Es ist vollbracht! Nach der VW-Finte, den ersten Vergleich medienwirksam platzen zu lassen, haben die Parteien nun erfolgreich die Vergleichsverhandlungen abgeschlossen, die sie auf Anraten des OLG wieder aufnahmen. Die Dieselkäufer sollen je nach Fahrzeugtyp und -alter zwischen 1.350 und 6.257 EUR, ca. 15 % des von ihnen bezahlten Kaufpreises, erhalten. 

Wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mitteilte, erhalten nun, als Ergebnis eines mit Hilfe eines Güterichters gefundenen Vergleichs,  die ca. 260 000 in der Musterfeststellungsklage  verbliebenen Diesel-Käufer ein Angebot auf einen Schadensersatz in Höhe von durchschnittlich rund 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. Sie erhalten je nach Modell und Alter ihres Fahrzeugs zwischen 1.350 und 6.257 EUR und können dann entscheiden, ob sie es annehmen oder in Einzelklagen weiter für mehr Geld streiten.

vzbv sieht das Mögliche und das Ende der Musterfeststellungsklage erreicht

Für den vzbv ist damit das Ziel der Musterfeststellungsklage ereeicht und diese zu beenden.Vorstand Klaus Müller führte aus:

 "Der vzbv hat für mehr gestritten. Aber im Rahmen der schwierigen Verhandlungen ist das Ergebnis das maximal Erreichbare",

VW hatte zuvor die Verhandlungen spektakulär platzen lassen, was die Diesel-Kunden Zugang zu einem Vollstreckungstitel gekostet hätte. Begründung: zu hohen Anwaltsforderungen auf Klägerseite.

In der Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig wird der Kläger, wie die „FAZ“ berichtet von der dafür gegründeten Kanzlei Russ Litigation vertreten, die aus Anwälten der Kanzleien Rogert & Ulbrich und Dr. Stoll & Sauer gebildet wurde, die viele Klägern gegen VW und VW- Vertragshändler vertreten.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sah den Abbruch der Vergleichsverhandlungen darin begründet, dass VW ein  solides und für die Verbraucher sicheres System der Abwicklung scheut.

VW wollte im Alleingang entschädigen

Die VW AG wollte die ausgehandelte Entschädigung außergerichtlich und ohne Mitsprache des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und seiner Anwälte vornehmen, gegen Unterschrift der Kunden, keine weiteren Klagen gegen VW einzureichen.  Der klagende und überrumpelte "vzbv" forderte die Volkswagen AG auf, ihren angekündigten Direktvergleich zügig vorzulegen.

Bei dem angebotenen Direktvergleich hätte der vzbv keine Kontrollmöglichkeit gehabt.„Die Verbraucher sind gezwungen, darauf zu vertrauen, dass der Konzern, der sie bereits einmal betrogen hat, jetzt plötzlich korrekt handelt – ohne Möglichkeit einer objektiven Überprüfung.“ ( Pressemitteilung des VZBV vom 17.2.)

Anstehende BGH-Entscheidung befeuerte die Vergleichsverhandlungen 

Eine Grundsatzentscheidung des BGH zur Berechtigung der von Dieselkäufern wegen der eingebauten Schummelsoftware geltend gemachten Schadensersatzansprüche konnte VW bisher durch geschicktes Taktieren (u.a. durch Individualvergleiche) verhindern (→ Keine kam durch: Jede Menge Dieselklagen  -  aber keine BGH-Entscheidung). Ein Vergleich im Musterfeststellungsverfahren wäre für VW und auch für die Klägerseite uninteressant geworden, nachdem der BGH das in dem anhängigen Individualklageverfahren im Mai erwartete Grundsatzurteil gesprochen hätte.

Spektakulärer Stapellauf der neuen Musterfeststellungsklage

Die Musterfeststellungsklage als neue Verbraucherschutzklage steht seit dem 1.11.2018 zur Verfügung. Noch in der Nacht zum 1. November reichten der vzbv in Kooperation mit dem ADAC Klage gegen die VW AG beim OLG Braunschweig ein.

  • Diese Klage entwickelte sich mittlerweile zum einem Shootingstar in Sachen Akzeptanz durch Registrierung.
  • Verbraucher hatten offensichtlich auf die neue Klageform gewartet
  • und die zum Jahresende drohende Verjährung von Ansprüchen befeuerte die Eintragung in das Klageregister noch zusätzlich.

Ca. 445.000 Dieselkäufer hängten sich zunächst an die erste Musterklage an

Das Gesetz wurde zeitlich extra forciert, um die Position vom Diesel-Käufern zu stärken, deren Ansprüche Ende 2018 zu verjähren drohen. Seit dem 27. November konnten sich Dieselkäufer online beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in einem Anmeldeformular ins Klageregister eintragen lassen.

Damit wollten bzw. sollten sie erreichen,  eine gerichtsfeste Grundlage für die spätere Durchsetzung ihrer individuellen Schadenersatzansprüchen zu erhalten. Allerdings gab es auch Warnungen davor, dass Verbraucher mit ihrer Registrierung zugleich ihr individuelles Klagerecht beeinträchtigen, da sie von dem Ergebnis des Verfahrens abhängen. Weit über 100 000 Registrierte zogen sich auch aus der Klage wieder zurück.

Der erste Verhandlungstag verlief für die Verbraucher noch deutlich negativer

Der erste Verhandlungstag vor dem OLG Braunschweig nahm aus Sicht der Verbraucher einen schwierigen Verlauf. Das Gericht erklärte, den Parteien die bisherigen Überlegungen des Senats näher bringen zu wollen, wobei der Vorsitzende Richter den vorläufigen Charakter dieser rechtlichen Erwägungen betonte. Eine eindeutige Auskunft gab es dann aber doch zur Frage möglicher vertraglicher Ansprüche gegen die VW AG. Solche sieht der Senat grundsätzlich nicht, denn die Kunden hätten ihre Fahrzeuge in der Regel nicht unmittelbar von VW, sondern über einen Händler gekauft. Vertragliche Beziehungen unmittelbar zu VW bestünden damit nicht.

Hat VW die Kunden in sittenwidriger Weise geschädigt?

Zu Beginn der Verhandlung zitierte der Vorsitzende Richter eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die zugunsten der Verbraucher ausgefallen waren. Das OLG verwies unter anderem auf die Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte, die das Verhalten von VW als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bewertet hatten. Der Vorsitzende Richter erklärte, diese Rechtsauslegung sorgfältig prüfen zu wollen. In der Vergangenheit hatte der Senat eine arglistige Täuschung und sittenwidrige Schädigung der VW Kunden verneint (OLG Braunschweig Urteil vom 19.02.2019 - 7 U 134/17).Zur abschließenden Beurteilung dieser Frage kommt nach den Ausführungen des Senats möglicherweise auch eine Beiziehung diverser Straftaten, unter anderem des Strafverfahrens gegen den ehemaligen VW-Chef Winterkorn, in Betracht. Das Gericht habe über die Notwendigkeit der Beiziehung von Straftaten aber noch nicht endgültig entschieden.

Es fehlt eine Diesel-Positionierung des BGH

Leider fehlt bis heute eine aussagekräftige höchstrichterliche Entscheidung des BGH zu diesem Problemfeld. Mit einem Hinweisbeschluss hatte der BGH zwar Anfang des Jahres klargestellt, dass die mit einer Schummelsoftware ausgestatteten Fahrzeuge mangelhaft sind und ein Anspruch auf Nachlieferung auch dann nicht ausscheidet, wenn zwischenzeitlich ein Modellwechsel stattgefunden hat (BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17).

Der BGH hat sich aber zu den nun beim OLG Braunschweig rechtserheblichen Fragen der Arglist bzw. der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sowie zu der wichtigen Frage, ob das von VW entwickelte Software-Update den Fahrzeugmangel möglicherweise beseitigt, bisher nicht geäußert.

Knackpunkte: Schaden und Schadensberechnung beim abgasmanipulierten Diesel

Dann warf der Vorsitzende Richter einige entscheidende Fragen auf, die zu Knackpunkten des Verfahrens werden könnten, nämlich

  • worin genau in der Realität der Schaden für einen Käufer liege, wenn er ein Fahrzeug technisch beanstandungsfrei über Jahre nutzt,
  • ob das nachträglich von VW eingebaute Software-Update nicht doch zu einer Behebung des Schadens führt,
  • ob der eingetretene hohe Wertverlust der Dieselfahrzeuge tatsächlich auf die von VW eingebaute „Schummelsoftware“ oder nicht zum größeren Teil auf die zu einem späteren Zeitpunkt entstandene öffentliche Diskussion über Fahrverbote von Dieselfahrzeugen in Städten entstanden ist und
  • nach welchen Maßstäben im Falle der grundsätzlichen Anerkennung eines Schadens die Schadenshöhe nach jahrelanger Nutzungsdauer berechnet werden soll. Dem Gericht leuchte nicht ein, aus welchen rechtlichen Gründen ein Käufer ein Fahrzeug über Jahre kostenlos nutzen dürfen soll.

Das OLG Frankfurt hatte erst kürzlich eine nachträgliche Beseitigung des Schadens durch das spätere Aufspielen des von VW entwickelten Software-Updates verneint. Entscheidend ist nach Wertung des OLG, dass die Typengenehmigung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Makel der Täuschung durch die Schummelsoftware behaftet gewesen sei und dies nachträglich nicht mehr beseitigt werden könne (OLG Frankfurt Beschluss vom 25.09.2019 - 17 U 45/19).

Zweiter Verhandlungstag mit deutlich neuem Akzent

Den zweiten Verhandlungstag nutzte der Senat nun zu einer erkennbar anderen Akzentuierung seiner bisherigen Rechtsausführungen. Der Vorsitzende Richter zitierte in der mündlichen Verhandlung ausführlich die lange Reihe einschlägiger Entscheidungen der Land- und Oberlandesgerichte, die einen Rückabwicklungsanspruch der Käufer und auch eine arglistige Täuschung durch VW bejaht haben. Der Senat gab jetzt zu bedenken, dass er die dort vertretenen Rechtsauslegungen nicht ohne weiteres ignorieren könne. Dies war ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Senat von seiner bisher eher restriktiven Haltung gegenüber VW-Kunden durchaus abrücken kann.

Je länger das Verfahren, umso mehr reduziert sich der Schaden

Auch nach dem zweiten Verhandlungstag beim OLG Braunschweig scheinen zumindest zwei Eckpunkte für das weitere Verfahren gesetzt:

1. Ein Schadensersatzanspruch gegen VW kann im Grundsatz nur auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB und nicht auf unmittelbare vertragliche Ansprüche gestützt werden und

2. die Käufer müssen sich in jedem Fall die Nutzungsdauer des Fahrzeugs - in welcher Weise auch immer - anrechnen lassen.

Letzteres führt dazu, dass die Käuferansprüche mit zunehmender Dauer des Verfahrens bei weiterer Fahrzeugnutzung immer mehr an Wert verlieren. Dieser Gesichtspunkt erscheint umso schwerwiegender, als das OLG Braunschweig möglicherweise nicht das letzte Wort in der Sache haben wird, sondern auch noch der BGH und sogar der EuGH ins Spiel kommen können. Abgesehen von den Kostenrisiken sind die Einzelkläger, zumindest was den Zeitablauf angeht, hier wahrscheinlich deutlich im Vorteil. Dieser Faktor hat wahrscheinlich dazu geführt, dass inzwischen rund 77.000 Teilnehmer der Feststellungsklage - die exakte Zahl ist noch nicht geklärt - wieder abgesprungen sein sollen.

OLG Braunschweig drängt zu einer Vergleichsregelung

Das OLG Braunschweig hatte in der mündlichen Verhandlung am 08.11.2019  in nach dem früheren Verlauf überraschend klarer Form VW dazu gedrängt, sich Vergleichsverhandlungen über eine Entschädigung der Käufer zu öffnen und in konkrete Verhandlungen einzutreten. Der Vorsitzende des Senats machte deutlich, dass eine vergleichsweise Lösung der Entschädigungsfrage im wirtschaftlichen Interesse von VW sein sollte. Eine angemessene Lösung für die deutschen Kunden sei am besten geeignet, verlorenes Kundenvertrauen wieder zurückzugewinnen.

Die von der durch den OLG-Senat gesetzten neuen rechtlichen Akzentuierung wohl etwas überraschte Prozessvertreterin von VW erklärte, die Möglichkeit eines Eintritts in Vergleichsverhandlungen bis zum Jahresende 2019 prüfen zu wollen (Verjährung!). Sinnvolle Vergleichsverhandlungen seien möglich, wenn VW über genügend Daten verfüge, um die Kosten eines möglichen Vergleichs einschätzen zu können. Hierzu müsste insbesondere die Zahl der noch aktiven Teilnehmer der Musterfeststellungsklage geklärt werden.

Im Hinblick auf das mit zunehmender Verfahrensdauer infolge der weiteren Fahrzeugnutzung eintretende Abschmelzen der Höhe der Entschädigungsforderungen war die Bereitschaft von VW, über die Höhe möglicher Entschädigungsleistungen zu verhandeln, ein deutlicher Hoffnungsschimmer für die Kunden auf eine noch angemessene Höhe einer solchen Entschädigung. Die Klägerseite hatte denn auch ihre Bereitschaft zum Führen solcher Verhandlungen klar erklärt.

Grundsatzentscheidung des BGH noch in diesem Jahr erwartet

VW hatte schließlich mit Beginn des Jahres 2020 die Vergleichsverhandlungen aufgenommen. Dies dürfte aus der Sicht von VW auch einen prozesstaktisch guten Grund gehabt haben. Am 05.05.2020 steht die mündliche Verhandlung vor dem BGH in einem Individualklageverfahren eines VW-Dieselkäufers an. Es ist nicht auszuschließen, dass der BGH bereits in der mündlichen Verhandlung seine Rechtsansicht zu den Erfolgsaussichten der Klage äußern wird. Je nachdem, wie der BGH sich in der Verhandlung oder in einem späteren Urteil positioniert, wäre dann entweder für die Klägerseite oder für VW der Anreiz für einen Vergleichsabschluss deutlich geschwunden.

VW dürfte Jahreswechsel wegen Verjährung abgewartet haben

Nicht ohne taktische Erwägungen dürfte VW auch den Ablauf des Jahres 2019 bis zur Aufnahme von Vergleichsverhandlungen abgewartet haben. Nach heutigem Stand der Rechtsprechung war auch die Beurteilung der Verjährungsfrage noch nicht eindeutig geklärt, wie eine neuere Entscheidung des LG Osnabrück zeigt. Das OLG hatte den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist für Entschädigungsansprüche von VW-Kunden auf einen deutlich späteren Zeitpunkt als Ende 2015 angesetzt. Begründung: Ende 2015 seien noch nicht sämtliche, für eine Beurteilung des Entschädigungsanspruches maßgeblichen Tatsachen, insbesondere die Verantwortlichkeiten innerhalb des VW-Konzerns, bekannt gewesen (LG Osnabrück Urteil vom 03.09.2019 - 6 O 918/19).

Verjährungseintritt aus Sicht von VW mit Ablauf 2019 gesichert

Aus Sicht von VW erscheint es allerdings als weitgehend gesichert, dass mit Ablauf des Jahres 2019 die Ansprüche von diesen Kunden endgültig der Verjährung unterliegen. Damit dürfte für VW jetzt die Gefahr gebannt sein, auch 2020 noch mit weiteren Klagen von Diesel-Kunden konfrontiert zu werden. Dies ist aus Sicht von VW ein wichtiges Argument für die Überschaubarkeit der nach einem Vergleichsabschluss auf den Autohersteller zukommenden Kosten. Der Gesamtschaden Ersatz dürfte sich in Deutschland ohnehin in einem deutlich geringeren Rahmen als in den USA bewegen, wo VW für die Käufer mehr als 10 Milliarden US-Dollar an Entschädigung bereitstellen musste.

Musterfeststellungsklage: Was ist das?

Verbände können mit einer Musterfeststellungklage für alle betroffenen Verbraucher eine bestimmte Rechtsverletzung (wie eine unwirksame Banken-AGB oder eine Abgasmanipulation am Kfz) eines Unternehmens gerichtlich feststellen zu lassen und ihnen damit den Weg zum Schadensersatz ebnen.

Das Modell für die zivilprozessuale Musterfeststellungsklage liefert die Kapitalanleger-Sammelklage aus dem KapMuG. Die für Verbraucherklagen entscheidende Wirkung der Musterfeststellungsklage liegt in der Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils. Mit der Musterfeststellungsklage kann das Gericht

  • Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art zum Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs oder Rechtsverhältnisses treffen,
  • an die ein später im Rahmen einer Leistungsklage von einem betroffenen Verbraucher oder Unternehmen angerufenes Gericht gebunden ist.

Dem mit der Musterfeststellungsklage befassten Gericht wird damit die Möglichkeit eingeräumt, unterschiedlichste Vorfragen für mögliche Leistungsklagen zu klären und damit entscheidende Unsicherheiten für einen später mit einer Leistungsklage eingeleiteten Prozess im Vorfeld auszuräumen. Da es bei den Klagen zunächst um die Feststellung von Ansprüchen dem Grunde nach und nicht um Zahlungsansprüche geht, werden sich die Streitwerte in Grenzen halten.

Was sollte in der Musterklage gegen VW geklärt werden?

Es sollte gerichtlich festgestellt werden,

  • dass der Volkswagen-Konzern durch Einsatz von Manipulationssoftware Verbraucher vorsätzlich geschädigt hat
  • und der Konzern den Käufern deswegen grundsätzlich Schadenersatz schuldet.
  • Geklärt werden soll außerdem, ob der Kaufpreis bei Fahrzeugrückgabe in voller Höhe ersetzt werden muss
  • oder ob eine Nutzungsentschädigung abzuziehen ist.

Geführt wird die Klage von der Kanzlei R/U/S/S Litigation, einem Zusammenschluss der Gesellschafter der Kanzleien Dr. Stoll & Sauer und Rogert & Ulbrich. Der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben sich ca. 445.000 Verbraucher. 

Doppelte Rechtshängigkeit bindet Musterfeststellungskläger

Wer sich registrieren lässt, verliert damit allerdings gem. § 610 Abs. 3 ZPO das Recht zur eigenen Klage. Wenn der Verbraucher sich angemeldet hat, darf er seine Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt nicht mehr selbst geltend machen. Er ist dann an die Prozessführung in der Sammelklage durch den Verbraucherschutzverein gebunden, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Eine danach erhobene eigene Klage wäre wegen „doppelter Rechtshängigkeit“ unzulässig. Hierdurch sind die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage gegen VW nun an das möglicherweise langwierige Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig gebunden.

