Entscheidungsstichwort (Thema)

Argentinische Inhaberschuldverschreibungen: Kein Erfüllungsverweigerungsrecht des Staates wegen Staatsnotstands und/oder mit anderen Gläubigern getroffenen Umschuldungsvereinbarungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Staat kann die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche aus von ihm gegebenen Schuldverschreibungen gegenüber Privatpersonen weder unter Berufung auf einen Staatsnotstand noch wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung verweigern.

2. Die Verjährung von Zinsansprüchen richtet sich bei Inhaberschuldverschreibungen nach § 801 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn keine Zinsscheine i.S.d. § 803 BGB ausgegeben, aber die Zinsansprüche in der Globalurkunde mitverbrieft werden.

 

Normenkette

GG Art. 25, 100 Abs. 2; BGB §§ 793, 797, 801 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.04.2012; Aktenzeichen 2-10 O 506/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.03.2016; Aktenzeichen XI ZR 336/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 5.4.2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. EUR 46.200 - davon auf den Nennbetrag EUR 33.000 und auf am 7.9.2004, 7.9.2005, 7.9.2006 und 7.9.2007 insgesamt zahlbare Fälligkeitszinsen EUR 13.200 - aus der von der Beklagten ausgegebenen Inhaberschuldverschreibung mit der WKN 545 025 zu zahlen gegen Mitteilung der Zahlung an die Depotbank des Klägers zwecks Ausbuchung der Inhaberschuldverschreibung mit der WKN 545 025 und der Fälligkeitszinsen aus seinem Depot in Höhe der Zahlung.

Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. 10 % p.a. seit dem 8.9.2007 aus einem Betrag i.H.v. EUR 33.000 zu zahlen gegen Mitteilung der Zahlung an die Depotbank des Klägers zwecks Ausbuchung der Zinsforderung zur Inhaberschuldverschreibung mit der WKN 545 025 aus seinem Depot in Höhe der Zahlung.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Beklagte zu 87,5 % und der Kläger zu 12,5 % zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gesamten aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: die Beklagte) begab zur Wertpapierkennnummer (WKN) 545 025 eine Dauer-Global-Inhaber-Schuldverschreibung zum Nennbetrag von EUR 500.000.000,00, eingeteilt in 500.000 Schuldverschreibungen zu je EUR 1.000 ohne Zinsscheine. Die Schuldverschreibungen waren am 7.9.2007 zum Nennbetrag zurückzuzahlen. Der Nennbetrag war ab dem 7.9.2000 mit 10 % p.a. zu verzinsen. Die Zinsen waren jährlich nachträglich am 7.9. eines jeden Jahres zahlbar. Die Globalurkunde wurde bei der A ... AG hinterlegt. Hauptzahlstelle war die Bank1, Stadt1. Auf die Anleihebedingungen wird Bezug genommen (Bl. 14 ff. d.A.).

Die Beklagte zahlte am 13.9.2001 Zinsen i.H.v. EUR 3.300,00.

Der Senat der Beklagten und ihre Abgeordnetenkammer erklärten durch Gesetz Nr. 25.561 den öffentlichen Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet und übertrugen der Exekutive u.a. Befugnisse zur Umstrukturierung der Staatsschulden, was auf der Grundlage der Verordnung Nr. 256/2002, in Kraft getreten am 9.2.2002, dergestalt umgesetzt wurde, dass die Beklagte u.a. Zahlungen gegenüber privaten Gläubigern einstellte. Die Geltungsdauer des Gesetzes Nr. 25.561 und der Verordnung Nr. 256/2002 wurde mehrfach verlängert.

Auf Vorlage der Globalurkunde durch die A ... AG zahlte die Hauptzahlstelle die am 7.9.2007 fälligen Schuldverschreibungen nicht zurück; auch die am 7.9.2002 und in der Folgezeit fälligen Zinsen wurden nicht gezahlt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vorlegungsbestätigungen der Bank1 vom 19.12.2006 und vom 19.12.2007 (Bl. 12 und Bl. 11 d.A.) verwiesen.

Der Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: der Kläger) hat die Beklagte auf Rückzahlung des am 7.9.2007 fälligen Nominalwertes von EUR 33.000,00, auf ab dem 7.9.2002 zahlbare Fälligkeitszinsen sowie auf Verzugszinsen auf den Nominalwert in Anspruch genommen.

Der Kläger hat in seiner am 17.11.2010 bei Gericht eingereichten Klage vom 14.11.2010 die Vertretungsverhältnisse bei der Beklagten dergestalt angegeben, dass diese durch die Präsidentin ... und diese in Deutschland wiederum durch den namentlich genannten Botschafter der Beklagten,... str., Stadt2, vertreten wird.

Nach Anforderung des Gerichtskostenvorschusses unter dem 22.11.2010 und Eingang des Vorschusses am 16.12.2010 erfolgte am 4.1.2011 e...

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