Rn 27

Das BGB regelt nur den Erwerb einzelner Forderungen (§§ 398 ff) u die Übernahme einzelner Schulden (§§ 414 ff), nicht aber den Eintritt in ein Vertragsverhältnis als Ganzes. Ein gesetzlicher Vertragsübergang ist in verschiedenen Vorschriften vorgesehen (§§ 566, 613a; ferner § 95 VVG, § 20 I Nr 1 UmwG). Mittlerweile ist jedoch anerkannt, dass auch die Auswechselung einer Vertragspartei durch einheitliches Rechtsgeschäft zulässig ist. Praktische Bedeutung hat die Vertragsübernahme insb beim Unternehmenskauf, bei dem sie den Eintritt des Erwerbers in bestehende Vertragsverhältnisse des Veräußerers ermöglicht.

 

Rn 28

Bsp aus der Rspr für Vertragsübernahmen: Anwaltsmandat (Hamm NJW 11, 1606 [OLG Hamm 22.02.2011 - I-28 U 49/10]), Arbeitsvertrag (BAG NJW 73, 822), Bierbezugsvertrag (BGH NJW 98, 2286 [BGH 15.04.1998 - VIII ZR 377/96]; NJW-RR 93, 562), Elektrizitätsversorgungsvertrag (BGH NJW 61, 453), Eintritt des Leasinggebers in den vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaufvertrag (BGHZ 96, 302 ff), Gas- bzw Heizenergieversorgungsvertrag (BGH NJW 12, 1718; NJW-RR 19, 977), Mietvertrag (BGH NJW 78, 2504; 98, 531; MDR 05, 920), Pachtvertrag (BGH LM Nr 16 zu § 581), Personengesellschaftsvertrag (BGHZ 44, 229 ff), Versicherungsvertrag (Dresd NJW-RR 18, 1185), Sukzessivlieferungsvertrag (BGH WM 73, 489).

 

Rn 29

Die Vertragsübernahme bedarf der Mitwirkung aller Beteiligten. Sie kann entweder durch dreiseitigen Vertrag (BGHZ 65, 49, 52 f; 142, 23, 30 f; NJW 99, 2664) oder durch einen Vertrag zwischen zwei Beteiligten, der dann durch den Dritten genehmigt wird, herbeigeführt werden (BGHZ 72, 394, 398; MDR 05, 920; NJW-RR 19, 977, 979; aA Erman/Röthel vor § 414 Rz 4, 7). Die Zustimmung kann auch im Voraus erteilt werden (BGH NJW-RR 19, 977, 979 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 250/17]), in AGB ist allerdings § 309 Nr 10 zu beachten; vgl zur unangemessenen Benachteiligung iSd § 307 (§ 9 AGBG aF) durch die Nachfolgeklausel in einem Bierlieferungsvertrag ferner BGH NJW 98, 2286 [BGH 15.04.1998 - VIII ZR 377/96]. Fehlt die erforderliche Zustimmung des verbleibenden Vertragsteils, so kann die in der Vertragsübernahme enthaltene Abtretung dennoch wirksam sein (BGH NJW 10, 1074, 1075 [BGH 30.10.2009 - V ZR 42/09]). Die Vereinbarung über die Vertragsübernahme bedarf der für den zu übernehmenden Vertrag vorgesehenen Form (BGHZ 72, 394, 396 ff), die Zustimmung des nicht an der Vereinbarung Beteiligten ist allerdings formfrei möglich (BGH DtZ 96, 56, 57; NJW 03, 2158, 2160; MDR 05, 920). Verbraucherschützende Vorschriften gelten auch zugunsten des Übernehmers, selbst wenn dieser kein Verbraucher ist (BGHZ 129, 371, 376). Umgekehrt kann der Übernehmer, der Verbraucher ist, sich hinsichtlich der Vertragsübernahme auf Verbraucherschutzbestimmungen auch berufen, wenn der übernommene Vertrag nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fällt (BGHZ 142, 23, 28 ff; Röthel/Heßeler WM 08, 1001, 1004 ff). Die Anfechtung des Vertrages muss ggü allen Beteiligten erklärt werden (BGHZ 96, 302, 309; Wagemann AcP 205, 547, 572 f; aA Dörner NJW 86, 2916 ff). Eine Arglistanfechtung nach § 123 kommt nur in Betracht, wenn die Täuschung beiden Erklärungsempfängern zuzurechnen ist. Hat nur einer getäuscht, so muss daher der andere die Täuschung gekannt oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gekannt haben (BGH NJW 98, 531 [BGH 03.12.1997 - XII ZR 6/96]; aA MüKo/Kieninger § 398 Rz 189). Die Unwirksamkeit der Vertragsübernahme kann nur auf Mängel des Übernahmevertrages gestützt werden, nicht aber auf Mängel des Grundgeschäfts, da die Vertragsübernahme als Verfügung abstrakt ist (Grüneberg/Grüneberg § 398 Rz 44).

 

Rn 30

Die §§ 398 ff, 414 ff sind entspr anwendbar. Insb stehen der verbleibenden Partei gem § 404 die gg die ausgeschiedene Vertragspartei begründeten Einwendungen auch weiterhin zu, der Übernehmer kann sich seinerseits auf § 417 berufen. Die §§ 406–410 laufen dagegen weitgehend leer, da die verbleibende Vertragspartei idR von der Übernahme Kenntnis erlangt. Bedeutung haben die genannten Vorschriften jedoch bei einer im Voraus erklärten Zustimmung (MüKo/Kieninger § 398 Rz 188). Scheitert eine Vertragsübernahme an der fehlenden Genehmigung des Dritten, ist der Übernehmer entspr 415 III 2 verpflichtet, den ausscheidungswilligen Vertragspartner aus dem mit ihm fortbestehenden Vertragsverhältnis freizustellen (BGH NJW 12, 1718 [BGH 01.02.2012 - VIII ZR 307/10]). § 418 ist ebenfalls anwendbar (Hamm NJW-RR 91, 48, 49 f).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge