Gesetzestext

 

(1) Soll die Leistung an den Dritten nach dem Tode desjenigen erfolgen, welchem sie versprochen wird, so erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Versprechensempfängers.

(2) Stirbt der Versprechensempfänger vor der Geburt des Dritten, so kann das Versprechen, an den Dritten zu leisten, nur dann noch aufgehoben oder geändert werden, wenn die Befugnis dazu vorbehalten worden ist.

A. Funktion und Problematik.

 

Rn 1

Die wesentliche Bedeutung des § 331 liegt in I. Dieser stellt seinem Wortlaut nach nur eine Vermutung für den Zeitpunkt auf, zu dem der Dritte das ihm zugewendete Recht erwerben soll: Wird die Leistung erst nach dem Tod des Versprechensempfängers fällig, soll der Dritte seinen Anspruch auch erst mit diesem Tod erwerben. Er hat also vorher noch keine Rechtsstellung, die er seinerseits vererben könnte (MüKo/Gottwald Rz 1). Doch vgl jetzt § 159 III VVG.

 

Rn 2

Viel wichtiger als diese Vermutung ist aber eine andere Folgerung, welche die hM und insb eine stRspr aus I zieht: Der Erwerb des Dritten vollziehe sich nach Schuldrecht, nicht nach Erbrecht. Daher brauche bei schenkweiser Zuwendung die Form von § 2301 nicht eingehalten zu werden; der Anspruch bleibe außerhalb des Nachlasses (so etwa BGHZ 41, 95, 96 mN; 157, 79, 82 ff; MüKo/Gottwald Rz 4; Grüneberg/Grüneberg Rz 1; zur ›Schenkungslösung‹ auch Wall ZEV 11, 3).

 

Rn 3

Gegen diese hM sprechen mehrere starke Gründe (vgl Medicus/Petersen BürgR Rz 396 f). Denn sie höhlt die Formstrenge des Erbrechts aus und macht es möglich, Zuwendungen an eine andere Person durch mündliche Vereinbarung des Erblassers mit einem Dritten zu bewirken. Va aber stört sie die Rangfolge der Nachlassverbindlichkeiten gem den §§ 39, 325 ff InsO: Der durch § 331 Begünstigte geht sogar den Pflichtteilsberechtigten vor, die sich erst über die §§ 2325, 2329 behelfen müssen. Endlich führt die Rückabwicklung über das Valutaverhältnis (u. Rn 7) zu Zufallsergebnissen.

 

Rn 4

BGHZ 66, 8, 12 f sieht diese Bedenken allerdings und räumt auch ein, das Gesetz habe die Abgrenzung ggü § 2301 nicht eindeutig geregelt (vgl weiter BGHZ 98, 226, 232 f). Zwar nimmt der BGH für seine Lösung noch nicht den Rang von Gewohnheitsrecht in Anspruch. Aber er sieht in der Rspr einen ›Vertrauenstatbestand, den zu beseitigen sich nur aus ganz schwerwiegenden Gründen rechtfertigen ließe‹ (BGHZ 66, 8, 13). Weil danach eine Änderung der Rspr kaum zu erwarten ist, basiert die folgende Kommentierung auf diesem Ansatz.

B. Grundsatz, I.

I. Die Auslegungsregeln.

 

Rn 5

Dass der Dritte im Zweifel den Anspruch erst mit dem Tod des Versprechensempfängers erwerben soll (vgl o Rn 1), setzt zunächst voraus, dass überhaupt ein echter Vertrag zugunsten Dritter beabsichtigt ist. Das muss nach § 328 II entschieden werden (vgl § 328 Rn 13). Dabei kann ggf die Auslegungsregel von § 330 helfen. Soweit I eingreift, hat der Dritte vor dem Tod nur eine rechtlich ungesicherte Chance. Insb können die Vertragsparteien seine künftige Berechtigung wieder einschränken oder ganz aufheben (s dazu Saarbrücken MDR 12, 1357 [OLG Saarbrücken 13.09.2012 - 8 U 581/10-162]; Dresden NJW-RR 21, 1573 [OLG Dresden 01.07.2021 - 8 U 276/21]; MüKo/Gottwald Rz 1); allerdings kann der Dritte dann Auskunft verlangen (BGH NJW 82, 1807, 1808 [BGH 19.02.1982 - V ZR 234/81]).

II. Das schuldrechtliche Behaltendürfen.

 

Rn 6

Ebenso wie bei § 330 (vgl § 330 Rn 4) bedarf der Erwerb des Anspruchs gegen den Versprechenden (und des daraufhin Erlangten) eines Rechtsgrundes. Bei unentgeltlicher Zuwendung ist also im Valutaverhältnis ein Schenkungsvertrag nötig (zur Möglichkeit eines Vermächtnisses Strobel ZEV 19, 505). Das bereitet keine Schwierigkeit, wenn eine entspr Einigung zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten vor dem Tod stattgefunden hat. Ein Formmangel wird durch den Rechtserwerb des Dritten geheilt, § 518 II.

 

Rn 7

Schwierigkeiten entstehen dagegen, wenn eine lebzeitige Vereinbarung fehlt, etwa weil der Versprechensempfänger dem Begünstigten ggü geschwiegen hat. Hier kann man zwar in der späteren Mitteilung durch den Versprechenden einen durch Boten übermittelten Schenkungsantrag des Versprechensempfängers sehen (§ 130 II). Auf die Erklärung der Annahme könnte nach § 151 verzichtet worden sein. Aber bis zum Zugang des Schenkungsantrags könnte dieser durch die Erben widerrufen werden, § 130 I 2 (BGH NJW 75, 382, 383 f [BGH 30.10.1974 - IV ZR 172/73]). Freilich ist den Erben ein solcher Widerruf nur möglich, wenn sie rechtzeitig von dem noch nicht zugegangenen Antrag erfahren. Das führt zu der in Rn 3 gerügten Zufälligkeit (vgl auch MüKo/Gottwald Rz 11).

C. Nasciturus, II.

 

Rn 8

Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass dem noch nicht geborenen (auch nicht einmal gezeugten) Dritten die Rechtsfähigkeit fehlt. Er kann also zunächst entgegen I das Recht auf die Leistung nicht erwerben. Wie dieser Schwebezustand dogmatisch zu erfassen ist, muss zweifelhaft bleiben (vgl MüKo/Gottwald Rz 13). Jedenfalls aber schützt II die Erwerbsaussicht ebenso, wie wenn der Dritte schon geboren wäre. Nach §§ 1810, 1882 soll für die Zwischenzeit ein Pfleger bestellt werden (Grüneberg/...

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