Rdn 3742

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Verteidiger, Verhinderung des Verteidigers, Teil V Rdn 3776.

 

Rdn 3743

1. Der (i.S.d. § 140 Abs. 1 und 2 notwendige) Verteidiger ist grds. zur Anwesenheit in der HV von deren Beginn bis zum Ende der → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3224, verpflichtet. Mit "Anwesenheit in der HV" ist nicht (nur) die räumliche Anwesenheit des Verteidigers im Sitzungssaal geeint, sondern, dass der Verteidiger "in der Hauptverhandlung" als Verfahrensbeteiligter teilnimmt. Grds. erforderlich ist körperliche Abwesenheit oder erkennbare Verhandlungsunfähigkeit (BGH, Beschl. v. 1.12.2020 – 4 StR 519/19, NStZ-RR 2021, 116 zugleich auch zum erforderlichen Revisionsvortrag). Der Verteidiger ist z.B. dann nicht (mehr) in der HV anwesend, wenn er sich nach Ablehnung eines Entpflichtungsantrags unter Ablegung der Robe in den Zuschauerraum des Sitzungssaals begibt, da er damit eindeutig zu erkennen gibt, dass er sich weigert, die Verteidigung weiter zu führen (BGH StV 1993, 566) bzw. als Verteidiger teilzunehmen. In einem solchen Fall ist der Angeklagte nicht mehr verteidigt, sodass das Verfahren ohne Bestellung eines neuen (Pflicht-)Verteidigers nicht zu Ende geführt werden darf (BGH, a.a.O.; NJW 1993, 340; wegen der "Anwesenheit" des Verteidigers, wenn er den Schlussvortrag verweigert, → Plädoyer des Verteidigers, Teil P Rdn 2447). Ein "Rechtsanwalt", der nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, ist Scheinverteidiger und kann für den Angeklagten in der HV nicht wirksam mitwirken (BGHSt 47, 238 [für → Rechtsmittelverzicht, Teil P Rdn 2615]).

 

☆ Ein unangemessenes Verhalten des Verteidigers, wie z.B. Unpünktlichkeit und Verlassen des Sitzungssaals während des →  Plädoyers des Staatsanwalts , Teil P Rdn  2441 , berechtigt den Vorsitzenden nicht, in dessen Abwesenheit weiter zu verhandeln (BGH NJW 2014, 2807).unangemessenes Verhalten des Verteidigers, wie z.B. Unpünktlichkeit und Verlassen des Sitzungssaals während des → Plädoyers des Staatsanwalts, Teil P Rdn 2441, berechtigt den Vorsitzenden nicht, in dessen Abwesenheit weiter zu verhandeln (BGH NJW 2014, 2807).

 

Rdn 3744

Ist der Verteidiger zeitweilig verhindert, kann er sich grds. durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen (→ Verteidiger, Vertretung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3817).

 

☆ Bei notwendiger Verteidigung begründen Verstöße gegen die Anwesenheitspflicht des Verteidigers ggf. die Revision (§ 338 Nr. 5; wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt , § 338 Rn 41 m.w.N.; zur Verfahrensrüge →  Ladung des Verteidigers , Teil L Rdn  2198 , und zu deren Begründung u.a. BGH NStZ-RR 2013, 352). Entfernt der Verteidiger sich allerdings eigenmächtig von der Urteilsverkündung, so ist eine hierauf gestützte Rüge verwirkt (BGH NJW 1998, 2542 [Ls.]). Das gilt nicht, wenn der Antrag, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, zu Unrecht abgelehnt wird und der Rechtsanwalt sich während der HV in den Zuschauerraum setzt, wodurch der Angeklagte zeitweise unverteidigt ist bzw. verteidigungslos“ gestellt wird (OLG Naumburg StV 2014, 20 m. Anm. Burhoff StRR 2013, 428). Voraussetzung ist aber, dass der Verteidiger bei einem wesentlichen Teil der HV nicht anwesend war (§ 338 Nr. 5). Das hat der BGH z.B. verneint, wenn sich die Zeit zwischen der Niederlegung eines Wahlmandats und der Pflichtverteidigerbestellung allein auf die Frage der Verteidigung des Angeklagten bezogen hat (BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 5 StR 610/18).Revision (§ 338 Nr. 5; wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 41 m.w.N.; zur Verfahrensrüge → Ladung des Verteidigers, Teil L Rdn 2198, und zu deren Begründung u.a. BGH NStZ-RR 2013, 352). Entfernt der Verteidiger sich allerdings eigenmächtig von der Urteilsverkündung, so ist eine hierauf gestützte Rüge verwirkt (BGH NJW 1998, 2542 [Ls.]). Das gilt nicht, wenn der Antrag, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, zu Unrecht abgelehnt wird und der Rechtsanwalt sich während der HV in den Zuschauerraum setzt, wodurch der Angeklagte zeitweise unverteidigt ist bzw. "verteidigungslos“ gestellt wird (OLG Naumburg StV 2014, 20 m. Anm. Burhoff StRR 2013, 428). Voraussetzung ist aber, dass der Verteidiger bei einem wesentlichen Teil der HV nicht anwesend war (§ 338 Nr. 5). Das hat der BGH z.B. verneint, wenn sich die Zeit zwischen der Niederlegung eines Wahlmandats und der Pflichtverteidigerbestellung allein auf die Frage der Verteidigung des Angeklagten bezogen hat (BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 5 StR 610/18)."

 

Rdn 3745

2. Ist der Wahlverteidiger an der Teilnahme/Fortführung der HV verhindert, kann nach h.M. der Vorsitzende nach § 145 Abs. 1 einen Pflichtverteidiger bestellen, um so den reibungslosen Fortgang der HV sicher zu stellen (BGHSt 15, 306, 309; BGH NJW 1973, 1985; a.A. wohl Neuhaus StraFo 1998, 88, jew. m.w.N.; wegen der Einzelh. → Pflichtverteidiger, Bestellung in der Hauptverhandlung, Teil P Rdn 2376; → Pflichtver­teidiger, Bestellung neben Wahlverteidiger, Teil P Rdn 2395; zur Beiordnung eines weiteren [Pfl...

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