Rn 80

Die vertragliche Bindung verbietet es den Parteien grds, den Vertragszweck oder einen Leistungserfolg zu beeinträchtigen, zu vereiteln oder zu gefährden (BGH NJW 78, 260 f [BGH 19.10.1977 - VIII ZR 42/76]; 83, 998 [BGH 28.04.1982 - IVa ZR 8/81]). Dieses Obstruktionsverbot ist das Komplement zur Mitwirkungspflicht der Parteien. Wichtigster Fall einer Verletzung dieses Verbots ist die in §§ 281 II Alt 1; 286 II Nr 3; 314 II 2; 323 II Nr 1, IV nunmehr ausdrücklich geregelte Vertragsaufsage; umgekehrt handelt eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, pflichtwidrig (BGH NJW 08, 1147 [BGH 23.01.2008 - VIII ZR 246/06]; 09, 1262 [BGH 16.01.2009 - V ZR 133/08]). Außerdem lassen sich aus der allg Leistungstreuepflicht zahlreiche Nebenpflichten ableiten, so etwa die allgemeine Pflicht im Prozess gegen den anderen Vertragspartner nicht bewusst wahrheitswidrig vorzutragen (BAG AP Nr 209 zu § 626 Rn 17), ferner die Pflichten des Vermieters, den Mieter vor Konkurrenz (Karlsr NJW-RR 90, 1234, 1235) oder vor Störungen des vertragsgemäßen Gebrauchs durch Dritte (BGHZ 99, 182, 191) zu schützen, oder nur solche Kosten auf den Mieter umzulegen, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspr (BGH NJW 10, 3647 [BGH 13.10.2010 - XII ZR 129/09] Rz 17 [Geschäftsraummiete], vgl §§ 556 III 1, 560 V BGB, und § 24 II 1 der II. BerechnungsVO und § 20 I 2 NMVO). Ein Arbeitnehmer verletzt seine Treuepflichten durch den außerdienstlichen sexuellen Missbrauch an dem Kind eines Kollegen (BAG NJW 11, 2231). Mangels Bezugs zum Arbeitsverhältnis liegt eine zur Kündigung berechtigende Treuepflichtverletzung nicht bei außerdienstlichem Handel mit Betäubungsmitteln vor (BAG NZA 14, 1197 [BAG 10.04.2014 - 2 AZR 684/13] Rz 14 ff). Auch Beschränkungen von Vertragsbeendigungsrechten können sich aus ihr ergeben, etwa das nunmehr in § 314 II geregelte Abmahnungserfordernis oder das Verbot der Kündigung zur Unzeit (§§ 671 II, 725 V nF; s Jauernig/Mansel § 242 Rz 27). Eine Pflicht zur Anhörung vor dem Ausspruch der Kündigung lässt sich ihr aber nicht entnehmen (BAG NJW 14, 3533 Rz 33). In besonderem Umfang hat die Rspr derartige Nebenpflichten aus der sog gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht abgeleitet (s BGHZ 129, 136, 142 ff; zu Einzelheiten § 705 Rn 22–24 – beachte nF zum 1.1.24 und Neukommentierung sowie NK/Krebs § 242 Rz 56–62). Zum Gemeinschaftsverhältnis zwischen Wohnungseigentümern s Rn 79. Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers s BAG NZA 89, 339; BAG NZA 06, 502, 504 [BAG 15.11.2005 - 9 AZR 209/05] sowie § 611 Rn 95. Soweit Pflichten einem von § 241 II geschützten Integritätsschutz dienen, bedarf es des Rückgriffs auf die Figur der Treuepflicht nicht mehr (s aber BGH ZGS 10, 486 Rz 31).

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