1. Anwendbarkeit von VV 1008

 

Rz. 21

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber in derselben Beratungshilfe-Angelegenheit, so soll sich – jedenfalls nach h.M., m.E. zu Unrecht (vgl. im Einzelnen VV Vorb. 2.5 Rdn 5 ff., VV 1008 Rdn 75, 77) – auch diese Gebühr nach VV 1008 um 30 % je weiterem Auftraggeber erhöhen,[32] also um jeweils 28,05 EUR je weiteren Auftraggeber. Auf Basis der h.M. ergeben sich die weiteren Folgerungen: Der Höchstbetrag der Erhöhung beläuft sich auf 200 %, also auf 187 EUR, so dass sich eine maximale Gebühr i.H.v. 280,50 EUR ergeben kann. Auch hier ist die Erhöhung unabhängig davon, ob der Anwalt für die verschiedenen Rechtsuchenden auch hinsichtlich desselben Gegenstands tätig wird.

 

Beispiel: Eine Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus drei Personen, sucht den Anwalt auf und beauftragt ihn, die gesamte Bedarfsgemeinschaft betreffende Leistungsansprüche gegen die Sozialbehörde geltend zu machen. Hierfür war Beratungshilfe bewilligt worden.

Abzurechnen – bei drei Auftraggebern (siehe Rdn 23) – ist wie folgt:

 
1. Geschäftsgebühr, VV 2503, 1008   149,60 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 169,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   32,22 EUR
Gesamt   201,82 EUR
[32] OLG Frankfurt 15.7.2013 – 20 W 75/12; OLG Düsseldorf 23.2.2006 – I-10 W 137/05, AGS 2006, 244 = RVGreport 2006, 225; LG Kleve AGS 2006, 244; OLG Oldenburg AGS 2007, 45 = RVGreport 2006, 465 = NJW-RR 2007, 431; OLG Nürnberg FamRZ 2007, 844; KG AGS 2007, 466 = RVGreport 2007, 299 = JurBüro 2007, 543; OLG Naumburg BeckRS 2010, 18503; OLG Jena AGS 2012, 141; AG Halle (Saale) AGS 2012, 189; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2500–2508 Rn 33, 36; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, VV 2503 Rn 6; a.A. AG Kiel BeckRS 2010, 19260; AG Köthen NJOZ 2010, 246.

2. Keine Gegenstandsidentität erforderlich

 

Rz. 22

Gemäß VV 1008 erhöhen sich wertabhängige Geschäfts- und Verfahrensgebühren um 0,3 und Festgebühren um 30 % je weiteren Auftraggeber. Zwar enthält Anm. Abs. 1 zu VV 1008 eine Einschränkung dahingehend, dass die Gebührenerhöhung bei Wertgebühren nur dann greift, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Diese Einschränkung betrifft aber nicht die Geschäftsgebühr nach VV 2503, da es sich um eine wertunabhängige Festgebühr handelt. Damit greift die Ausschlussklausel der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu VV 1008 nicht, so dass es somit bei der 30 %igen Erhöhung je weiteren Auftraggeber verbleibt, und zwar unabhängig davon, ob derselbe Gegenstand vorliegt oder nicht (siehe VV 1008 Rdn 72 ff.).[33] Das mag letztlich als Ausgleich verstanden werden dafür, dass im Gegensatz zu den Wertgebühren eine Addition verschiedener Gegenstände (§ 23 Abs. 1 i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 GKG, 46 Abs. 1 GKG a.F., 30 Abs. 1, 49, 44 FamGKG; § 22 Abs. 1) bei den Festgebühren nicht in Betracht kommt.

[33] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2500–2508 Rn 36; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, VV 2503 Rn 6.

3. Bedarfsgemeinschaft

 

Rz. 23

Mehrere Auftraggeber sind auch im Rahmen der Beratungshilfe bei Vertretung einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 SGB II) gegeben (vgl. zu Einzelheiten VV 1008 Rdn 36 "Bedarfsgemeinschaft").[34] Denn die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind Individualauftraggeber. Inhaber des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II ist nämlich jeweils das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.[35] Ein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert nicht.[36] Kinder bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres haben dagegen keine eigenen Individualansprüche.[37]

4. Verfahrensstandschaft bei Unterhalt (§ 1629 BGB)

 

Rz. 24

Nur ein Auftraggeber liegt dagegen vor, wenn die Ehefrau Ansprüche der Kinder im eigenen Namen geltend macht (a.A. VV 1008 Rdn 76).[38]

 

Beispiel: Die Ehefrau lässt sich von dem Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe wegen Trennungsunterhaltes sowie wegen Kindesunterhalts außergerichtlich vertreten. Die Ehe ist noch nicht rechtskräftig geschieden, die Scheidungssache ist aber schon anhängig.

Eine Erhöhung nach VV 1008 kommt nicht in Betracht. Die Ehefrau handelt nicht als Vertreterin. Nur sie allein ist Auftraggeberin. Die Kindesunterhaltsansprüche kann die Ehefrau nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB für die bei ihr lebenden Kinder im eigenen Namen geltend machen. Die Inhaberschaft für diese Ansprüche vereinigen sich daher gemeinsam mit der Inhaberschaft für den Trennungsunterhaltsanspruch allein in ihrer Person.

 
1. Geschäftsgebühr, VV 2503   93,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   18,70 EUR
  Zwischensumme 112,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteue...

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