Gesetzestext

 

Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

A. Normzweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Schutzzweck des § 107 ist es, den Minderjährigen vor nachteiligen Folgen seines eigenen rechtsgeschäftlichen Handelns zu bewahren. Aus diesem Grund ist die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters für solche Willenserklärungen erforderlich, die sein Vermögen belasten. Unmittelbar gilt § 107 nur für Willenserklärungen des Minderjährigen. Auf geschäftsähnliche Handlungen ist § 107 entspr anwendbar (Rostock ZfSch 11, 393). Teilweise wird § 107 auch auf die Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff entsprechend angewendet, da es sich nicht um die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft, sondern um eine Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen handele (BRHP/Wendtland Rz 2). Richtigerweise sollte § 107 jedoch nur bei vermögenswerten Rechtsgütern angewendet werden (MüKo/Spickhoff Rz 9; Staud/Klumpp Vor §§ 104–115 Rz 100). Nach dem Grundgedanken des § 630d, der auf den einwilligungsfähigen Patienten abstellt, kann und muss der Minderjährige selbst einwilligen, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag (BGHZ 29, 33, 36; Roßner NJW 90, 2292; Spickhoff FamRZ 18, 422). Neben der Einwilligung des Minderjährigen für den Eingriff in ein höchstpersönliches Rechtsgut wird teilweise aufgrund des Personensorgerechts die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gefordert, jedenfalls sofern sie ohne Gefahr für Leben und Gesundheit des Minderjährigen zu erlangen ist (Soergel/Hefermehl Rz 19; Hauck NJW 12, 2400). Ansonsten genügt bei ausreichender Verstandesfähigkeit die Einwilligung des Minderjährigen (BGHZ 29, 33, 36). Fehlt diese, ist eine Entscheidung des Familiengerichts nach § 1666 einzuholen.

B. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

 

Rn 2

Einwilligung ist die vor oder gleichzeitig mit der Willenserklärung des Minderjährigen erteilte Zustimmung (RGZ 130, 124, 127). Sie ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die sowohl ggü dem Minderjährigen als auch ggü dem anderen Teil erklärt werden kann (§ 182 I). Sie bedarf keiner Form, auch wenn das Rechtsgeschäft formbedürftig ist (§ 182 II) und kann bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts grds frei widerrufen werden (§ 183 2). Sie kann auch konkludent erfolgen, etwa durch Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters beim einwilligungsbedürftigen Rechtsgeschäft (gemeinsame Veräußerung eines Grundstücks RGZ 130, 124, 128).

 

Rn 3

Die Einwilligung kann sich auf ein konkretes, einzelnes Rechtsgeschäft oder eine einzelne Willenserklärung (Spezialeinwilligung) aber auch auf einen Kreis von zunächst noch nicht individualisierbaren Rechtsgeschäften (Generaleinwilligung) beziehen (BGH NJW 77, 622; FamRZ 77, 44). Dies ist sinnvoll in den Fällen des § 110 und wird in den Fällen der §§ 112, 113 sogar durch die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs gefordert. Im Interesse des Minderjährigenschutzes darf die Einwilligung aber nicht über die dort anerkannten Fälle hinaus zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit führen (BGHZ 47, 352, 359). Eine unbeschränkte Generaleinwilligung in sämtliche Rechtsgeschäfte des Minderjährigen ist unzulässig. Der Umfang der erteilten Einwilligung ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach hM richtet sich diese nach objektiven Kriterien (BGHZ 47, 352, 359; Grüneberg/Ellenberger Rz 9; Soergel/Hefermehl Rz 14; Staud/Klumpp Rz 89). ZT wird dagegen auf das Innenverhältnis zwischen dem gesetzlichen Vertreter und dem Minderjährigen abgestellt (Pawlowski JuS 67, 304; MüKo/Spickhoff Rz 24). In jedem Fall ist die Einwilligung im Interesse eines effektiven Minderjährigenschutzes im Zweifel eng auszulegen. Dies gilt insb für die Frage, inwieweit die Einwilligung für ein Hauptgeschäft auch Folgegeschäfte erfasst: so umfasst die Einwilligung zur Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung am Wohnort des gesetzlichen Vertreters im Zweifel nicht die Einwilligung in die Anmietung einer Wohnung (LG Mannheim NJW 69, 239 [LG Mannheim 30.10.1968 - 6 S 66/68]). Bei Ausbildung in einer anderen Stadt ist diese hingegen typischerweise enthalten. Die (wegen der fehlenden rechtlichen Nachteile nicht erforderliche) Einwilligung in eine Verlobung und die Aufnahme eines Anschaffungsdarlehens enthält nicht ohne weiteres die Zustimmung zum Kauf der Wohnungseinrichtung auf Kredit (LG Berlin JR 70, 346). Die Einwilligung in den Erwerb des Führerscheins beinhaltet nicht die Einwilligung in den Kauf oder die Anmietung eines Kfz (BGH NJW 73, 1790 [BGH 19.06.1973 - VI ZR 95/71]; Hamm NJW 66, 2357 [OLG Hamm 28.01.1966 - 4 U 211/65]; Celle NJW 70, 1850 [OLG Celle 29.01.1970 - 5 U 144/69]; aA Hamm NJW 61, 1120; Köln MDR 62, 474). Dies ist wegen der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters zT nur bei § 7 II StVZO bedeutsam, wird aber durch den neuen Führerschein ab 17 Jahren möglicherweise wieder an Brisanz gewinnen. Die Einwilligung in den Erwerb eines Kfz erstreckt sich regelmäßig auf den Ab...

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