Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Erhöhung der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts aufgrund mehrerer Auftraggeber. Vertretung einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Inhaber eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 ist das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (Individualanspruch); ein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher besteht nicht. Die Bedarfsgemeinschaft ist kein Einzelauftraggeber; die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind Einzelauftraggeber nach Nr 1008 VV RVG. Bei Vertretung einer Bedarfsgemeinschaft erhöht sich daher die Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 30. Juni 2006 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 11. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005 verurteilt, über die bereits festgesetzten 301,60 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 167,04 € festzusetzen und auszuzahlen.

Die Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Widerspruchsverfahren.

Die Kläger beziehen seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Auf Grund eines Hinweises der Beklagten auf unangemessen hohe Unterkunftskosten vom 10. Februar 2005 bezogen die Kläger zum 01. Juli 2005 eine neue Wohnung und beantragten unter anderem die Übernahme anfallender Kautionskosten.

Mit Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2005 bewilligte diese die darlehensweise Übernahme der Kosten für Mietkaution.

Am 27. Mai 2005 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung unter anderem aus, der Widerspruch richte sich nicht gegen die Übernahme der Kosten für die Mietkaution, vielmehr richte sich der Widerspruch gegen die lediglich darlehensweise Übernahme der Kosten. Vorliegend sei die Beklagte verpflichtet, die Kosten vollumfänglich zu übernehmen und nicht nur darlehensweise.

Mit Bescheid vom 02. Juni 2005 hob die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 04. Mai 2005 auf, half dem Widerspruch mit Bescheid vom 02. Juni 2005 in vollem Umfang ab und gewährte dem Kläger - wie beantragt - die Wohnungsbeschaffungskosten in Höhe von 640,00 als Zuschuss. Die Entscheidung beruhe auf § 22 SGB II. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen und nachgewiesen seien.

Mit Kostennote vom 09. Juni 2005 machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Übernahme von Anwaltskosten nach dem RVG in Höhe von insgesamt 468,64 € geltend. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten gemäß Nr. 2500 VV RVG

240,00 €

Gebührenerhöhung (drei Auftragegeber)gemäß Nr. 1008 VV RVG

144,00 €

Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienste gemäß Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme netto

404,00 €

16 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG

64,64 €

Summe

   468,64 €

Mit Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 setzte diese die zu erstattenden Kosten wie folgt fest:

240,00 €

Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV RVG

20,00 €

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG

260,00 €

insgesamt

41,60 €

zuzüglich Mehrwertsteuer

301,60 €

Erstattungsbetrag

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe namens und in Vollmacht von Peter M. (das heißt dem Kläger zu 1.) Widerspruch eingelegt. Nach § 38 SGB II werde vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt sei, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegen zu nehmen. Würden mehrere erwerbsfähige Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft leben, gelte diese Vermutung zugunsten desjenigen, der die Leistungen beantrage. Antragsteller sei Herr Peter M. gewesen; Herr M. vertrete somit die Bedarfsgemeinschaft. Daher handele es sich nur um einen Auftraggeber und die Gebühr für Mehrauftraggeber könne nicht erstattet werden.

Mit bei der Beklagten am 15. Juli 2005 eingegangene Widerspruch machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter anderem geltend, vorliegend habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Bedarfsbedarfsgemeinschaft aus insgesamt drei Personen bestehe, sodass hier auch eine Gebührenerhöhung wegen drei Auftraggebern gemäß Nr. 1008 VV RVG gegeben sei. Der Widerspruch sei nicht nur namens und in Vollmacht des Herrn Peter M. eingelegt worden, sondern sei für Herrn Peter M. sowie die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft Lebenden eingelegt worden. Auch die Bezugnahme auf § 38 SGB II zeige gerade, dass der Widerspruch für die gesamte Bedarfsgemeinschaft eingelegt worden sei. Da die Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen bestehe, seien sämtliche Personen, aus denen die Bedarfsgemeinschaft bestehe, auch entsprechen...

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