Colours of law: Teure Motoryacht als Anstandsschenkung

Wer sich erbvertraglich gebunden hat, darf das für den Vertragserben vorgesehene Vermögen, welches dieser nach dem Tod der Erbvertragsparteien erben soll, nicht durch unangemessene Schenkungen beeinträchtigen. Anstandsschenkungen sind aber erlaubt – und das kann in gehobenen Kreisen auch schon mal eine richtig teure Yacht sein.

Im entschiedenen Fall fühlte sich der einzige Sohn des Ende 2013 verstorbenen Erblassers durch eine Schenkung des Vaters an dessen 2. Ehefrau benachteiligt. Der wohlhabende Vater hatte dieser zur Hochzeit eine wertvolle Motoryacht „Storebo 410 Commander“ nebst Beiboot (Kaufpreis ca. 450.000 Euro + 110.000 Euro Sonderausstattungen) geschenkt.

Schenkung an Ehefrau Nr. 2 als  Verstoß gegen den Ehevertrag mit der 1. Ehefrau?

Der Sohn hielt die Ehefrau u.a. deshalb für verpflichtet, ihm das Geschenk herauszugeben, weil die Schenkung gegen die vertragliche Bindung aus einem zuvor zwischen seinem Vater und der Ehefrau geschlossenen Erbvertrag – in welchem der Sohn umfänglich bedacht worden war - widerspreche.

Erfüllte geschenkte Motoryacht einer Anstandspflicht?

Der Sohn stützte seinen vermeintlichen Herausgabeanspruch auf § 2287 Abs. 1 BGB.

  • Nach dieser Vorschrift ist der Beschenkte verpflichtet, das Geschenk herauszugeben,
  • wenn der Erblasser eine Schenkung in der Absicht getätigt hat, den Vertragserben zu beeinträchtigen.
  • Eine wichtige Ausnahme gilt im Fall der sogenannten Anstandsschenkung (wichtig auch bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen, §§ 2325, 2330 BGB).

Die vom Sohn verklagte Ehefrau des Erblassers berief sich auf diese Ausnahme und machte geltend, dass die Schenkung der Yacht anlässlich der Eingehung der Ehe als reine Anstandsschenkung zu qualifizieren sei und deshalb das Geschenk vom Sohn nicht zurückgefordert werden könne.

Herausgabepflicht nur bei Missbrauch der Verfügungsmacht

Das mit der Sache befasste OLG stellte klar, dass Voraussetzung für einen Herausgabeanspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 1 BGB ein Missbrauch des dem Erblasser zu Lebzeiten verbliebenen Rechtes sei, über Vermögensstände weiter zu verfügen. Ein solcher Missbrauch sei immer dann zu verneinen, wenn der Erblasser lebzeitig ein Eigeninteresse an der von ihm vorgenommen Schenkung gehabt habe.

Nachvollziehbares Eigeninteresse des Erblassers

Das OLG prüfte vor diesem Hintergrund sorgfältig die Frage eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers. Ein solches Eigeninteresse im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB sei immer dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die verfügte Schenkung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheine.

  • Die Antwort auf diese Frage müsse im Wege einer Einzelfallprüfung im Rahmen einer Gesamtabwägung der berechtigten Erberwartungen des Vertragserben und der Beweggründe des Erblassers ermittelt werden.
  • Entscheidend sei, ob die Gründe des Erblassers für die Schenkung ihrer Art nach so beschaffen sind, dass der durch den Erbvertrag Bedachte sie anerkennen und deshalb die sich für ihn aus der Verfügung ergebende Benachteiligung hinnehmen müsse.

Beispiele für billigenswerte Schenkungs-Beweggründe

Billigenswerte Beweggründe des Erblassers sind beispielsweise dann zu bejahen,

  • wenn es ihm um seine Pflege und Versorgung im Alter geht
  • oder wenn es sich bei der Schenkung um die Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handle, etwa an eine Person, welcher der Erblasser in besonderem Maße seinen Dank oder seine Ehrerbietung ausdrücken wolle.
  • Diese Grundsätze kämen insbesondere bei Gelegenheitsgeschenken, zum Beispiel bei Geburtstagen ebenso wie zu Weihnachten oder zu Hochzeiten zur Geltung.

Typisch für solche Anstandsschenkungen ist laut Rechtsprechung, dass ihnen in der Regel kein allzu hoher Wert zukomme (BGH, Urteil v. 19.09.1980, V ZR 78/79).