Musterfeststellungsklage: Wofür ist sie gedacht, was kann sie leisten?

Mit der neuen Klageart können bestimmte Verbraucherverbände seit 01.11.2018 in einem Musterprozess Rechtsverhältnisse oder Anspruchsvoraussetzung für eine Vielzahl von betroffenen Verbrauchern gegenüber einem Unternehmer verbindlich feststellen lassen.

  • Gibt das Gericht der Musterfeststellungsklage statt, müssen die Verbraucher ihre Ansprüche gegen den Unternehmer zwar in einem Folgeprozess noch einzeln einklagen,
  • allerdings ist das Gericht im Folgeprozess an die Feststellungen des Musterfeststellungsurteils gebunden.

Gelockert wurde auf Anregung des Bundestages die überfordernde Vorgabe, wonach Verbraucher bei der Klageanmeldung den Betrag der Forderung angeben sollten.

Für welche Rechtsfälle ist die neue Rechtsform konzipiert?

Der Auslöser für die nach langem Vorlauf und mehrmaligem Abschmettern verabschiedete Klageform war der Dieselskandal, der eine unsägliche Menge an sich widersprechenden Entscheidungen hervorrief, im krassen Gegenteil zur flotten Rechtsfindung via Sammelklagen in den US-Diesel Fällen.

  • Die neue Klageform eignet sich einerseits für solche und ähnliche Masseschäden (Diesel-Manipulation, unwirksame Widerrufserklärungen etc).
  • Daneben ist sie geeignet für sog. Streuschäden, bei denen die Nachteile für den Einzelnen zu gering sind, um zu klagen (zu hohe Kita-Gebühren, unzulässige Bearbeitungsgebühren etc.).

Entstehungsgeschichte der Musterfeststellungsklage: Auf dem Trittbrett des Abgasskandals 

Die Bundesregierung hatte am 05.06.2018 den „ Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage“, die noch von der vorigen GroKo in der Schublade des Justizministeriums ruhte, vorgelegt.

  • Am 11.06. fand eine öffentliche Anhörung zu dem von der Regierungskoalition geplanten Gesetz zur Einführung einer Musterfeststellungsklage statt.
  • Am 14.06.2018 wurde im Bundestag die ZPO-Änderung bezüglich der Musterfeststellungsklage gegen die Stimmen der Opposition beschlossen.

Da die Verjährung vieler Dieselkunden-Ansprüche zum Jahresende verhindert werden soll, stand das Gesetzgebungsverfahren unter Zeitdruck.

Es war schon schwer, einen Kompromiss zwischen Union und SPD zu finden. Die Union wollte die Klagemöglichkeiten einschränken und amerikanische Verhältnisse abwenden, die SPD wollte Verbrauchern und Verbände die Klage und die Registrierung zum Musterprozess erleichtern.

  • Seitens der Union wurde auch das Bedürfnis formuliert, die Voraussetzung für eine Verbandsklagbefugnis noch strenger zu gestalten, "um unseriöse Verbände auch aus dem EU-Ausland von der Klagebefugnis auszuschließen".
  • Die Union verlangte außerdem noch eine Verschärfung der Transparenzregeln für die Finanzierung der klageberechtigten Verbände und eine Konkretisierung zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit.
  • Die SPD wollte die Verjährungshemmung für Verbraucher unabhängig von der Registrierung greifen lassen.
  • Auch die Grünen kritisieren die vorgesehenen Registrierungsbedingungen für die Musterklage. Für die Anmeldung zum Klageregister bestehe zwar kein Anwaltszwang, die Anforderungen an eine „wirksame Anmeldung“ seien aber von einem Laien schwer zu erfüllen.
  • Schließlich sollten auch Unternehmen und nicht nur Verbrauchern den Zugang zum neuen Verfahren ermöglichen.

„Wenn etwa ein Handwerker oder ein Pflegedienst beim Autokauf über den Abgasausstoß getäuscht wurde, sollten auch sie ihre berechtigten Ansprüche im Musterprozess geltend machen können“

  • OLG als 1. Instanz

Für Musterfeststellungsklagen sind die Oberlandesgerichte am Sitz des beklagten Unternehmens direkt als erste Instanz zuständig, um nicht viele Jahre bis zu einem rechtskräftigen Entscheid verstreichen zu lassen. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist immer zulässig.

  • Nicht-Verbraucher /KMU

Auch Nicht-Verbraucher können von einem Musterfeststellungsurteil zumindest indirekt profitieren. Wenn ein Verbraucher gegen einen Konzern klagt, wie jetzt im Dieselskandal, sollen die KMU ihre Klagen aussetzen können, bis der Musterprozess abgeschlossen ist. Klagt also etwa ein Handwerker wegen seines abgasmanipulierten Lieferwagens gegen VW, wird dieses Verfahren ausgesetzt, bis die Musterfeststellungsverfahren eines Verbraucherverbandes abgeschlossen ist.

  •  Procedere für Verbraucher und Verbraucherverbände.
  1. Der Verbraucherverband muss auf der auf dieser Basis der Ansprüche von zehn betroffenen Verbrauchern eine Klage einreichen.
  2. Hält das Gericht die Klage für zulässig, wird dies veröffentlicht und es wird ein Klageregister beim Bundesamt für Justiz eröffnet.
  3. Dort müssen sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 40 weitere Betroffene melden. Anderenfalls ist keine Musterfeststellungsklage möglich.

Klage-Monopol für staatlich geförderte Verbände

Die Oppositionsparteien sind nicht überzeugt. Kritisch gesehen wird von den Grünen, dass einige Verbände durch die engen Kriterien für eine Klagebefugnis privilegiert, andere, ausgeschlossen werden.

Wenn nur Verbände klageberechtigt seien, die ohne Gewinnerzielungsabsicht agierten und minimal durch Unternehmen finanziert seien würde staatlich geförderten Einrichtungen damit „faktisch ein Monopol auf die Erhebung von Musterfeststellungsklagen eingeräumt“.

Auch dies mit Blick auf das Dieselthema, das nach Meinung von Kritikern teilweise zu stark das Gesetzgebungsverfahren dominiert, dem Thema allerdings erst den zuvor fehlenden Rückenwind vermittelt hat.

Schon bisher haben Verbraucherschutzverbände zwar Gerichtsurteile gegen Banken, Konzerne und Unternehmen erstritten, wenn diese beispielsweise unzulässige Bestimmungen in ihren AGB verwendet haben und Verbraucher hierdurch geschädigt wurden.

Häufig hatte die große Masse der geschädigten Verbraucher von den Erfolgen der Verbraucherschutzverbände nicht viel, denn viele Verbraucherforderungen waren nach den langjährigen Rechtsstreiten bereits verjährt.

Dies sollte sich mit Einführung der Musterfeststellungsklage ändern.

Musterfeststellungsklage: Gesetzgebungsverfahren unter großem Zeitdruck

Das Gesetz für diese von der Wirtschaft gefürchtete prozessuale Steighilfe für Verbraucherklagen wurde noch vor der Sommerpause 2018 durchs Parlament geschleust, denn

  • es sollte am 1. November 2018 in Kraft treten,
  • weil die Ansprüche vieler Diesel-Käufer zum Jahresende 2018 verjähren.

Die Opposition sperrte sich gegen diesen Parforceritt. Der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae betont, das Gesetz müsse im Bundestag ordentlich behandelt werden können. Er forderte von VW einen zeitlich begrenzten Verjährungsverzicht für seine deutschen Kunden, um Druck aus dem Kessel des Gesetzgebers zu nehmen. Hintergrund: Viele Dieselkäufer liefen schon Ende 2017 in die Verjährungsfalle.

Eine echte Sammelklage ist die Musterfeststellungsklage nicht

Seit der Einführung der Klage können Verbraucher ähnlich wie bei Sammelklagen ihre Rechte gemeinsam einklagen. Im Unterschied zu Sammelklagen - beispielsweise in den USA - gibt es aber entscheidende Einschränkungen und Abweichungen.

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Es bindet lediglich die Gerichte für späteren Verbraucherklagen an die Feststellungen im Musterklageverfahren, wenn sich der Verbraucher der Musterfeststellungsklage angeschlossen hat.

Details der Musterfeststellungsklage

Die neue Klage wurde in §§ 606 ff ZPO geregelt:

  • Nur ausgesuchte Verbraucherverbände können eine Musterfeststellungsklage für eine Vielzahl von Betroffenen einreichen können.
  • Die Mindestzahl der Mitstreiter, die für die Einleitung eines Musterfeststellungsverfahrens erforderlich ist, soll laut Entwurf 10 Verbraucher betragen.
  • Anschließen müssen sich innerhalb von zwei Monaten
  • mindestens 50 Verbraucher in einem elektronisch geführten Register anmelden und der Klage anschließen.

Der Eintrag ins Klageregister ist für den Verbraucher kostenfrei.

Registrierung in das Klageregister

Die Anmeldung in das Klageregister wird in § 608 ZPO wie folgt geregelt:
(1) Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden.
(2) Die Anmeldung ist nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und folgende Angaben enthält:
1. Name und Anschrift des Verbrauchers,
2. Bezeichnung des Gerichts und Aktenzeichen der Musterfeststellungsklage,
3. Bezeichnung des Beklagten der Musterfeststellungsklage,
4. Gegenstand und Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses des Verbrauchers,
5. Betrag der Forderung,
6. Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.

Hierfür besteht kein Anwaltszwang, doch Kritiker sehen Laien damit überfordert.

Welche Rechtsfolgen hat die Musterfeststellungsklage?

