestätigte nun, dass die DUH in ihrer zentralen Rolle als Umweltschutzorganisation auch Verbraucherschutzinteressen wahrnehme und deshalb berechtigt sei, bei Rechtsverstößen im Wege einer Abmahnung einzuschreiten und diese auch vor Gericht weiterzuverfolgen. Der BGH stellte klar, dass bei einer Vielzahl von Verstößen gegen die dem Verbraucherschutz dienende Kennzeichnungs- und Informationspflicht eine damit korrespondierende Vielzahl von Abmahnungen zur effektiven Durchsetzung von Verbraucherinteressen erforderlich sei.

  • Soweit die geforderten Unterlassungserklärungen nicht abgegeben würden, sei die Einleitung gerichtlicher Verfahren die logische Folge des Fehlverhaltens der Abgemahnten.
  • Würden mit dieser Tätigkeit Überschüsse erzielt, so könne hierauf der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nur dann gestützt werden, wenn weitere Umstände für eine solche Bewertung hinzuträten.
  • Dies folge auch aus dem sonst widersinnigen Ergebnis, dass ein Verbraucherschutzverband seine Marktüberwachung einstellen müsste, sobald er in die Gewinnzone komme.

Finanzierung über Überschüsse begründet keinen Rechtsmissbrauch

Die Tatsache, dass die DUH sich unter anderem mit Hilfe der aus ihrer Abmahntätigkeit erzielten Einnahmen finanziert, ist nach Auffassung des BGH ebenfalls nicht zu beanstanden. Überschüsse aus einer Marktverwaltungstätigkeit und deren Verwendung auch für andere Zwecke als die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Verbraucherinteresse sei noch kein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen.

Spenden und Gehälter nicht zu beanstanden

Auch die umstrittenen Spenden des Autoherstellers Toyota an die Organisation bewertete der BGH als nicht rechtsmissbräuchlich.

  • Der Autohersteller Toyota sei infolge der Spenden von der Organisation nicht bevorzugt behandelt oder deshalb mit Abmahnungen verschont worden.
  • Auch die Höhe der Gehälter der Geschäftsführer der Organisation - die deutlich über denen ähnlich großer Verbände liegen – begründen nach Auffassung des Senats nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Sie umfassten nur einen Bruchteil des Geschäftsvolumens der Organisation.
  • Der Vorwurf, der Zweck der Abmahnungen und Klagen liege zuvörderst darin, Einnahmen für die handelnden Personen zu erwirtschaften und nicht in der Verfolgung von Verbraucherinteressen, sei mangels einer unangemessenen Relation zwischen Gehältern und Einnahmen widerlegt.

Damit steht der Tätigkeit des Vereins nach dem Diktum des BGH der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 8 Abs. 4 UWG nicht entgehen.

Streitwert nicht unverhältnismäßig

Auch die Streitwertangabe des Verbandes für die Unterlassungsklage in Höhe von 30.000 Euro ist nach Wertung des BGH kein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung. Die Spruchpraxis der Oberlandesgerichte hinsichtlich der Streitwertfestsetzung in Abmahnfällen sei dermaßen unterschiedlich, dass die Streitwertangabe von 30.000 Euro nicht insgesamt als unverhältnismäßig einzustufen sei. Auch die seitens der Klägerin geforderte Kostenpauschale für die Abmahnung sei lediglich kostendeckend und lasse keine rechtsmissbräuchliche Gewinnerzielungsabsicht erkennen. Die Klage gegen den Verband sei daher aus keinem Gesichtspunkt rechtfertigt.

(BGH, Urteil v. 4.7.2019, I ZR 14/18)

Hintergrund:

Abmahnung ist wichtiges Instrument des Verbraucherschutzes

Der Geschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, nahm das Urteil mit Erleichterung auf und erklärte:

Wir kontrollieren nicht Geringfügigkeiten, sondern nur schwerwiegende Verstöße und verstehen uns als wichtiges Instrument zur Durchsetzung des ökologischen Verbraucherschutzes“.

Der Verein sei infolge der durchgesetzten Dieselfahrverbote von der Politik vielfach diskreditiert worden. Man habe versucht, die Organisation in der Öffentlichkeit als reinen Abmahnverein darzustellen. Die jetzige Entscheidung des BGH sei vor diesem Hintergrund eine „Ohrfeige für den Staat“. Würde der Staat seinen ureigenen Pflichten in diesem Umfeld gerecht, so wäre die Arbeit der Organisation überflüssig und sie würde sich gerne wieder aus dem Geschäft zurückziehen.

Jährlich ca. 400 Gerichtsverfahren

Nach eigenen Angaben erteilt die DUH monatlich etwa 120 - 130 Abmahnungen und leitet im Jahr ca. 400 Gerichtsverfahren ein. Die Einnahmen daraus betrugen im Jahr 2017 ca. 2,2 Millionen Euro und machten ca. ein Viertel der Gesamteinnahmen aus. Die weiteren Einnahmen kämen aus Spenden, Projektzuschüssen der EU, aus Förderungen von Ministerien und Stiftungen. Da der BGH diese Praxis nicht beanstandet, dürfte mit weiteren Aktivitäten des Verbandes auch in Zukunft zu rechnen sein.

DUH kämpft um den Erhalt der Gemeinnützigkeit

Nach dem gewonnenen Rechtsstreit droht der DUH weiteres Ungemach aus der Politik. Einige Politiker der CDU bemühen sich, die Zuschüsse für die DUH aus dem Bundeshaushalt und aus anderen öffentlichen Töpfen zu stoppen. In diesem Zusammenhang wird auch über den Entzug der Gemeinnützigkeit nachgedacht. Wie weit der Einfluss der CDU hier reicht, ist allerdings unklar. Das Bundesumweltministerium hat bereits erklärt, die Arbeit der Organisation weiterhin unterstützen zu wollen und Fördermittel streng projektbezogen zu beurteilen. Über die Gemeinnützigkeit entscheidet ebenfalls keine politische Partei, sondern es entscheiden ausschließlich die zuständigen Finanzbehörden. Den erstrebten Zugang zur Musterfeststellungsklage dürfte der Gesetzgeber der DUH aber weiterhin verwehren.