Diesel-Klagen werden zumeist vor dem OLG abgefangen

Die hohe Zahl der Klagen von Autokäufern gegen die Automobilkonzerne stellt insbesondere einige Landgerichte inzwischen vor große Probleme. Spätestens in der zweiten Instanz beim OLG bevorzugen die Konzerne allerdings bei abgasmanipulierten Fahrzeugen eine Verfahrensbeendigung ohne Urteil.

Trotz der im vergangenen Jahr eingeführten Möglichkeit der Musterfeststellungsklage ist noch eine hohe Zahl von Einzelklagen enttäuschter Dieselkäufer vor den Landgerichten und auch zweitinstanzlich vor den Oberlandesgerichten anhängig.

Ca. 40.000 anhängige Diesel-Einzelklagen gegen VW

Eine nicht unwesentlicher Teil der anhängigen Klagen betrifft den Volkswagenkonzern.

Der Musterfeststellungsklage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen haben sich über 400.000 Autokäufer angeschlossen.

OLG-Urteile sind spärlich gesät

Auf den ersten Blick erstaunlich ist die Tatsache, dass zumindest von den zweitinstanzlich anhängigen Verfahren kaum ein Verfahren mit einem Urteil endet. Volkswagen selbst nannte gegenüber der Wirtschaftswoche die Zahl von 21 Urteilen, die sämtlich zu Gunsten von VW bzw. zugunsten der verklagten Autohändler ausgegangen seien. Allerdings hat das OLG Köln in einer Entscheidung bestätigt, dass die Diesel-Schummel-Software einen erheblichen Mangel eines Fahrzeuges darstellt und Händler zur Zurücknahme eines solchen Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises - unter Abzug einer Nutzungsentschädigung - verpflichtet sind (OLG Köln, Beschluss v. 28.5.2018, 27 U 13/17).

Die meisten Verfahren enden durch Vergleich

Der Grund für die geringe Zahl an höchstrichterlichen Entscheidungen dürfte darin liegen, dass der VW-Konzern versucht, Grundsatzurteile von Oberlandesgerichten zu verhindern. In den Fällen, in denen ein ungünstiger Ausgang zu befürchten steht, setzt der Konzern lieber auf großzügige Angebote an die jeweiligen Kläger.

Auch Richter werden angesichts der unübersichtlichen Rechtsprechungsfacetten nicht traurig sein, wenn das Verfahren vom Tisch ist. Dadurch ist es dem Konzern bisher gelungen, eine Großteil der Verfahren durch Vergleich zu beenden, ohne dass ein Urteil ergehen musste. Nach Angaben von VW betrifft dies bisher knapp 4.000 Verfahren. Auch zwei Verfahren vor dem BGH endeten ohne Urteil.

Diesel-Rechtsprechung ist sehr uneinheitlich

Im übrigen zeigt sich bei Betrachtung der bundesweit ergangenen Diesel-Entscheidungen das Bild eines bunten Flickenteppichs. Während beim LG Braunschweig die meisten Prozesse zu Ungunsten der Käufer ausgehen - das LG hat bisher in ca. 400 Fällen entschieden, davon in 99 % der Fälle zu Ungunsten der Käufer - entscheidet inzwischen der Großteil der anderen Landgerichte häufig zu Gunsten der Autokäufer (LG Arnsberg, Urteil v. 24.3.2017, 2 O 234/16; LG Stuttgart, Urteil v. 16.11.2017, 19 O 34/17; LG Freiburg, Urteil v. 9.6.2017, 2 O 140/16; LG Koblenz, Urteil v. 2.2.2018,15 O 309/16).

Für Käufer wegweisende Diesel-Urteile

Einige Urteile stechen durch eine besondere Begründung aus der Vielzahl der Entscheidungen heraus:

  • So gab das LG Ingolstadt einem Autokäufer Recht mit der Begründung das Fahrzeug sei mit einem Audi-CDI-Motor ausgerüstet gewesen, der nicht den EU-Zulassungsregeln entsprochen habe, obwohl der Hersteller mit der Lieferung des Fahrzeugs eine verbindliche Übereinstimmungserklärung abgegeben habe (LG Ingolstadt, Urteil v. 15.1.2018, 42 O 1199/17).
  • Das LG Stuttgart verurteilte den Autohersteller Audi zur Zahlung von Schadenersatz, weil der CDI Motor eines Audi A4 mit einem Thermofenster ausgestattet gewesen sei, d.h. die Abgasreinigung war nur bei mittleren Außenlufttemperaturen voll wirksam. Bei Kälte oder auch großer Hitze wurde die Abgasreinigung durch eine Elektronik abgeschaltet. Mit Einbau dieser Abschalteinrichtung, von der der Kunde nichts wusste, habe der Autohersteller den Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt (LG Stuttgart Urteil v. 8.1.2019, 7 O 265/18).
  • Das LG Stuttgart verurteilte den Autohersteller Mercedes wegen eines in einem Mercedes eingebauten Thermofensters wegen sittenwidriger Schädigung zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Betrages für gezogene Nutzungen. Nach Auffassung des LG hatte die Daimler AG durch eine planmäßige Verschleierung der realen Abgaswerte sich die Zulassung durch Täuschung erschlichen (LG Stuttgart Urteil v. 17.1.2019, 23 O 172/18; ähnliche Begründung: LG Itzehoe, Urteil v. 16.10.2018, 7 O 133/18).

VW zur Lieferung eines Neufahrzeugs verpflichtet

Das LG Hamburg hat in einer spektakulären Entscheidung einen VW-Händler verpflichtet,

  • ein inzwischen drei Jahre altes Dieselfahrzeug, das mit einer Schummel-Software ausgestattet war, zurückzunehmen und
  • dem Kunden ein einwandfreies Neufahrzeug zur Verfügung zu stellen,
  • obwohl das Fahrzeug mit dem von VW angebotenen Software-Update ausgestattet war ( LG Hamburg, Urteil v. 7.3.2017, 329 O 105/17).

Das Software-Update war für andere Gerichte bisher häufig der Anlass, Klagen von Kunden abzuweisen (OLG Karlsruhe Urteil v. 6.12.2016, 12 U 106/16).

Rechtsschutzversicherungen zur Kostenübernahme verpflichtet

Wichtig ist auch ein Hinweisbeschluss des OLG Düsseldorf, wonach eine Rechtschutzversicherung grundsätzlich verpflichtet ist, die Kosten eines Käufers, der wegen einer Schummelsoftware eine Klage auf Rückabwicklung und Schadensersatz beabsichtigt, zu übernehmen. Das OLG hat deutlich gemacht, dass eine solche Klage im Sinne der Rechtsschutzbedingungen grundsätzlich hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Beschluss könnte darauf hinweisen, dass auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe in einem solchen Fall erfolgversprechend wäre (OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 21.9.2017, I – 4 U 87/17).

Nacherfüllungsfrist als Fallstrick für klagende Diesel-Käufer 

Ein Urteil des OLG Nürnberg zeigte in besonderer Weise die Komplexität der Diesel-Problematik auf. Das OLG bejahte die Mangelhaftigkeit eines mit Schummelsoftware ausgestatteten Dieselfahrzeugs und begründete dies mit einer erheblichen Abweichung der nach dem Kaufvertrag geschuldeten Fahrzeugqualität.

  • Dennoch wies es die Klage des Käufers ab, weil die von diesem gesetzte Frist zur Nacherfüllung mit zwei Wochen nach Auffassung des Senats zu kurz war.
  • Der Käufer hätte dem Händler mehr als 2 Monate Zeit zur Nachbesserung einräumen müssen (OLG Nürnberg, Urteil v. 24.04.2018, 6 U 409/17).
  • Andere OLG-Senate bezweifeln, ob die Nachbesserung mit der von VW vorgesehenen Zusatz-Software überhaupt zur Mängelbeseitigung geeignet ist und eine Fristsetzung insoweit möglicherweise komplett entbehrlich wäre (OLG Köln, Beschluss v. 27.3.2018, 28 U 232/16).

Die Rechtsunsicherheit bleibt groß

Für Autokäufer wäre ein klärendes Wort des BGH wünschenswert. Beim BGH waren bisher drei Verfahren in Sachen Abgasmanipulation anhängig. Zwei Verfahren wurden bereits vorzeitig ohne klärendes Urteil durch Vereinbarung der Prozessparteien beendet. Lediglich das Verfahren mit dem Aktenzeichen VIII ZR 225/17 ist noch beim BGH anhängig. Ob es dort zu einem Urteil kommt, muss abgewartet werden.

Teilnehmer der Musterfeststellungsklage brauchen vor allem Geduld

Endgültige Klarheit für die Dieselkäufer wird wohl erst nach Abschluss der beiden vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und dem Rechtedienstleister Myright geführten Musterfeststellungsverfahren erzielt sein. Autokäufer, die sich einem Musterfeststellungsverfahren angeschlossen haben, müssen aber danach ihre Ansprüche erst einmal konkretisieren bzw. beziffern. Der Weg zum gewünschten Erfolg ist also auch dort lang.

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