Gesetzestext

 

(1) 1Eine abhanden gekommene oder vernichtete Schuldverschreibung auf den Inhaber kann, wenn nicht in der Urkunde das Gegenteil bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. 2Ausgenommen sind Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine sowie die auf Sicht zahlbaren unverzinslichen Schuldverschreibungen.

(2) 1Der Aussteller ist verpflichtet, dem bisherigen Inhaber auf Verlangen die zur Erwirkung des Aufgebots oder der Zahlungssperre erforderliche Auskunft zu erteilen und die erforderlichen Zeugnisse auszustellen. 2Die Kosten der Zeugnisse hat der bisherige Inhaber zu tragen und vorzuschießen.

A. Regelungszweck.

 

Rn 1

Mit dem Verlust der Urkunde verliert der bisherige Inhaber seine Rechte zwar nicht, deren Ausübung ist jedoch aufgrund von § 797 ausgeschlossen, da sie an das Innehaben der Urkunde gebunden ist. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Inhaber die Rechte an einen gutgläubigen Erwerber verliert (§§ 793 I 1, 932, 935 II). Zu seinem Schutz kann er, wenn er den neuen nicht berechtigten Inhaber kennt, gegen diesen einen Herausgabeanspruch nach § 985 geltend machen. Kennt er den neuen Inhaber nicht, kann er den Verlust im Bundesanzeiger bekannt geben (beachte § 367 HGB), eine Kraftloserklärung iSd § 799 herbeiführen bzw eine Zahlungssperre iSd § 802 beantragen (s Rn 5). Nach der Kraftloserklärung kann der Aufbieter vom Aussteller die Erteilung einer neuen Schuldverschreibung verlangen (§ 800). Gem § 799 II hat der Aufbieter auch einen Anspruch auf Erteilung der Angaben und Zeugnisse, die nach § 1007 ZPO bzw §§ 1010 II, 1011 ZPO erforderlich sind.

B. Anwendbarkeit.

 

Rn 2

Eine Kraftloserklärung scheidet aus, wenn in der Urkunde das Aufgebotsverfahren ausgeschlossen wurde (§ 799 I 1). § 799 bezieht sich auf abhanden gekommene und vernichtete Inhaberschuldverschreibungen. Eine Kraftloserklärung scheidet auch ausdrücklich (§ 799 I 2) aus für auf Sicht zahlbare unverzinsliche Schuldverschreibungen sowie für Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine (s § 804), für Erneuerungsscheine für Inhaberpapiere (s § 805) sowie für die kleinen Inhaberpapiere (§ 807 verweist nicht auf § 799).

 

Rn 3

Sondervorschriften gelten auch für Aktien und Zwischenscheine (§§ 72 f AktG), für Hypotheken-, Grund- und Rentenschuldbriefe (§§ 1162, 1195, 1199 f), für Wechsel (Art 90 I WG), für Schecks (Art 59 I ScheckG), für kaufmännische Orderpapiere (§ 365 II HGB) sowie für Investmentzertifikate (§ 97 II KAGB). Für Namenspapiere mit Inhaberklausel gilt § 808 II 2. Landesgesetzliche Vorbehalte sehen Art 102 EGBGB und § 1024 ZPO vor.

C. Voraussetzungen.

 

Rn 4

Es muss eine Schuldverschreibung abhandengekommen oder vernichtet worden sein. Das Abhandenkommen wird teilweise wie in § 935 als unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes, teilweise eigenständig aus dem Zweck des Angebotsverfahrens heraus ausgelegt (BeckOKBGB/Gehrlein Rz 2; BeckOGKBGB/Vogel Rz 6). Ein Abhandenkommen soll auch vorliegen, wenn der Verbleib der Urkunde dem bisherigen Inhaber bekannt ist, er sie aber deshalb nicht zurückverlangen kann, weil sich die Papiere im Ausland befinden oder der Schuldner ständig den Ort wechselt (Stuttg NJW 55, 1154 ff [OLG Stuttgart 28.04.1955 - 3 U 3/54]). Das ist abzulehnen, sofern man sich nicht an den Grundsätzen des § 935 orientieren will. Eine Vernichtung liegt bei völliger Zerstörung vor, aber auch dann, wenn ein Umtausch iSd § 798 aufgrund der weitgehenden Beschädigung oder Zerstörung der Urkunde nicht mehr in Betracht kommt.

D. Rechtsfolgen.

 

Rn 5

Antragsberechtigter (§ 1004 I ZPO) hinsichtlich des Aufgebotsverfahrens nach §§ 1003 ff ZPO ist der letzte Inhaber des abhanden gekommenen oder vernichteten Papiers, selbst wenn er nicht berechtigter Inhaber ist. Der Aufbieter kann während oder auch schon vor der Einleitung des Aufgebotsverfahrens eine gerichtliche Zahlungssperre herbeiführen, welche die Vorlegungs- und Verjährungsfrist hemmt (§ 802). Das rechtskräftige Ausschlussurteil erklärt die alte Urkunde für kraftlos (§ 1017 I ZPO), so dass diese ihre Legitimationswirkung verliert. Daher ist eine Leistungsbefreiung des Schuldners durch Leistung an den Inhaber der Urkunde nicht möglich. Das Ausschlussurteil weist den Aufbieter als berechtigt aus (§ 1018 I ZPO), er ist dadurch formell legitimiert. Wird an ihn geleistet, so wirkt dies grds schuldbefreiend, auch wenn er nicht der wahre Berechtigte ist. Umstr ist, ob der Aufbieter unter Vorlage des Urteils die Rechte aus der Schuldverschreibung übertragen kann und gutgläubiger Erwerb hierbei möglich ist (bejahend: Staud/Marburger Rz 7; verneinend: Zöllner § 7 II 1 f). Nicht verändert wird nach hM durch das Ausschlussurteil die materielle Berechtigung aus der Schuldverschreibung (MüKo/Habersack Rz 9; Staud/Marburger Rz 8; BeckOGKBGB/Vogel Rz 15), da es nicht Sinn und Zweck des Aufgebotsverfahrens entspricht, dem Antragsteller eine bessere Rechtsstellung als vor Vernichtung/Verlust der Urkunde zu verschaffen. Derjenige, der das Urt erwirkt hat, soll aus diesem nicht mehr Rechte als aus der für kraftlos erklärten Urkunde haben (Hamm WM 76, 198, 199)...

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