OLG zum Rücktrittsrecht des Diesel-Käufers trotz Software-Update

Nun hat auch ein OLG sich mit dem Thema beschäftigt, ob Käufer eines abgasmanipulierten Diesels auch nach einem Software-Update noch vom Kauf zurücktreten können. Hat das Update, das Abgaswerte reduziert, zugleich unerwünschte Nebeneffekte, wie den schnelleren Verschleiß von Fahrzeugteilen, steht dem Käufer ein Rücktrittsrecht zu, entschied das OLG Köln.

Steht ein Software-Update an einem abgasmanipulierten VW-Diesel, das die Abgasmanipulation berichtigt und die Abgaswerte reduziert einem Rücktritt vom Kaufvertrag entgegen?

Das LG Hamburg hat dies bereits verneint und einen VW-Händler verpflichtet, ein altes Dieselfahrzeug, das mit einer Abgas-Manipulations-Software nachgerüstet wurde, zurückzunehmen und dem Kunden ein einwandfreies Neufahrzeug zur Verfügung zu stellen. Nin hat sich das OLG Köln mit dem Thema beschäftigt.

Kunde behauptet Mängel nach Installation des Software-Updates

Gekauft hatte der Kläger seinen gebrauchten Audi A4 im Januar 2015.

Das Software-Update war zuvor vom Kraftfahrzeug-Bundesamt genehmigt worden.

Drei Monate nach Software-Einbau den Rücktritt erklärt

Der Kunde fuhr seinen Pkw danach beanstandungslos weiter, erklärte im Dezember 2016 aber den Rücktritt vom Kaufvertrag. Zur Begründung monierte er v.a.

  • eine verschlechterte Leistung,
  • einen erhöhten Verbrauch,
  • einen schnelleren Verschleiß des Fahrzeugs nach dem Software-Update.

Gerichte bei Diesel-Thema stark meinungsverschieden

Der VW-Händler akzeptierte den Rücktritt nicht, der Kunde klagte. Das LG Aachen und das im Anschluss tätige Berufungsgericht OLG Köln waren sich in der Sache völlig uneinig. Die Entscheidungen hätten diverser nicht sein können.

Das LG Aachen wies die Klage zurück, v.a. weil der Autokäufer nicht die gebotene Fristsetzung zur Nacherfüllung gesetzt hatte und die behaupteten Mängel nicht substantiiert dargelegt seien.

OLG Köln ordnet Sachverständigengutachten an

Das OLG Köln dreht mit seinem Beschluss alles wieder zurück auf Anfang, ordnet die Beweiserhebung mittels Sachverständigengutachtens über den behaupteten schnelleren Verschleiß an und lenkt das LG Aachen mit seinen Vorgaben in eine Richtung, die dem Kläger den Rücktritt erlaubt. Die Entscheidung zu Gunsten des VW-Kunden bedurfte langer Erklärungen und vieler „ausnahmsweise“. Die größten Hürden waren dabei, dass der Kunde

  • das Fahrzeug noch drei Monate nach Einspielen der neuen Software beanstandungslos weiter benutzt hatte. Darin hat das Landgericht eine Annahme der Nachbesserung als Erfüllung gesehen;
  • den erhöhten Verschleiß unter Fristversäumung zu spät im Verfahren vorgebracht hatte und deshalb vom AG Aachen mit diesem Vorbringen präkludiert wurde;
  • die Mangelfolgen (verschlechterte Leistung, erhöhter Verbrauch, schnellerer Verschleiß) lediglich allgemein behauptet hatte, ohne konkrete Anhaltspunkte zu bringen und
  • es versäumt hatte, eine Nachfrist zur nochmaligen Nachbesserung zu setzen.

OLG Köln lässt Verschleiß-Mutmaßung prüfen 

Die Kölner Oberlandesrichter haben sich an all diesen Hindernissen vorbeigeschlängelt und dem erstinstanzlichen Gericht u.a. folgende Vorgaben mit auf den Weg zur endgültigen Entscheidung gegeben:

  • Der Kunde habe das Software-Update nicht als Nacherfüllung angenommen und dementsprechend keine Darlegungs- und Beweislast für den Mangel.
  • Er sei quasi gezwungen gewesen das Update vornehmen zu lassen und wollte sich mangels Sachkunde zu dem Erfolg der Nachbesserung gar nicht erklären.
  • Wegen der Genehmigung des Kraftfahrzeug-Bundesamts habe das Update zwar zu einer Nachbesserung mit Blick auf eine Reduzierung des Stickstoff-Ausstoßes geführt,
  • hier ging es jedoch v.a. um die Frage, ob das Update gleichzeitig andere, neue Mängel ausgelöst hat.

Ist Software-Update geeignete Nachbesserung bei Dieselabgas-Manipulation?

Sollte das Update zwar die Abgaswerte senken, aber neue Mängel nach sich ziehen, wäre es ein nicht geeignete Nachbesserungmaßnahme.

Der erhöhte Verschleiß und eine damit verbundene kürzere Lebensdauer des Fahrzeugs wäre - wenn von einem Sachverständigen nachgewiesen - ein Mangel, der zum Rücktritt berechtigt.

