Gesetzestext

 

(1) 1Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. 2Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf.

(2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter zurückgenommen oder eingeschränkt werden.

(3) 1Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Minderjährigen durch das Familiengericht ersetzt werden. 2Das Familiengericht hat die Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse des Mündels liegt.

(4) Die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen derselben Art.

A. Normzweck und Bedeutung.

 

Rn 1

Die Vorschrift erweitert die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen für den Bereich seines Arbeits- und Dienstverhältnisses. Durch die Ermächtigung zur Aufnahme eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses wird der Minderjährige für die mit diesem einhergehenden Rechtsgeschäften von den Beschränkungen der §§ 107 ff befreit. Auch nach der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters hat § 113 weiterhin praktische Bedeutung. Für den Betreuten gilt § 113 entspr wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist (§ 1825 I 2). Nach Sinn und Zweck kann § 113 aber im konkreten Fall ausgeschlossen sein (LArbG Berlin RdLH 07, Nr 3, 33: Kündigung).

B. Regelungsgehalt.

I. Ermächtigung.

 

Rn 2

Die Ermächtigung der gesetzlichen Vertreter ist als einseitige empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung ggü dem Minderjährigen abzugeben. Sie kann von dem gesetzlichen Vertreter jederzeit zurückgenommen oder eingeschränkt werden (II). Im Unterschied zu § 112 bedürfen die Ermächtigung, ihre Einschränkung sowie ihre Rücknahme nicht der Genehmigung des Familiengerichts. Diese ist nur ausnahmsweise bei auch für den gesetzlichen Vertreter genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften erforderlich (I 2).

II. Umfang.

 

Rn 3

Die Ermächtigung umfasst alle Dienst- und Arbeitsverträge, aber auch Werkverträge. Auf die Art der Tätigkeit (selbstständig oder unselbstständig) kommt es nicht an. Die Tätigkeit eines Handelsvertreters fällt sowohl unter § 112 als auch unter § 113 (BAG NJW 64, 1641 [BAG 20.04.1964 - 5 AZR 278/63]). Lehrverträge sind keine Dienst- oder Arbeitsverträge iSd Vorschrift, da hier der Ausbildungs- und Erziehungszweck überwiegt (LAG Kiel BB 55, 997; LAG Ddorf AP Nr 1 zu HandwO § 21; Soergel/Hefermehl § 113 Rz 3). Auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse findet § 113 entspr Anwendung (BVerwGE 34, 168; OVG Münster NJW 62, 758). Der Umfang der Rechtsgeschäfte, zu denen der Minderjährige ermächtigt ist erfasst alle Rechtsgeschäfte, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen. Dazu gehören die Eingehung und Aufhebung eines Dienst- und Arbeitsverhältnis einschl sonstiger Nebenabreden sowie die gesamte Vertragsabwicklung. Der Minderjährige kann den Lohn entgegennehmen, ein zur Lohnzahlung erforderliches Girokonto eröffnen (Capeller BB 61, 454; H P Westermann FamRZ 69, 649; Hagemeister JuS 92, 842), auf Lohn verzichten, mit ihm aufrechnen, ihn stunden oder sich über ihn vergleichen (Soergel/Hefermehl Rz 5). Nicht ermächtigt ist er zur Vereinbarung eines Überziehungskredits (Vortmann WM 94, 967; Kunkel Rpfleger 97, l). Die Ermächtigung umfasst auch den Beitritt zu einer Gewerkschaft (LG Essen AP Nr 3; LG Frankfurt FamRZ 67, 680; Gilles/Westphal JuS 81, 899), nicht aber eine Darlehensaufnahme bei der Gewerkschaft (LG Münster MDR 68, 146 [LG Münster 10.10.1967 - 5 T 500/67]). Minderjährige, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, können nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB X iVm § 36 SGB I selbstständig Anträge auf Sozialleistungen stellen sowie Sozialleistungen entgegennehmen sowie nach § 175 Abs 1 S 3 SGB V wählen, welcher Krankenkasse sie beitreten möchten. Aus dem Rechtsgedanken dieser Regelungen iVm §§ 112, 113 folgt nicht, dass eine zu Werbezwecken in diesem Zusammenhang erfolgende Datenerhebung, in die der Minderjährige eingewilligt hat, stets gerechtfertigt wäre (BGH NJW 14, 2282, 2285 [BGH 22.01.2014 - I ZR 218/12]). Zweifelhaft ist, ob Minderjährige aufgrund der Ermächtigung des § 113 auch den freiwilligen Beitritt zur Sozialversicherung erklären oder einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellen können (dafür Soergel/Hefermehl Rz 4; aA Staud/Klumpp Rz 34; MüKo/Spickhoff Rz 26 mwN mit zutreffendem Hinweis auf die Tragweite einer solchen Entscheidung). Da § 1629a I den § 113 nicht erwähnt, ist zweifelhaft, ob sich die Haftung des Minderjährigen für Verbindlichkeiten auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränkt oder der für § 112 geltende § 1629a II analog anzuwenden ist. Wegen der geringeren Selbstständigkeit und des fehlenden Genehmigungserfordernisses ist aus Gründen des ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge