aa) Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse

 

Rz. 8

Der Hauptfall der Entstehung eines gesetzlichen Vergütungsanspruchs ist die gerichtliche Beiordnung oder Bestellung eines Rechtsanwalts. Bei Beiordnung oder Bestellung durch Justizbehörden (Staatsanwaltschaft und Bundesamt für Justiz) gilt das entsprechend, vgl. § 59a. Nach erfolgter Beiordnung oder Bestellung muss der Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren die Vertretung der Partei oder die Beistandschaft übernehmen (§§ 48, 49 BRAO). Für diese Tätigkeit hat er einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, § 45 RVG. Die korrespondierenden Verfahrensvorschriften gehen jedoch davon aus, dass der beigeordnete Rechtsanwalt zuvor seine Übernahmebereitschaft erklärt hat; regelmäßig haben Anwalt und Mandant also im Falle der Beiordnung bereits vorher einen Vertrag geschlossen, der unter der aufschiebenden Bedingung der Beiordnung steht.[3]

[3] Henssler/Prütting/Henssler, § 48 BRAO Rn 7.

bb) Besonderheiten bei Beiordung im Wege der PKH

 

Rz. 9

Die Beiordnung im Wege der PKH setzt das Vorhandensein eines privatrechtlichen Vergütungsanspruchs gegen den Auftraggeber voraus, z.B. den Abschluss eines Anwaltsvertrags/Geschäftsbesorgungsvertrags (ausf. § 45 Rdn 36 ff.).[4] Den hieraus hervorgehenden vertraglichen Vergütungsanspruch kann der beigeordnete Rechtsanwalt wegen der Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch grds. nicht geltend machen. Etwas anderes gilt insbesondere dann, wenn die Bewilligung der PKH nach § 124 ZPO aufgehoben worden ist.[5] Durch die Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts entfällt der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse grds. nicht. Hat der beigeordnete Rechtsanwalt aber durch schuldhaftes Verhalten die Aufhebung seiner und die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts veranlasst, kann er gem. § 54 Gebühren, die auch für den anderen Rechtsanwalt entstehen, nicht fordern.

[4] Vgl. BGH 23.9.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494; KG AGS 2009, 550 = RVGreport 2009, 317 = NJW 2009, 2754; OLG Zweibrücken JurBüro 1994, 749; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 45 Rn 29 ff.
[5] Vgl. BGH 12.6.2006 – II ZB 21/05, RVGreport 2006, 392 = Rpfleger 2006, 609; KG AGS 2011, 332 = RVGreport 2011, 230 = MDR 2011, 627.

cc) Pflichtverteidiger

 

Rz. 10

Im Strafverfahren kann dem Beschuldigten sogar gegen seinen ausdrücklichen Willen ein Verteidiger bestellt werden. Die Bestellung als Pflichtverteidiger erfordert keinen Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Er kann neben dem Anspruch gegenüber der Staatskasse aufgrund seiner Beiordnung einen Anspruch auf die (Wahl-)Verteidigergebühren nach dem RVG gegen den Beschuldigten haben, wenn diesem ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht oder festgestellt wird, dass dieser wirtschaftlich leistungsfähig ist (§ 52). Beim gerichtlich bestellten Rechtsanwalt (z.B. Pflichtverteidiger) beruht die Tätigkeit auf einem öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt.[6] Die Bestellung begründet einen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse.[7]

 

Rz. 11

Wird der Rechtsanwalt daher als Pflichtverteidiger bestellt, entsteht der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse allein aufgrund der gerichtlichen Bestellung. Ein Anwalts- oder Geschäftsbesorgungsvertrag wie im Fall der Beiordnung im Wege der PKH muss nicht hinzutreten, um einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu erhalten. Es kommt für den Vergütungsanspruch nicht darauf an, ob der Beschuldigte mit der Bestellung einverstanden ist oder ob er dem Pflichtverteidiger Vollmacht erteilt hatte. Wird die Pflichtverteidigerbestellung aufgehoben, entfällt der durch die Bestellung entstandene Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse grds. nicht.

[6] OLG Bamberg AGS 2009, 320 = StraFo 2009, 350.
[7] OLG Hamburg RVGreport 2012, 457 = NStZ-RR 2012, 390; OLG München 6.4.2009 – 6 Ws 2/09.

dd) Weitere Grundlagen

 

Rz. 12

Darüber hinaus kann sich ein Vergütungsanspruch kraft Gesetzes auch aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder die ungerechtfertigte Bereicherung ergeben, insbesondere dann, wenn der Anwaltsvertrag nichtig ist (siehe Rdn 48).

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