a) Vollstreckungsmaßnahme und Vollstreckungshandlung

 

Rz. 106

In der Vollstreckung gilt grundsätzlich jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine (dieselbe) Angelegenheit, so dass dem Rechtsanwalt insofern die Gebühr nach VV 3309 bzw. 3310 nur einmal erwächst. Die Vollstreckungsmaßnahme ist zu unterscheiden von den Vollstreckungshandlungen:

Unter dem Begriff "Vollstreckungsmaßnahme" ist die vom Gläubiger jeweils gewählte Art der Vollstreckung zu verstehen (z.B. Forderungspfändung oder Sachpfändung). Ungleichartige Vollstreckungsmaßnahmen stellen regelmäßig eine eigene Angelegenheit dar.
Vollstreckungshandlungen sind die einzelnen, in einem inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten im Rahmen einer solchen Vollstreckungsmaßnahme, angefangen von der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung nach Erhalt des Vollstreckungsmandats bis zur Befriedigung des Gläubigers oder sonstigen Beendigung der konkreten Vollstreckungsmaßnahme. Es stehen die Einzelmaßnahmen bzw. Vollstreckungshandlungen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen.[101]
 

Rz. 107

Die Vollstreckungsangelegenheit fasst damit eine Vielzahl anwaltlicher Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammen.[102] Lediglich eine Vollstreckungsmaßnahme liegt vor, wenn einzelne Teilakte in einem inneren Zusammenhang stehen und der jeweils nächste Akt sich als eine Fortsetzung der vorausgehenden Vollstreckungshandlungen darstellt.[103]

[103] Vgl. BGH 18.7.2019 – I ZB 104/18, AGS 2019, 393; BGH 10.3.2011 – VII ZB 3/10, AGS 2011, 277 = RVGreport 2011, 298 = JurBüro 2011, 434; BGH 12.12.2003 – IXa ZB 234/03, RVGreport 2004, 108 = NJW 2004, 1101; KG RVGreport 2009, 303 = MDR 2009, 892; VG Frankfurt/Oder 18.9.2018 – 5 M 12/17.

b) Teilakte mit innerem Zusammenhang

 

Rz. 108

Der notwendige innere Zusammenhang ist zu bejahen, so dass nur eine Angelegenheit vorliegt, wenn nach einer Sicherungsvollstreckung gemäß § 720a ZPO[104] der Gläubiger die Sicherheit leistet und er letztlich aus dem Versteigerungserlös befriedigt wird.

 

Rz. 109

Gleiches gilt, wenn die Vollstreckung nach einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung[105] fortgesetzt wird.

 

Rz. 110

Dem ist gleichzustellen der Fall, dass die Räumung fortgesetzt wird nach Ablauf der dem Schuldner bewilligten Räumungsfrist oder nach Beendigung der ordnungsbehördlichen Verfügung, durch die der Schuldner in die Wohnung eingewiesen worden war.[106]

 

Rz. 111

Ferner bilden deshalb beispielsweise dieselbe Angelegenheit:

die Zahlungsaufforderung des Rechtsanwalts bzw. die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung und der sich anschließende Vollstreckungsauftrag (Rdn 455 ff.),
der Mobiliarvollstreckungsauftrag und der Antrag auf Durchsuchung der Wohnung oder auf Vollstreckung zur Unzeit (§ 758 a ZPO, Rdn 161 ff.),
die Vorpfändung gemäß § 845 ZPO und der anschließende Antrag auf Forderungspfändung (Rdn 198 ff.),
die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners und die anschließende Vollstreckungsmaßnahme (§ 755 ZPO, Rdn 138 ff.),
die Einsicht in das Schuldnerverzeichnis und die anschließende Vermögensauskunft (Rdn 289 ff.),
die gütliche Erledigung und die Vollstreckung, sofern die gütliche Erledigung nicht isoliert in einem gesonderten Vollstreckungsauftrag beantragt wird (Rdn 214 ff.).
[104] OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 239; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 57; Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, § 18 Rn 16; Hansens/Braun/Schneider/Volpert, Teil 18 Rn 326.
[105] LG Wuppertal JurBüro 1988, 260; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 61.
[106] LG Bonn JurBüro 1990, 349; a.A. LG Mannheim AnwBl 1967, 163; LG Heilbronn JurBüro 1995, 546, wenn der zweite Räumungsauftrag erst nach sechs Monaten erteilt wird; Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, § 18 Rn 26; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 323.

c) Befriedigung des Gläubigers

 

Rz. 112

Das Tatbestandsmerkmal "bis zur Befriedigung des Gläubigers" ist in zweierlei Hinsicht zu beachten: Zum einen ist damit nicht nur die Befriedigung des Gläubigers im eigentlichen Sinne gemeint (z.B. der Gläubiger erhält die titulierte Forderung nebst Kosten), sondern auch jede sonstige Art der dauernden Beendigung der konkreten Zwangsvollstreckungsmaßnahme.

 

Rz. 113

Diese ist beispielsweise gegeben, wenn der Schuldner unpfändbar ist, der Gläubiger den Vollstreckungsauftrag zurückzieht, Pfandfreigabe oder den Verzicht auf das Pfandrecht gemäß § 843 ZPO erklärt, die Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 1 ZPO auf Dauer eingestellt oder für unzulässig erklärt wird, die Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) abgegeben wird, die in § 802l ZPO genannten S...

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