Bei Beurteilung einer Anstandsschenkung ist soziale Standing zu berücksichtigen

Für die Einordnung als Anstandsschenkung ist nach Auffassung des OLG allerdings kein allgemeiner, pauschaler Maßstab anzuwenden, vielmehr ist im jeweils konkreten Fall auf die Ansichten und Gepflogenheiten der jeweiligen sozialen Schicht abzustellen, in deren Kontext die Schenkung erfolge. Zu berücksichtigen sei, ob die Unterlassung eines solchen Geschenks zu einer Einbuße an Achtung im jeweiligen Personenkreis führen könnte. Im Einzelfall könne daher auch ein Geschenk von absolut betrachtet hohem Wert der Erfüllung einer Anstandspflicht entsprechen.

Unterschiedliche Kreise, unterschiedliche Sitten

Unter Anlegung dieser Maßstäbe kam das OLG hier zu dem Ergebnis, dass die Motoryacht trotz ihres erheblichen Wertes anlässlich einer Hochzeit in den Kreisen, in denen der Erblasser verkehrte, durchaus den dort üblichen Erwartungen an ein solches Geschenk entsprochen habe. Die Beweggründe des Erblassers seien daher nicht als eine Benachteiligungsabsicht gegenüber dem Sohn zu werten, sondern auf die Erfüllung der in seinen Kreisen üblichen Anforderungen an ein Hochzeitsgeschenk.

Witwe darf die Yacht behalten

Auch im Hinblick darauf, dass der Wert des Bootes weniger als 5 % des Vermögens des Erblassers ausmachte, stand das Geschenk nach Auffassung des Senats in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Erblassers. Außerdem habe der Erblasser seiner Ehefrau auch schon vorher teure Geschenke gemacht, so habe er ihr beispielsweise den Kaufpreis für eine Ferienvilla spendiert. Vor diesem Hintergrund falle der Wert des Hochzeitsgeschenks nicht aus dem in der Familie des Erblassers üblichen Rahmen. Im Ergebnis wies das OLG die Klage des Sohnes auf Herausgabe des Geschenks daher ab.

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.01.2017, I - 7 U 40/16).

Hintergrund:

Anstandsschenkung

Unter Anstandsschenkungen versteht man kleinere Zuwendungen aus besonderem Anlass, wie die üblichen Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen oder Anlässen (Weihnachten, Geburtstag). Für die Einordnung spielen die örtlichen oder gesellschaftlichen Verhältnisse eine große Rolle (BGH, Urteil v. 07.03.1984, IVa ZR 152/82). Dabei ist auf die Ansichten und Gepflogenheiten sozial Gleichgestellter abzustellen, insbesondere ob die Unterlassung des Geschenks zu einer Einbuße an Achtung in diesem Personenkreis führen würde. Umfasst die Schenkung die Hälfte des wesentlichen Teils des Schenkervermögens, ist eine Anstandsschenkung aber nicht mehr gegeben (BGH, Urteil v. 07.03.1984, IVa ZR 152/82).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium 

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Erbvertrag

Wenn die Eheleute möchten, dass der Nachlass nach dem Tod des zuletzt Versterbenden von ihnen an einen Dritten fällt, so kommen im Wesentlichen zwei Regelungsmodelle in Betracht. Entweder der Dritte beerbt bei jedem Todesfall den Verstorbenen gesondert (sog. Trennungslösung) oder er erbt nur einmal, und zwar von dem zuletzt Versterbenden, bei dem sich das eigene Vermögen und jenes des zuerst Verstorbenen vereinigt haben (sog. Einheitslösung). Der überlebende Ehegatte wird bei der Einheitslösung voller und unbeschränkter Eigentümer des Nachlasses mit voller Verfügungsbefugnis unter Lebenden. Er vererbt dasjenige, was von dem kumulierten Vermögen übrig bleibt als sein eigenes Vermögen an den oder die Schlusserben; dies sind regelmäßig die Abkömmlinge. 

Die Einheitslösung stärkt die Stellung des Ehegatten, wohingegen die Trennungslösung eher den Interessen der Dritten, also regelmäßig der Abkömmlinge Rechnung trägt, weil der überlebende Ehegatte hinsichtlich des gesonderten, ererbten Vermögens nur Nutzungsrechte und keine oder nur beschränkte Verfügungsrechte hat. Regelmäßig geht es den Ehegatten wohl vor allem darum, die Versorgung des überlebenden Ehegatten zu sichern, wohingegen die Erhaltung des Vermögens für die Abkömmlinge nachrangig ist.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Testament, Schenkung, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter