Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrechtlich erleichterter Nachweis eines Einbruchsdiebstahls

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der erleichterte Nachweis eines bedingungsgemäßen Einbruchsdiebstahls erfordert das Vorliegen von Spuren, die für einen Einbruch sprechen. Einbruchsspuren müssen stimmig nur in dem Sinne sein, dass sie zu einem - dem äußeren Bild nach zu beweisenden - Einbruch passen müssen. Dazu ist nötig, dass ein konkreter Weg des bestimmungswidrigen Eindringens dargelegt wird und dass die vorgefundenen Spuren die Annahme rechtfertigen, dass im Sinne der Versicherungsbedingungen eingebrochen, eingestiegen oder eingedrungen wurde. Einen in den Einzelheiten bestimmten Ablauf eines solchen Einbruchs und insb. dessen "verbrechenstechnische" Voraussetzungen muss der Versicherungsnehmer weder vortragen noch beweisen, dies jedenfalls solange nicht, wie nicht das "Ob" eines Einbruchs überhaupt in Frage gestellt ist.

2. Bei einem Einbruch in ein freistehendes Einfamilienhaus während einer gut 2 1/2-stündigen Abwesenheit tagsüber rechtfertigt es den Vorwurf einer objektiv und subjektiv grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls i.S.v. § 61 VVG a.F. nicht, dass die vom Nachbarhaus zu beobachtende Nebeneingangstür, durch die eingebrochen wurde, nicht abgeschlossen worden ist. Zur Ursächlichkeit des "Herbeiführens" gehört, wenn ein Fehlverhalten einen Dauerzustand begründet und nur wegen dieser Dauer grobe Fahrlässigkeit vorliegt, auch der Nachweis des Zeitpunkts des Diebstahls. Die längerfristige Abwesenheit kann nur dann ursächlich sein, wenn sich der Einbruchsdiebstahl erst nach Überschreiten der "zulässigen" Abwesenheitszeit ereignet hat, nicht aber dann, wenn er sich schon im Zeitraum unmittelbar nach dem Verlassen des Hauses zugetragen hat.

3. § 26 Nr. 1 lit. c VHB 2000 verlangt - anders als noch in § 21 Nr. 1 VHB 84 und 92 - keine "unverzügliche" Einreichung der Stehlgutliste.

 

Normenkette

VVG § 61; VHB 2000 §§ 1, 3, 5; VHB 1984 § 21 Nr. 1; VHB 1992 § 21 Nr. 1; VHB 2000 § 26 Nr. 1 Buchst. c, §§ 27-28

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 22.06.2009)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Lübeck vom 22.6.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Hausratversicherung, der die VHB 2000 zugrunde liegen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Diese hat u.a. ausgesagt, sie habe die Nebeneingangstür mit mindestens einer Umdrehung abgeschlossen; die oberen und unteren Riegel schöben sich aber nur bei mehrmaligem Abschließen heraus.

Das LG hat der Klage auf Zahlung einer Entschädigung von 16.500 EUR stattgegeben. Der Nachweis eines Einbruchdiebstahls und der Entwendung der versicherten Sachen sei unter Berücksichtigung der dem Kläger insoweit zugute kommenden Beweiserleichterungen geführt. Es seien Einbruchsspuren in Form von Hebelspuren an der Nebeneingangstür festgestellt worden. Die Aussage der Zeugin M sei glaubhaft und die Zeugin selbst glaubwürdig. Die Beklagte habe das Gericht nicht überzeugen können, dass der Einbruchdiebstahl vorgetäuscht gewesen sei. Hinsichtlich der Schadenshöhe reiche einfaches Bestreiten seitens der Beklagten nicht aus, weil sie selbst die Schadenshöhe bereits in ihrer Schlusserklärung festgesetzt habe. Weder der Kläger noch seine Ehefrau hätten grob fahrlässig gehandelt, selbst wenn die Tür nur zugezogen gewesen sei, weil die Frau des Klägers das Haus nur vorübergehend verlassen habe. Daher habe es keiner besonderen Beweisaufnahme über den Verschlusszustand der Tür bedurft. Die Beklagte sei von ihrer Leistungspflicht auch nicht aufgrund eines Obliegenheitsverstoßes des Klägers nach § 26 Nr. 1c) Nr. 2 VHB 2000 frei geworden, weil die Einreichung einer genauen Auflistung des Stehlgutes bei der Polizei womöglich verspätet erfolgt sei. Die Verspätung begründe nach den Bedingungen nur ein Leistungsverweigerungsrecht. Auf die Frage der Verspätung komme es aber ohnehin nicht an, weil es der Beklagten in diesem Fall nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen. Wie bereits vom BGH entschieden, sei der Versicherer bei rechtzeitiger Anzeige des Versicherungsfalles verpflichtet, den Versicherungsnehmer über die Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste und die Rechtsfolgen einer Verspätung zu belehren. Dies sei nicht erfolgt. Es bestehe ferner keine Leistungsfreiheit gem. § 31 Nr. 1 VHB 2000 wegen arglistigen Täuschens über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, vorliegend über den Verschlusszustand der Nebeneingangstür. Zum einen sei diese Frage für die Entschädigung ohne Bedeutung, zum anderen sei jedenfalls kein Vorsatz erk...

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