Der Ausschluss des Vorbringens zum Verschleiß sei nach einer falschen Vorschrift (§ 296a ZPO) erfolgt. Eine Korrektur zur richtigen Präklusion (nach § 296 ZPO) sei dem OLG nicht möglich, sodass der Vortrag zu berücksichtigen ist.

Weil den Kunden die näheren Einzelheiten der zur Motorsteuerung eingesetzten Software vor und nach dem Update nicht bekannt und auch die Mitteilungen des Kraftfahrzeugbundesamts nicht überprüfbar seien, bewegten sich die allgemeinen Behauptungen der Mängel im Bereich der zulässigen Spekulation.


Nachfristsetzung war entbehrlich

Eine Nachfristsetzung war hier entbehrlich, weil das OLG von einer endgültigen Erfüllungsverweigerung (§ 323 Abs.2 Nr. 1 BGB) seitens VW ausgeht – ausnahmsweise in Form des bloßen Bestreitens.

  • Zum einen spreche dafür, dass die Mangelhaftigkeit der Ursprungssoftware nie positiv eingeräumt wurde,
  • zum anderen könne - wegen des hohen Kosten- und Zeitaufwands und des erneuten öffentlichen Aufsehens - nicht davon ausgegangen werden, dass VW und schon gar nicht der einzelne Händler noch ein Software-Update entwickeln würde.
  • Es wäre zudem unzumutbar für den Kunden, hierauf zu warten.

Es bleibt nun abzuwarten zu welchem Ergebnis der Gutachter kommt. Bestätigt er, dass das Software-Update schuld an einem schnelleren Verschleiß von Fahrzeugteilen ist, kann das in letzter Konsequenz eine neue Rücktritts-Welle auslösen.

(OLG Köln, Beschluss v. 27.3.18, 18 U 134/17).


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Dieselgate schlug hohe Wellen und beschäftigt Hersteller, Gerichte und Diesel-Eigentümer. Ob die von VW angebotene Umrüstung durch eine Ergänzungssoftware eine angemessene Nachbesserung ist, ist umstritten. Viele Käufer wollen die Fahrzeuge nicht behalten.

Gerichte in der Frage der Dieselfahrzeuge uneinig

Die Gerichte beantworten die Frage, ob die in den Dieselfahrzeugen eingebaute „Abgas-Manipulations-Software“ als rücktrittsbegründender Mangel der Kaufsache zu bewerten ist, allerdings bisher sehr unterschiedlich.

Die Erfolgsaussichten einer hierauf gestützten Schadensersatz- oder Rückabwicklungsklage Klage sind unsicher,

Tendenz der Gerichte zugunsten der Käufer

Tatsächlich ergibt sich bei Betrachtung der bundesweit ergangenen Diesel-Entscheidungen das Bild eines bunten Flickenteppichs. Die Zeitung „Handelsblatt“ hat kürzlich bundesweit die Urteile in diesem Segment ausgewertet. Das Blatt kommt zu dem Ergebnis, dass die Gerichte zwar äußerst unterschiedlich urteilen, allerdings mit der klaren Tendenz, dass neuere Entscheidungen immer häufiger zu Gunsten der betroffenen Käufer ausgehen und inzwischen das Argument dominiert, dass ein Fahrzeug, das auf dem Prüfstand einen niedrigeren Stickstoffoxid vortäuscht, als er im Fahrbetrieb entsteht, mangelhaft ist (LG Arnsberg, Urteil v. 24.3.2017, 2 O 234/16; LG Stuttgart, Urteil v. 16.11.2017, 19 O 34/17; LG Freiburg, Urteil v. 9.6.2017, 2 O 140/16; LG Koblenz, Urteil v. 2.2.2018,15 O 309/16).

Nur in Braunschweig verlieren die Käufer fast immer

Eine klare Ausnahme von der allgemeinen Tendenz bildet laut Auswertung des Handelsblattes das LG Braunschweig, bei dem bisher ca. 1.100 Klagen von Dieselkäufern eingegangen sind. Das LG hat bisher in knapp 400 Fällen entschieden, davon 99 % zu Ungunsten der Käufer.

Viele Nacherfüllungsansprüche sind inzwischen verjährt

Der Verkehrsklub Deutschland ist überzeugt, dass der Druck auf VW und auch auf andere Autohersteller durch das Hamburger Urteil deutlich erhöht wird. Dennoch dürften die Nacherfüllungsklagen künftig deutlich seltener werden.

  • Der Nacherfüllungsanspruch verjährt zwei Jahre nach Übergabe der Kaufsache.
  • Voraussetzung für die Geltendmachung ist darüber hinaus, dass der Kunde beim Kauf den Mangel nicht kannte.
  • Da die Manipulation der Dieselfahrzeuge im Herbst 2015 allgemein bekannt wurde, dürften die meisten dieser Ansprüche also seit dem 31.12.2017 verjährt sein.
Schlagworte zum Thema:  Rückabwicklung Kaufvertrag, Widerruf, Software