Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch eines zweiten Pflichtverteidigers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vergütungsanspruch des zum notwendigen Verteidiger bestellten Rechtsanwalts bestimmt sich auch in Strafsachen nach den Maßgaben der §§ 45, 48 RVG.

2. . Die Rückwirkungsfiktion des § 48 Abs. 5 RVG stellt eine gesetzliche Ausnahmeregelung zum Grundsatz der strukturellen Korrespondenz von Inhalt und Zeitpunkt des Bestellungsakts nach § 48 Abs. 1 RVG und dem durch ihn verkörperten vergütungsrechtlichen Anspruch dar.

3. Vom Regelungsbereich des § 48 Abs. 5 RVG nicht erfasst wird der Vergütungsanspruch eines während laufender Hauptverhandlung zum zweiten Pflichtverteidiger bestellten früheren Wahlverteidigers, sofern damit allein in der Person eines bereits bestellten, in der Hauptverhandlung ebenfalls durchgehend anwesenden Pflichtverteidigers liegende vorübergehende körperliche Einschränkungen, namentlich mangelnde Schreib- und Nachschlagefähigkeiten, kompensiert werden sollen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Rechtsanwalts G. gegen den Beschluss der Großen Strafkammer 27 des Landgerichts Hamburg vom 15. Mai 2012 wird verworfen.

 

Gründe

A.

Der Beschwerdeführer war als Wahlverteidiger im Ermittlungs-, Zwischen- und - dem derzeit noch fortdauernden - Hauptverfahren neben dem auf ausdrücklich erklärten Wunsch des Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren beigeordneten Rechtsanwalt P. tätig.

Die Hauptverhandlung vor dem Jugendschwurgericht begann am 8. November 2011. Am 30. März 2012 beantragte der Angeklagte die Beiordnung des Beschwerdeführers als "zweiten Pflichtverteidiger" nach "§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 StPO" (Anl. 137 Prot.-Bd.). Im Falle der Beiordnung werde dieser sein Wahlmandat niederlegen. Zur Begründung führte er aus, dass sich der bestellte Verteidiger, Rechtsanwalt P., durch einen Unfall das rechte Handgelenk gebrochen habe. Eine "ordnungsgemäße Verteidigertätigkeit in der Hauptverhandlung" sei daher nicht mehr vollständig gewährleistet, namentlich bei der Erstellung von Mitschriften oder dem schnellen Zugriff auf die Verfahrensakten werde dieser durch die Verletzung spürbar beeinträchtigt (Anl. 137 Prot.-Bd.). Aufgrund "bereits ausgeschöpfter finanzieller Möglichkeiten" seiner für die Vergütung aufkommenden Familie könne die Teilnahme des Wahlverteidigers an der Hauptverhandlung nur durch dessen Beiordnung gewährleistet werden. Diesem Antrag entsprach der Vorsitzende und ordnete noch am selben Hauptverhandlungstag an, dass der Beschwerdeführer "für die Dauer der Erkrankung" des bestellten Verteidigers als "weiterer Verteidiger beigeordnet wird" (Bl. 103 Prot.-Bd.).

Am 4. Mai 2012 hob der Vorsitzende im Verfügungswege die Beiordnung des Beschwerdeführers auf, nachdem ihm der zuvor an sämtlichen Terminen anwesende Rechtsanwalt P. mitgeteilt hatte, dass er wieder ohne Einschränkungen in der Lage sei, die Verteidigung zu führen (Bl. 1104 d.A.). Eine hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2012 - 3 Ws 92/12).

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 16. April 2004 hat der Beschwerdeführer folgende - auch im Zeitraum vor seiner Bestellung entstandene - Gebühren und Auslagen zur Erstattung bei der Staatskasse angemeldet:

01 4101 Grundgebühr Zuschlag 162,00

02 4105 Verfahrensgebühr Vorverfahren 137,00

03 4103 Terminsgebühr Haftprüfung 137,00

04 4119 Verfahrensgebühr Schwurgericht 322,00

05 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 8.11.2011 434,00

06 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 10.11.2011 434,00

07 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 15.11.2011 434,00

08 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 15.11.2011 178,00

09 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 18.11.2011 434,00

10 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 18.11.2011 178,00

11 4122 Terminsgebühr mit Zuschlag 24.11.2011 434,00

12 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 25.11.2011 434,00

13 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 25.11.2011 178,00

14 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 25.11.2011 434,00

15 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 30.11.2011 178,00

16 4122 Terminsgebühr mit Zuschlag 2.12.2011 434,00

17 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 9.12.2011 434,00

18 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 9.12.2011 178,00

19 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 16.12.2011 434,00

20 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 6.1.2012 434,00

21 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 6.1.2012 178,00

22 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 10.1.2012 434,00

23 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 10.1.2012 178,00

24 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 13.1.2012 434,00

25 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 20.1.2012 434,00

26 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 27.1.2012 434,00

27 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 27.1.2012 178,00

28 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 2.2.2012 434,00

29 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 3.2.2012 434,00

30 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 3.2.2012 178,00

31 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 9.2.2012 434,00

32 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 9.2.2012 178,00

33 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 10.2.2012 434,00

34 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 30.3.2012 434,00

35 4122 Zusätzliche Gebühr Termin 30.3.2012 178,00

36 4121 Terminsgebühr mit Zuschlag 5.4.2012 434...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge