I. Rechtsnatur und Beschlussgegenstände.

1. Rechtsnatur.

 

Rn 13

Gesellschafterbeschlüsse sind mehrseitige Rechtsgeschäfte aus einer Vielzahl empfangsbedürftiger Willenserklärungen durch Stimmabgabe. Die Stimmabgabe ist gestaffelt möglich, mit der letzten Stimmabgabe ist der Beschl gefasst (Köln NZG 98, 767, 768). Die Willenserklärungen zur Stimmabgabe haben rechtsgeschäftlichen Charakter, auch wenn sie nicht auf Änderung des Gesellschaftsvertrages, sondern – wie meist – nur auf die interne Willensbildung der Gesamthand (vgl BGHZ 65, 93, 97) zielen. Aus dem rechtsgeschäftlichen Charakter der Willenserklärungen folgt, dass die allg Vorschriften des Schuldrechts (§§ 104 ff) auf Gesellschafterbeschlüsse anzuwenden sind. Auf die Vertretung von Gesellschaftern bei der Stimmabgabe ist § 181 anwendbar (BGHZ 112, 339, 340 ff; s § 181 Rn 8).

2. Beschlussgegenstände.

 

Rn 14

Beschlussgegenstände betreffen insb folgende Fallgruppen: 1) Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen; 2) Grundlagengeschäfte, insb Änderungen des Gesellschaftsvertrags (Rn 2); 3) Entscheidungen über die interne Organisation und Willensbildung wie zB Bilanzfeststellung, Gewinnverwendung und Entlastung; 4) weitere durch Gesellschaftsvertrag bestimmte Maßnahmen wie zB Wahl eines Beirats. Grds sind alle Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen, doch werden die Mehrheitsanforderungen in der Praxis durch Gesellschaftsvertrag nach den unterschiedlichen Beschlussgegenständen differenziert (für die Geschäftsführung zB §§ 709 II, 710).

II. Stimmrecht, Stimmverbote.

1. Stimmrecht.

 

Rn 15

Das Stimmrecht folgt aus der Mitgliedschaft und ist höchstpersönlicher Natur. Damit unterliegt es dem Abspaltungsverbot des § 717 (§ 717 Rn 1). Zulässig bleibt aber die Stimmrechtsvollmacht an Mitgesellschafter oder aber bei Zustimmung der Mitgesellschafter (im Gesellschaftsvertrag oder ausdrücklich oder konkludent im Einzelfall) oder bei Verhinderung aus wichtigem Grund auch an Dritte (BGH NJW 70, 706). Ein sachverständiger und der Verschwiegenheitspflicht unterliegender Berater darf nur ausnahmsweise beigezogen werden (LG Köln BB 75, 342; Saenger NJW 92, 348). Durch Gesellschaftsvertrag oder Vereinbarung innerhalb einer Gesellschaftergruppe kann die Poolung der Stimmabgaben einer Gruppe, die dann nur einheitlich abstimmen kann, vorgesehen werden. Die Entscheidung darüber kann durch Mehrheitsentscheid innerhalb der Gruppe fallen (Ddorf NJW-RR 95, 171 [OLG Düsseldorf 06.07.1994 - 17 W 44/94]). Die Stimmbindung ist grds zulässig, entgegen der Rspr (BGH NJW 87, 1890, 1892 [BGH 27.10.1986 - II ZR 240/85]; 83, 1910 f [BGH 20.01.1983 - II ZR 243/81]) wegen des Abspaltungsverbots aber nicht Dritten ggü, es sei denn, sie steht im Zusammenhang mit einer zulässigen Treuhand, Unterbeteiligung oder Nießbrauch (MüKo/Schäfer § 717 Rz 25 ff mwN). Die Stimmbindung unter Gesellschaftern kann durch Leistungsklage (BGH NJW 67, 1963 [BGH 29.05.1967 - II ZR 105/66]) durchgesetzt und durch auf bestimmte Stimmabgabe gerichtete einstweilige Verfügung (Stuttg NJW 87, 2449 [OLG Stuttgart 20.02.1987 - 2 U 202/86]; Hambg NJW 92, 186, 187 [OLG Hamburg 28.06.1991 - 11 U 65/91]) gesichert werden.

2. Stimmverbot.

 

Rn 16

Ein Stimmverbot besteht, soweit durch Gesetz (vgl §§ 712 I 1, 715, 737 2) oder Gesellschaftsvertrag angeordnet. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung kann aber nicht den Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft des betroffenen Gesellschafters (Rn 18) sanktionieren, da hierfür stets die Zustimmung des Betroffenen erforderlich ist (BGH NJW 85, 974 [BGH 05.11.1984 - II ZR 111/84]; Erman/Westermann § 709 Rz 25; MüKo/Schäfer § 709 Rz 63). Daneben besteht in entspr Anwendung gesetzlicher Regelungen im Verbandsrecht (s §§ 34, 47 IV GmbHG, § 136 I AktG) ein Stimmverbot wegen Interessenkollision bei Beschlüssen über die Entlastung oder die Befreiung von einer Verbindlichkeit des betroffenen Gesellschafters oder die Einleitung oder Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen ihn (allgM, vgl nur BGH DStR 12, 1093 [BGH 07.02.2012 - II ZR 230/09] Rz 16; MüKo/Schäfer § 709 Rz 65) bzw den beherrschenden Gesellschafter des betroffenen Gesellschafters (BGH aaO Rz 18). Gleiches gilt, wenn ein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter (-geschäftsführer) wegen gleichgelagerten Verhaltens geltend gemacht wird (BGH aaO Rz 19), und wohl auch bei Beschlüssen über Rechtsgeschäfte mit einem Gesellschafter (dazu MüKo/Schäfer § 709 Rz 67–70). Kein Stimmverbot besteht bei Wahlen oder anderen Beschlüssen, die die innere Organisation betreffen. Bei Stimmverbot ist eine gleichwohl abgegebene Stimme nicht zu berücksichtigen.

III. Mehrheitsbeschlüsse.

1. Formelle Legitimation.

 

Rn 17

Der Gesellschaftsvertrag kann abw vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip bestimmen, dass Entscheidungen der Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden. Für welche Entscheidungen das Mehrheitsprinzip gilt, ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach den allgemeinen Auslegungsregeln gem §§ 133, 157 – bei Publikumsgesellschaften nur durch objektive Auslegung – zu ermitteln (BGH DStR 14, 2403 Rz 15 mwN). Die Mehrheit wird iZw nach Köpfen bestimmt (vgl § 709 II für Geschäftsführungsmaßnahmen). Den seit den 50er Jahren ...

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