Gesetzestext

 

(1) Für einen Rücktritt wegen eines Mangels der Ware bedarf es der in § 323 Absatz 1 bestimmten Fristsetzung zur Nacherfüllung abweichend von § 323 Absatz 2 und § 440 nicht, wenn

1. der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat,
2. sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt,
3. der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist,
4. der Unternehmer die gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder
5. es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

(2) 1Für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Mangels der Ware bedarf es der in § 281 Absatz 1 bestimmten Fristsetzung in den in Absatz 1 bestimmten Fällen nicht. 2§ 281 Absatz 2 und § 440 sind nicht anzuwenden.

A. Grundsätzliches.

I. WKRL; Zweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift setzt Art 13 IV WKRL in nationales Recht um. § 475d regelt, wann eine Fristsetzung für Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung entbehrlich ist. Er weicht insoweit von §§ 281 II, 323 II, 440 ab u verdrängt diese in seinem Anwendungsbereich aufgrund seines abschließenden Charakters (BTDrs 19/27424, 35; Weiß ZVertriebsR 21, 208, 215). Dies ist notwendig, weil insb § 323 I, II von der WKRL abweicht (Schulze/Saenger Rz 1).

II. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

IGgs zu den vorangegangenen Vorschriften findet § 475d auf alle Verbrauchsgüterkäufe Anwendung und nicht nur auf solche über Waren mit digitalen Elementen. Er modifiziert die im allg Schuldrecht geregelten Voraussetzungen für Rücktritt und Schadensersatz für Verbrauchsgüterkaufverträge ab dem 1.1.22. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge gilt die alte Rechtslage fort, s Kommentierung 16. Aufl.

B. Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei Rücktritt (Abs 1).

I. Allgemeines.

 

Rn 3

I legt fest, wann es bei einem Rücktritt keiner Fristsetzung seitens des Verbrauchers bedarf u dieser damit iRd Gewährleistung von Nacherfüllungsverlangen zu Rücktritt und Minderung übergehen kann (BTDrs 19/27424, 36). § 475d I spricht ausdr zwar nur vom Rücktritt, aufgrund der Akzessorietät (vgl § 441 I 1 ›statt‹) gelten die Regelungen aber mittelbar auch für das Minderungsrecht (Lorenz NJW 21, 2065, 2071). Entspr den allg Regeln muss dem Unternehmer grds eine angemessene Frist gesetzt werden (vgl §§ 281 II, 323 II, 440; im Grds auch WKRL Erw 50). Art 13 IV stellt jedoch Ausnahmen auf, in denen der Verbraucher sofort zur zweiten Stufe der Gewährleistung übergehen kann (s WKRL Erw 52). Daher kann an dem Fristsetzungserfordernis in diesen Fällen im Verbrauchsgüterkauf nicht mehr festgehalten werden (BTDrs 19/27424, 36). Zu beachten ist, dass nur § 323 I u II modifiziert werden, die übrigen Abs sind auch auf Verbrauchsgüterkaufverträge anwendbar u entspr sogar den vollharmonisierenden Regelungen der RL (Art 13 V, VII, 16 II). Die einzelnen Ziff des I wurden Art 13 IV lit a–d WKRL entnommen. Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs wird an dem grds Erfordernis der Fristsetzung festgehalten; dort kann nur in den bekannten Fällen der §§ 281 II, 323 II, 440 darauf verzichtet werden.

II. Nichtvornahme der Nacherfüllung innerhalb angemessener Frist (Nr 1).

 

Rn 4

Fristbeginn ist die Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher (Lorenz NJW 21, 2065, 2071; s aber Eckhoff/Bubinger RAW 22, 16, 21; Jaensch jM 22 134, 138: Beim Bestehen eines Wahlrechts iSd § 439 I muss sich der Käufer zunächst für eine Art der Nacherfüllung entscheiden, um die Frist in Gang zu setzen; aA BeckOKBGB/Faust Rz 12: Maßgeblich ist die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs), die Dauer hängt vom Einzelfall ab, wobei wohl auf die Gedanken zu § 323 I zurückgegriffen werden kann (BTDrs 19/27424, 36), s dort. Unschädlich ist, wenn der Verbraucher trotz der insow nun fehlenden Notwendigkeit (s Rn 3) eine Frist zur Nacherfüllung setzt und nach deren Ablauf zurücktritt. Entscheidend ist nur, dass der Vertrag erst nach Ablauf einer solchen Frist beendet wird u nicht früher (BTDrs 19/27424, 36); davon zu unterscheiden ist die fälligkeitsbegründende Wahl des Verbrauchers zwischen den Alternativen der Nacherfüllung, soweit erforderlich muss diese weiterhin erklärt werden (Lorenz NJW 21, 2065, 2071; Kupfer/Weiß ZVertriebsR 21, 21, 24); denkbar ist bspw, dass die Frist erst mit Ausübung des Wahlrechts zu laufen beginnt (Weiß ZVertriebsR 21, 208, 215). Nach dem Wortlaut von Nr 1 räumt die vorgenommene Nacherfüllung, die erst nach Ablauf einer angemssenen Frist erfolgt ist oder mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden war dem Verbraucher überhaupt kein Rücktritts- bzw Minderungsrecht ein (vgl auch § 475 V, s dort Rn 9, § 441 Rn 3). Dies ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers (BTDrs 19/27424, 36) und der Verbraucher ist auf die Möglichkeiten beschränkt, die Nacherfüllung abzulehen u ggf Schadensersatz zu verlangen (BTDrs 19/27424, 37; Grüneberg/Weidenkaff Rz 3). Nr 1 führt gewissermaßen zur Abschaffung des Fristsetzungserfordernisses im gesamten Verbrauchsgüter...

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