Das Verfahren wird - quasi als unechte Sammelklage - ausschließlich zwischen dem klagenden Verbraucherschutzverband und der Beklagtenpartei geführt. Welche Ergebnisse bringt diese Klage dann für den klagenden Verbraucher?

  • Der Eintrag hat für die Ansprüche des Verbrauchers verjährungshemmende Wirkung.
  • Im Rahmen der Musterfeststellungsklage wird lediglich über das Vorliegen oder Nichtvorliegen zentraler Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen entschieden,
  • das Verfahren führt nicht zu unmittelbaren Zahlungstiteln.

Möglicherweise aber sind Unternehmen nach der Feststellung bereit, einen Vergleich abzuschließen, um sich den verschiedenen nun zu erwartenden Klagen nicht auszusetzen.

Verliert der sich anhängende Verbraucher Rechte durch die Musterfeststellungsklage?

Wer zum Zeitpunkt des Urteils in das Klageregister eingetragen ist, für den gilt die Entscheidung, die das Gericht zur Musterfeststellungsklage fällt. Wird ein Anspruch abgelehnt, können die registrierten Verbraucher ihre Schadenersatzansprüche nicht noch einmal gesondert und individuell geltend machen.

Bis zu welchem Zeitpunkt kann man sich der Klage anschließen?

Verbraucher haben auch während des Verfahrens – bis Beginn des ersten Termins - die Möglichkeit, ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei in dem elektronischen Klageregister anzumelden.

  • Das Musterfeststellungsurteil hat nur dann Bindungswirkung für nachfolgende Klagen.
  • Das Kostenrisiko der Musterfeststellungsklage trägt ausschließlich der klagende Verband und nicht der Verbraucher.

Was passiert, nachdem der Vergleich zustande gekommen ist?

Der erzielter Vergleich muss gemäß § 611 Abs. 3 ZPO zunächst vom OLG genehmigt werden. Anschließend stellt das Gericht sämtlichen im Verfahren registrierten Beteiligten den Vergleich gemäß § 611 Abs. 4 ZPO zu.

  • Diese haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des genehmigten Vergleichs ihren Austritt aus dem Vergleich zu erklären.
  • Der Austritt muss gemäß § 611 Abs. 4 Satz 3 ZPO bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden.
  • Lehnen 30 % oder mehr Registrierte den Vergleich ab, so erlässt das Gericht ein Urteil.
  • Andernfalls stellt das Gericht den Inhalt und die Wirksamkeit des genehmigten Vergleichs durch unanfechtbare Beschluss fest, § 611 Abs. 5 Satz 2 ZPO.

Ausgetretene könnten individuell weiter klagen

Kommt ein Vergleich bei der VW-Musterfeststellungsklage zustande, so können diejenigen, die aus dem Vergleich austreten, individuell gegen VW weiter klagen. Dieser Personenkreis sieht sich dann allerdings dem Problem gegenüber, dass infolge der wahrscheinlich anzurechnenden Nutzungszeit ihr Entschädigungsanspruch mit dem durch das weitere Verfahren nicht zu vermeidenden Zeitablauf zunehmend an Wert verliert.

Ohne Vergleich könnten Entschädigungsansprüche erheblich schrumpfen

Dieser Wertverlust würde allerdings wohl auch in dem Fall eintreten, dass ein Vergleich nicht zustande kommt. Einschließlich des Rechtsmittelverfahren vor dem BGH könnte sich das Verfahren in diesem Fall ohne weiteres noch 3-4 Jahre hinziehen mit dem Resultat erheblich schrumpfender Entschädigungsansprüche. Branchenkenner glauben allerdings nicht, dass VW hierauf spekuliert, da der damit verbundene weitere Imageschaden auch infolge weiterer jahrelanger Berichterstattung zu groß würde.

Musterfeststellungsklage der Anleger gegen VW

Das Braunschweiger OLG hat nicht nur über die Musterfeststellungsklage der Verbraucherschützer gegen VW zu entscheiden. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Fondsgesellschaften zusammengeschlossen und klagen gegen VW auf Schadenersatz wegen erlittener Kursverluste in Milliardenhöhe. Auch die Anleger fordern nun die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen durch VW.

Kollektiver Rechtsschutz ist dem Zivilprozess nicht fremd

Das deutsche Zivilprozessrecht kannte auch vorher bereits Sonderformen des kollektiven Rechtsschutzes. Hierzu gehört das Kapitalanlegermusterverfahren nach dem KapMuG sowie die Geltendmachung von Unterlassungs- und von Widerrufsansprüchen bei Verbraucherrechtsverstößen nach dem UklG (Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen).

Starke Widerstände der Wirtschaft gegen die Musterfeststellungsklage

Die Wirtschaft wies vor der Einführung auf eine Gefährdung der Rechtssicherheit, des Allgemeinwohls und der Verbraucherinteressen hin.

  • Befürchtet bzw. als Schreckgespenst in den Raum gestellt wurden Klagen um Schadensersatz als "Strafe" und Regulativ nach US-amerikanischem Vorbild.
  • Doch das gibt die neue Klageform erkennbar nicht her.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks befürchtete das Entstehen einer Klageindustrie mit Erpressungspotenzial. Ein Konzern, der sich ebenfalls vehement gegen die Einführung des geplanten Gesetzes wehrte,  war wenig überraschend VW. 

Kritik auch von Anwälten und der Verbraucherschutzseite

Es wird andererseits heute auch kritisiert, das Gesetze sei zu zahnlos. Selbst wenn in einem Musterbescheid das grundsätzliche Bestehen eines Anspruchs festgestellt werde, sei der notwendige Folgeprozess "kein Selbstläufer" und für die Geschädigten auch immer noch mit einem Kostenrisiko verbunden.

Auch innerhalb der Koalition gab es erhebliche Bedenken. Deshalb wurden die Kriterien für die Klagebefugnis nach Unionswünschen verschärft. Es dürfen nur Vereine klagen,

  • die seit mindestens vier Jahren bestehen,
  • dürfen es nicht auf Gewinn durch die Klagen anlegen,
  • nicht mehr als fünf Prozent ihrer Zuwendungen von Unternehmen beziehen,
  • 350 Mitglieder haben oder
  • als Dachverband über mindestens 10 Mitgliedsverbände verfügen.

Damit soll der von der Wirtschaft beschworenen Klageindustrie durch entsprechende Geschäftsmodelle gegengesteuert werden.

Auch die EU plant die Einführung einer Sammelklage

Auch die EU-Kommission beabsichtigt, Verbandsklagen für Verbraucherrecht in allen EU-Staaten zwingend einzuführen. Dadurch sollen auch grenzüberschreitende Klagen möglich werden. Auch nach den Brüsseler Vorschlägen sollen nur bestimmte Verbraucherorganisationen das Recht haben, Klagen einzureichen. Das Europaparlament hat aber noch nicht entschieden und auch die Mitgliedstaaten müssen noch befragt werden.

Bereits seit Ende April 2018 existiert eine deutlich weitergehende „echte“ Sammelklage in unserem Nachbarland Österreich.

Anwälte warnen im Netz vor Vergleichsabschluss

Einige Anwaltskanzleien warnen die Teilnehmer der Musterfeststellungsklage bereits im Netz davor, sich einem möglichen Vergleich zwischen VW und dem vzbv anzuschließen. Diese Warnungen erscheinen im jetzigen Stadium, in dem die Höhe möglicher Entschädigungszahlungen nicht annähernd abschätzbar ist, deutlich verfrüht. Im Ergebnis müssen die Verbraucher bei Vorliegen eines konkreten Vergleichsangebots die Nachteile eines weiteren Zeitablaufs durch zusätzliche Verfahrensschritte gegen die Vorteile der schnellen Zahlung einer konkreten Vergleichssumme abwägen, vorausgesetzt, dass es überhaupt zu einem Vergleich kommt.

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Dieselgate schlug hohe Wellen und beschäftigt Hersteller, Gerichte und Diesel-Eigentümer. Ob die von VW angebotene Umrüstung durch eine Ergänzungssoftware eine angemessene Nachbesserung ist, ist umstritten. Viele Käufer wollen die Fahrzeuge nicht behalten oder zumindest Schadensersatz wegen des Minderwertes.

Gerichte in der Frage der Dieselfahrzeuge uneinig

Die Gerichte beantworten die Frage, ob die in den Dieselfahrzeugen eingebaute „Abgas-Manipulations-Software“ als rücktrittsbegründender Mangel der Kaufsache zu bewerten ist, allerdings bisher sehr unterschiedlich.

Die Erfolgsaussichten einer hierauf gestützten Schadensersatz- oder Rückabwicklungsklage Klage sind unsicher,

Zur Rechtsprechungspraxis in Deutschland hat  „wallstreet-online“ Zahlen aus einer Studie der Universität Regensburg zum Dieselskandal veröffentlicht, wonach 97 von 115 Landgerichten in Deutschland VW und andere Fahrzeughersteller bereits zu Schadenersatz in Fällen des Einbaus einer verbotenen Abschalteinrichtung bei Dieselfahrzeugen verurteilt haben.  Bei den Oberlandesgerichten ist das Bild allerdings uneinheitlicher. Das Verfahren vor dem OLG Braunschweig und ein möglicherweise dort geschlossener Vergleich könnten eine Menge zur Beseitigung der Verunsicherung der Verbraucher wie auch zur Verbesserung des durch den Dieselskandal beschädigten Markenimage von VW beitragen.