Leitsatz (amtlich)

Wird dem Mandanten bei der Auflösung einer Anwaltssozietät in einem Mandantenrundschreibens gem. § 32 BORA angeboten, dass das Mandat in einer neugegründeten Sozietät von der bisherigen Mandatsbearbeiterin fortgeführt werden kann, und bittet der Mandant diese daraufhin, das Mandat weiter zu betreuen, ist in der Regel keine Mandatskündigung gewollt, sondern eine Vertragsübernahme des Anwaltsvertrags durch die Neusozietät.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 627, 628 Abs. 1, § 812; BORA § 32; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 26.02.2010; Aktenzeichen 3 O 496/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.2.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Dortmund unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage und die Drittwiderklage bleiben abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen sie selbst zu ½ und der Beklagte zu ½. Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen er selbst zu ½ und die Klägerin zu ½. Die Kosten des Streithelfers der Klägerin trägt dieser selbst zu ½ und zu ½ der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt aus abgetretenem Recht eines Rechtsschutzversicherungsunternehmens (Drittwiderbeklagte) einen früheren Sozius einer mittlerweile aufgelösten Anwaltssozietät auf Rückzahlung einer als Vorschuss entrichteten Terminsgebühr in Anspruch.

Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem Tierarzt mandatierte die Klägerin im September 2007 eine Anwaltssozietät in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die drei Namensgeber hatte (nachfolgend: Altsozietät). Der Beklagte war erster Namensgeber, zweiter Namensgeber war der Streithelfer der Klägerin, dritter Namensgeber war ein weiterer Rechtsanwalt. Auf dem Briefkopf der Altsozietät war zusätzlich eine Rechtsanwältin aufgeführt. Diese war Mandatsbearbeiterin im Vorprozess und ist nunmehr Sachbearbeiterin des von der Klägerin geführten Rückforderungsprozesses.

Die Altsozietät erhob im Vorprozess im Namen der Klägerin im Frühjahr 2008 eine Schadensersatzklage gegen den Tierarzt (12 O 353/08 - LG Münster). Der Rechtsschutzversicherer entrichtete Gebührenvorschüsse an die Altsozietät. Auf die - zu dieser Zeit noch nicht entstandene - Terminsgebühr, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, entfielen 2.930,26 EUR brutto.

Im Sommer 2008 kam es zur Trennung zwischen dem ersten Namensgeber und den übrigen Sozien. Über ein gemeinsames Mandantenrundschreiben konnten die Sozien sich nicht verständigen. Im Rahmen einer Mandantenbefragung erhielt die Klägerin ein von der Mandatsbearbeiterin unterzeichnetes Rundschreiben vom 28.7.2008, das im Wesentlichen wie folgt lautete:

"... ich zeige an, dass ich zum 31.8.2008 die ... [Altsozietät]... verlassen werde. Gemeinsam mit den Kollegen [zweiter und dritter Namensgeber der Altsozietät]... gründe ich zum 1.9.2008 ein neues Anwaltsbüro, das vom 1.9.2008 an wie folgt zu erreichen sein wird:

... [es folgen Name, Anschrift und Telefonnummer der Neusozietät]...

Nach § 32 der Berufsordnung der Rechtsanwälte sind alle Mandanten zu befragen, wer künftig nach der Trennung ihre noch laufenden Mandate bearbeiten soll. Sollten Sie wünschen, dass die Unterzeichnerin das oben bezeichnete Mandat in ihrem neuen Büro weiterhin für Sie fortführt, bitte ich Sie höflich um Ihre kurze schriftliche Bestätigung. Diese sollte enthalten, dass die Unterzeichnerin die Sache über den 31.8.2008 hinaus bearbeiten soll ... Ohne Erklärung müssen Sie damit rechnen, dass Ihre Angelegenheit vom 1.9.2008 an von einem anderen Rechtsanwalt (Herrn Rechtsanwalt Dr ... [Beklagter] oder einem neu in die Sozietät eintretenden Anwalt) bearbeitet werden wird.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass Ihnen durch die weitere Bearbeitung der Sache durch die Unterzeichnerin in ihrem Büro keine zusätzlichen Kosten entstehen."

Die Formulierung "keine zusätzlichen Kosten" war fett gedruckt und unterstrichen. Der Beklagte erhob mit Schreiben vom 1.8.2008 Vorwürfe gegen seine damaligen Kollegen, weil sie "heimlich" Mandanten angeschrieben hätten. Er erklärte, dass er Rückantworten der Mandanten als "schlüssige Mandatskündigung" interpretieren werde.

Mit einem an die Mandatsbearbeiterin adressierten Telefaxschreiben vom 13.8.2008 antwortete die Klägerin auf das Mandantenrundschreiben wie folgt:

"Sehr geehrte Frau ... [Mandatsbearbeiterin],

Möchte Sie hiermit bitten, meine Unterlagen ... [Klägerin./. Tierarzt]... auch in Zukunft weiter zu betreuen."

Zum 31.8.2008 schieden drei Rechtsanwälte aus der Altsozietät aus und gründeten die Neusozietät, nachdem sie Akten der Altsozietät an sich genommen hatten. Die Neusozietät meldete sich noch am 31.8.2008 im Rechtsstreit gegen den Tierarzt und teilte dem LG Münster mit, dass das bisherige Mandat...

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