Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Urteilsverkündung ist nach § 260 Abs. 1 (letzter) Teil der HV.
2. Das Urteil kann sofort im Anschluss an die Urteilsberatung oder aber auch gem. § 268 Abs. 3 in einem besonderen Verkündungstermin verkündet werden.
3. Das Urteil wird vom Vorsitzenden verkündet, der die zuvor niedergeschriebene Urteilsformel verliest und dem Angeklagten die Urteilsgründe eröffnet.
4. Nimmt der Verteidiger nicht an der Verkündung des Urteils teil, entgeht ihm die mündliche Urteilsbegründung.
5. Mit Beginn der Urteilsverkündung haben die Prozessbeteiligten keinen Anspruch mehr darauf, dass ihnen Gelegenheit zur Stellung von (Beweis-)Anträgen gegeben wird und dass neue Anträge sachlich beschieden werden.
 

Rdn 3225

 

Literaturhinweise:

Gregor, Absoluter Revisionsgrund – Überschreiten der Urteilsabsetzungsfrist, StRR 2014, 471

Hammerstein, Beschränkung der Verteidigung durch Hinausschieben der Beratung und Urteilsverkündung, in: Ebert, Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege, 1991, S. 71

Kuhlmann, Ich muss immer das letzte Wort haben Vom Gestaltungsmissbrauch bei der mündlichen Urteilsverkündung, HRRS 2014, 25

Molketin, Die Anwesenheit des Verteidigers während der Urteilsverkündung im Strafverfahren – nur ein "nobile officium" gegenüber Mandant und Gericht?, AnwBl. 1983, 254

Scheffler, Beweisanträge kurz vor oder während der Verkündung des Strafurteils, MDR 1993, 3

Thielmann, Die im Urteil integrierte Presseerklärung, StV 2009, 607.

 

Rdn 3226

1. Die Urteilsverkündung ist nach § 260 Abs. 1 (letzter) Teil der HV. In einer ggf. vom Gericht vor der Urteilsverkündung anberaumten Sitzungspause muss der Verteidiger sich seinem Mandanten widmen und mit ihm den Verlauf der HV besprechen. Er kann/muss ihn auch schon jetzt über vom StA beantragte und ggf. zu erwartende Maßnahmen des Gerichts, wie z.B. die Entziehung der Fahrerlaubnis, aufklären und den Mandanten beraten, welche Folgen sich daraus für ihn ergeben (→ Nachbereitung der Hauptverhandlung, Teil N Rdn 2255). Jedenfalls sollte der Verteidiger den Mandanten nicht allein lassen, da dieser i.d.R. – unabhängig vom Verlauf der HV – nervös ist und meist Zuspruch, Trost und Rat braucht (Malek, Rn 725).

 

☆ Das gilt besonders, wenn der StA den Erlass oder die Invollzugsetzung eines HB beantragt hat und der Verteidiger aufgrund des Verlaufs der HV damit rechnet, dass der Angeklagte ggf. verurteilt werden wird. Ist dem Verteidiger dann außerdem noch die Kammer/der Richter als haftwillig bekannt, wird er den Mandanten besonders auf die möglicherweise zu erwartende Haftsituation vorbereiten müssen ( Schlothauer/Weider/Nobis , Rn 734 ff.).HB beantragt hat und der Verteidiger aufgrund des Verlaufs der HV damit rechnet, dass der Angeklagte ggf. verurteilt werden wird. Ist dem Verteidiger dann außerdem noch die Kammer/der Richter als "haftwillig" bekannt, wird er den Mandanten besonders auf die möglicherweise zu erwartende Haftsituation vorbereiten müssen (Schlothauer/Weider/Nobis, Rn 734 ff.).

 

Rdn 3227

2. Das Urteil kann sofort im Anschluss an die → Urteilsberatung, Teil U Rdn 3215, oder aber auch gem. § 268 Abs. 3 in einem besonderen Verkündungstermin verkündet werden. Dieser darf nach § 268 Abs. 3 S. 2 nicht später als zwei Wochen (bis zu den Änderungen durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 [BGBl. I, S. 2099] "am elften Tag") nach dem Schluss der Verhandlung liegen (zur den Änderungen BT-Drucks. 19/27654, S. 95). Für die Fristberechnung gilt § 268 Abs. 3 i.V.m. § 229 Abs. 4 S. 2. D.h.: Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag oder allgemeiner Feiertag, kann die Verkündung am nächsten Werktag stattfinden. Es gilt auch § 229 Abs. 5 (dazu → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3155). Es gilt nach § 10 Abs. 2 EGStPO auch § 10 Abs. 1 EGStPO (dazu → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3149).

 

☆ § 229 Abs. 2 gilt für die Urteilsverkündung allerdings nicht (BGH NJW 2007, 3013 [Ls.]; StV 2006, 516; 2007, 458; 2015, 280 m.w.N.). Der BGH will aber offenbar den Verstoß gegen § 268 Abs. 3 S. 2 nur noch als nicht revisible Ordnungsvorschrift ansehen (vgl. einerseits BGH NJW 2007, 96 unter Hinweis auf die Neuregelung des § 229 durch das 1. JuMoG, andererseits aber BGH NJW 2007, 448; → Unterbrechung der Hauptverhandlung , Teil U Rdn  3131 ; zur Revisibilität eingehend von Freier HRRS 2007, 139).Urteilsverkündung allerdings nicht (BGH NJW 2007, 3013 [Ls.]; StV 2006, 516; 2007, 458; 2015, 280 m.w.N.). Der BGH will aber offenbar den Verstoß gegen § 268 Abs. 3 S. 2 nur noch als nicht revisible Ordnungsvorschrift ansehen (vgl. einerseits BGH NJW 2007, 96 unter Hinweis auf die Neuregelung des § 229 durch das 1. JuMoG, andererseits aber BGH NJW 2007, 448; → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131; zur Revisibilität eingehend von Freier HRRS 2007, 139).

Nach der Rspr. des BGH kann bei einem Verstoß gegen die Zwei-Wochen-Frist des § 268 Abs. 3 S. 2 ein Beruhen des Urteils nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ausgeschlossen werde...

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