Gesetzestext

 

(1) Werden für eine Schuldverschreibung auf den Inhaber Zinsscheine ausgegeben, so bleiben die Scheine, sofern sie nicht eine gegenteilige Bestimmung enthalten, in Kraft, auch wenn die Hauptforderung erlischt oder die Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert wird.

(2) Werden solche Zinsscheine bei der Einlösung der Hauptschuldverschreibung nicht zurückgegeben, so ist der Aussteller berechtigt, den Betrag zurückzubehalten, den er nach Absatz 1 für die Scheine zu zahlen verpflichtet ist.

A. Rechtsnatur und Inhalt der Regelung.

 

Rn 1

Für verzinsliche Schuldverschreibungen werden neben der Urkunde (Mantel) häufig Zinsscheine (Kupons) ausgegeben. Letztere verbriefen als selbstständige Urkunden eine Zinsforderung. Von ihnen dürfen keine (Zinses-)Zinsen verlangt werden (§§ 248, 289; MüKo/Habersack Rz 2; Erman/Wilhelmi Rz 1; BeckOKBGB/Gehrlein Rz 1; aA Staud/Marburger Rz 4). Der Aussteller braucht nur gegen Vorlage des Zinsscheins Zinsen zu zahlen. Diese Forderung kann ohne Vorlage der Haupturkunde vom Inhaber gegen Aushändigung des Zinsscheins geltend gemacht werden. Bei den auf den Inhaber lautenden Zinsscheinen handelt es sich um selbstständige Inhaberschuldverschreibungen, sofern sie den Formerfordernissen des § 793 II genügen, dh eine faksimilierte Unterschrift tragen. Ohne Unterschrift handelt es sich um kleine Inhaberpapiere iSd § 807 (Staud/Marburger Rz 2 mwN auch zur aA; BeckOGKBGB/Vogel Rz 5).

 

Rn 2

Zinsscheine sind grds unabhängig vom Bestand der Hauptforderung (§ 803 I). Damit besteht hier eine Ausnahme vom Grundsatz, dass eine Zinsforderung das Bestehen einer Hauptforderung voraussetzt (Erman/Schaub § 246 Rz 8). Die Regelung ist dispositiv. Enthält die Urkunde nicht eine abw Bestimmung, bleiben die Zinsscheine damit auch dann in Kraft, wenn die Haupturkunde für kraftlos erklärt worden ist, wenn die Hauptforderung erlischt oder nicht mehr durchgesetzt werden kann oder wenn die Zinsverpflichtung geändert oder aufgehoben wird. Zur Einziehung bedarf es weder der Vorlegung der Haupturkunde noch reicht diese aus. Es besteht aber die Möglichkeit der Arglisteinrede, sofern der Aussteller die Ausfolgung neuer Zinsscheine widerrechtlich verweigert hat (Erman/Wilhelmi Rz 1; Staud/Marburger Rz 3). Für die Vorlegung bzw Verjährung findet nach hM § 801 II iVm I Anwendung (MüKo/Habersack Rz 2). Abgesehen von dieser Sonderregelung gelten die allgemeinen Verjährungsregeln (drei Jahre; BGH WM 16, 819, 821 Rz 15). Auf Grund der grds Unabhängigkeit der Zinsforderung von der Hauptforderung besteht bei Einlösung von Zinsscheinen keine Verpflichtung der Bank zu kontrollieren, ob die zum Zinsschein gehörende Schuldverschreibung nicht bereits gekündigt ist (Köln WM 85, 1414, 1415).

 

Rn 3

Eine gewisse Abhängigkeit von der Haupturkunde besteht für Zinsscheine aufgrund des Zurückbehaltungsrechts des Ausstellers (§ 803 II). Dieser kann, sofern die Haupturkunde eingelöst wird, den zur Deckung für das Einlösen der Zinsscheine notwendigen Betrag einbehalten (dh von der Hauptsumme abziehen), falls die noch nicht fälligen Zinsscheine, aus denen er noch in Anspruch genommen werden kann, nicht mit vorgelegt werden (Grüneberg/Sprau Rz 2). Das Zurückbehaltungsrecht kann entspr § 273 III abgewendet werden. Werden die Zinsscheine nachgeliefert, ist der einbehaltene Betrag nachzuzahlen. Das Zurückbehaltungsrecht gilt auch für Zinsscheine, die bei der Einlösung des Hauptpapiers bereits fällig waren (vgl LG Saarbrücken WM 92, 1271, 1272 [LG Saarbrücken 21.05.1992 - 6 O 4496/91]; LG Lübeck NJW 82, 1106, 1107 f [LG Lübeck 24.11.1981 - 6 S 104/81]). § 803 II findet analoge Anwendung, wenn der Gläubiger die vorzeitig gekündigte Schuldverschreibung erst einige Zeit nach Fälligkeit zur Einlösung vorlegt. Abgezogen werden kann der Geldbetrag, den der Aussteller auf eingelöste Zinsscheine bezahlt hat, die erst nach der Kündigung der Hauptschuld fällig waren (LG Lübeck NJW 82, 1106, 1107 f).

B. Anwendbarkeit.

 

Rn 4

Auf Inhaberzinsscheine finden grds die Regelungen zu den Inhaberschuldverschreibungen Anwendung (§§ 793, 794, 796–798, 806). Nach hM gilt § 801 für die Verjährung fälliger Zinsscheine (MüKo/Habersack Rz 2; Staud/Marburger Rz 4; Frankf 12.6.15 – 8 U 93/12, juris Rz 77). Andere wollen die allg Verjährungsregeln anwenden (RGRK/Steffen Rz 3). Außerdem sind die Sonderregelungen für Zinsscheine (§§ 803805) zu beachten. Nicht anwendbar sind die §§ 799, 800 und 802. Ist der Zinsschein kleines Inhaberpapier, sind die Einschränkungen des § 807 zu berücksichtigen.

C. Entspr Anwendung.

 

Rn 5

§ 803 ist analog auf Inhaberrentenscheine anwendbar (MüKo/Habersack Rz 3; Grüneberg/Sprau Rz 3; zur aA Staud/Marburger § 803 Rz 11), die ein auf regelmäßige Geldzahlungen aus einem Grundstück (Rentenschuld) lautendes Forderungsrecht verbriefen (§§ 1199 f). Eine entspr Anwendung auf Gewinnanteilscheine (Dividendenscheine) und Erneuerungsscheine (Talons) kommt dagegen nicht in Betracht. Der Gewinnanteilschein wird zwar überwiegend grds als Inhaberpapier gesehen (BGHZ 26, 167, 170), § 803 ist aber nicht anwendbar, das verbriefte Recht ist abhän...

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