Rn 5

Will der Gläubiger wegen Verletzung der Pflicht hinsichtlich einer Leistung seinen Schaden, dh sein Erfüllungsinteresse, geltend machen, dann muss er nach § 281 I 1 zunächst erfolglos eine angemessene (Nach-)Frist gesetzt haben (generell zum Nachfristmodell Wolf/Lange FS Kilian, 801–815 sowie Dubovitskaya JZ 12, 328 ff). Die Fristsetzung soll dem Schuldner vor Augen führen, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erbringen kann (BGH NJW 15, 2564 [BGH 18.03.2015 - VIII ZR 176/14] Rz 11). Technisch dient sie einerseits der Vorbereitung des Übergangs zum Schadensersatzanspruch und begrenzt andererseits das Recht des Schuldners zur zweiten Andienung (s § 280 Rn 40). Wegen dieser Begrenzung wirkt die Frist auch zum Nachteil des Gläubigers, der eine mehr als angemessen lange Frist gesetzt hat, die konstitutiv wirkt und vor deren Ablauf er weder zum Schadensersatz übergehen, noch eine Vertragsaufhebung erklären kann (Dubovitskaya JZ 12, 328, 330; Staud/Otto/Schwarze § 281 Rz B 45). Dies gilt erst recht, wenn es einer Fristsetzung wegen deren Entbehrlichkeit nicht bedurft hätte (BGH NJW 10, 1284 [BGH 08.12.2009 - XI ZR 181/08] Rz 33). Kein Fristsetzungserfordernis besteht bei Schadensersatzansprüchen statt der Leistung wegen unterbliebener Bereitstellung (§ 327c II 2) oder Mangelhaftigkeit (§ 327m III 1) digitaler Produkte (zum Anwendungsbereich s § 327) sowie Mangelhaftigkeit von Kaufsachen bei Verbrauchsgüterkaufverträgen (§ 475d II). An seine Stelle tritt die Aufforderung zur Bereitstellung, der der Schuldner unverzüglich nachkommen muss (§ 327c I) bzw das Nacherfüllungsverlangen, dem der Schuldner in angemessener Frist nachkommen muss (§ 327l I 2 bzw § 475d I Nr 1). S hierzu Rn 2.

 

Rn 6

Bei der Fristsetzung handelt es sich um eine geschäftsähnliche Erklärung, auf die die §§ 104 ff Anwendung finden; sie ist im Blick auf die mögliche Konstitutivität (Rn 5) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft iSv § 107 (aA 7. Aufl sowie Grüneberg/Grüneberg § 281 Rz 9). Die Erklärung des Gläubigers muss den betroffenen Anspruch hinreichend genau bezeichnen (Huber/Faust 118). Die Fristsetzung muss hinreichend bestimmt eine Frist mit zumindest berechenbarem Ende bezeichnen – mehrfaches oder ständiges Mahnen genügt nicht; ausnahmsweise soll die Aufforderung zu ›unverzüglicher Leistung‹ genügen können (RGZ 75, 354, 357). Derartige Fälle sollten jedoch unter § 281 II Alt 2 als solche der Entbehrlichkeit der Frist behandelt werden (s Rn 19, Rn 20). Die vom BGH vertretene Gegenauffassung (BGH NJW 09, 3153 [›umgehende Mängelbeseitigung‹]; BGH NJW 16, 3654 [BGH 13.07.2016 - VIII ZR 49/15] [Bitte um ›schnelle Behebung‹]; ihm folgend Dubovitskaya JZ 12, 328, 330 ff) entspricht – va im Blick auf den Schutz des Rechts zur zweiten Andienung – nicht dem Regelungszweck.

 

Rn 7

Eine Fristsetzung vor Fälligkeit ist grds unwirksam (NK/Dauner-Lieb § 281 Rz 22); unschädlich ist jedoch, wenn mit der Fristsetzung zugleich die Fälligkeit begründet wird (Derleder/Zänker NJW 03, 2777, 2778). Daher muss es dem Gläubiger auch möglich sein, vor Fälligkeit eine Frist so zu setzen, dass sie innerhalb angemessener Zeit nach Fälligkeit endet. Zulässig ist es außerdem, im Falle einer Leistungsverweigerung vor Fälligkeit (s § 280 Rn 17) die fristbewehrte Aufforderung an den Schuldner, seine Leistungsbereitschaft zu erklären (s BGH NJW 83, 989, 990 [BGH 21.10.1982 - VII ZR 51/82]); im Blick auf § 281 II Alt 1 (s.u. Rn 13), ist diese jedoch für die Ersatzfähigkeit des Schadens weder erforderlich noch schädlich. Auf eine Durchsetzbarkeit des mit der Pflicht verbundenen Erfüllungsanspruchs kommt es hingegen nicht an (aA Herresthal Jura 08, 561), soweit die Pflicht nicht selbst berührt wird (BGH NJW 13, 1431 [BGH 07.03.2013 - VII ZR 162/12] Rz 20 [§ 320]). Die Fristsetzung ist – unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II 1 N Rn 13 ZPO – auch dann beachtlich, wenn sie erst im Berufungsrechtszug erfolgt (BGH NJW 09, 2532 [BGH 20.05.2009 - VIII ZR 247/06]).

 

Rn 8

Die gesetzte Frist muss angemessen sein. Die Angemessenheit richtet sich in erster Linie nach der Parteivereinbarung, soweit das Angemessenheitskriterium – wie etwa nach § 475 I – nicht als solches zwingend ist (BGHZ 12, 267, 269 f; BGH NJW 16, 3654 Rz 36). Die angemessene Länge hängt im Übrigen von den Umständen, insbes vom Inhalt der Pflicht und der Art ihrer Verletzung ab; diese Maßstäbe sind objektive (BGH NJW 85, 2640, 2641). Da die Frist nur die letzte Gelegenheit sein soll, die Erfüllung zu vollenden, ist die Nachfrist keine ›Ersatzleistungsfrist‹ (BGH NJW 85, 855, 857 [BGH 06.12.1984 - VII ZR 227/83]; 85, 2640 [BGH 21.06.1985 - V ZR 134/84]; 85, 320, 323 [BGH 31.10.1984 - VIII ZR 226/83]), sondern ›letzte Chance‹ (BGH NJW 05, 1348, 1350 [BGH 23.02.2005 - VIII ZR 100/04]). Bei der Prüfung der Angemessenheit der Fristsetzung kann aber ins Gewicht fallen, dass zuvor Gläubigerverzug bestand; der Schuldner muss sich nicht ständig in gleicher Weise leistungsbereit halten (BGH NJW 07, 2761 [...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge