Interne Ermittlungen: Mitarbeiterbefragungen durchführen

Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von internen Ermittlungen sind eine schwierige Angelegenheit, bei der man leicht Fehler machen kann. So sichern Sie sich ab und gehen korrekt vor.

Mitarbeiterbefragungen bringen Arbeitnehmer möglicherweise in eine Zwangslage

Kommen beispielsweise in einem Unternehmen im internen Postverkehr Pakete oder sonstige Gegenstände abhanden, hat der Arbeitgeber ein konkretes Aufklärungsinteresse. Gleiches gilt, wenn der Verdacht besteht, dass durch Lieferanten möglicherweise Bestechungszahlungen an Mitarbeiter des Einkaufs gezahlt wurden.

In diesen Fällen verfolgt der Arbeitgeber im Rahmen interner Ermittlungen das Ziel, nähere Informationen über die Regelverstöße und die beteiligten Arbeitnehmer zu erhalten, um einerseits dies für die Zukunft zu verhindern und andererseits ggf. auch arbeits- oder zivilrechtliche Maßnahmen einleiten zu können.

Im Rahmen solcher Ermittlungen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in eine Zwangslage gerät. Dies ist immer dann der Fall, wenn er befürchten muss, sich selbst oder Arbeitskollegen durch seine Auskünfte zu belasten. Es stellt sich deshalb in jedem Einzelfall die Frage, was der Arbeitnehmer bei einem Auskunftsverlangen durch den Arbeitgeber an Auskünften erteilen darf bzw. muss.

Weisungsrecht des Arbeitgebers hat Einfluss auf die Mitarbeiterbefragung

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich dazu verpflichtet, an einer Mitarbeiterbefragung teilzunehmen, sofern die Teilnahme von dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 GewO gedeckt ist.

Der Arbeitnehmer ist aufgrund seiner Treuepflicht gem. § 242 BGB zur Auskunft verpflichtet, wenn sich die Fragen auf seinen Arbeitsbereich beziehen, der Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse hat und die geforderte Auskunft keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellt (vgl. BAG, Urteil v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93).

Hinzuziehung von Dritten zur Mitarbeiterbefragung nur unter bestimmten Bedingungen möglich

Oftmals wird durch den Arbeitnehmer der Wunsch geäußert werden, ein Betriebsratsmitglied oder einen Rechtsanwalt zum Gespräch hinzuzuziehen.

Die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds kann der Arbeitnehmer bei derartigen Gesprächen nach bisheriger Rechtslage nur verlangen, wenn weitere besondere Umstände hinzukommen.  Die durch das BetrVG gewährten Teilnahmerechte des Betriebsrats bei Personalgesprächen gelten nur unter den dort genannten Voraussetzungen.

In taktischer Hinsicht ist es aus unserer Sicht aber durchaus sinnvoll, zur Anhörung ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen. Denn vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber den Betriebsrat anzuhören. In einem Kündigungsschutzverfahren wird der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats regelmäßig rügen. „Hier kommt dem Arbeitgeber dann zu Gute, dass der Betriebsrat aufgrund der Teilnahme an dem Gespräch mit dem Arbeitnehmer über diesen Sachverhalt bereits informiert ist und der Arbeitgeber sich auf die Teilnahme des Betriebsrats an der Befragung des Arbeitnehmers und die dort erlangten Kenntnisse berufen kann.“

Aus der Perspektive des Arbeitgebers dürfte es regelmäßig ratsam sein, einem Begehren des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Vertreters des Betriebsrates oder einer Vertrauensperson nicht im Wege zu stehen. Dies folgt aus der Erwägung heraus, dass Personalgespräche oft auch aufseiten des Arbeitgebers von zwei Personen durchgeführt werden (Stichwort: Vier-Augen-Prinzip). Ein kleines Zugeständnis fördert die konstruktive Zusammenarbeit und ist deshalb taktisch sinnvoll.

Auskunft des Arbeitnehmers als Tatverdächtiger

Der Arbeitgeber wird ein originäres Interesse daran haben, den Sachverhalt hierzu aufzuklären. Denn häufig weiß er nicht genau, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine Pflichtverletzung als „Täter“ begangen hat. Regelmäßig besteht hierfür nur ein Verdacht. Dem Arbeitgeber geht es darum, den Sachverhalt aufzuklären, um eventuell arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer und/oder gegenüber seinen Kollegen zu veranlassen und insbesondere auch evtl. vorhandene Schwächen in internen Prozessen zu beheben.

In dieser Fallkonstellation läuft der Arbeitnehmer Gefahr, sich selbst zu belasten und/oder dem Arbeitgeber Informationen und Sachverhalte zu geben, aus denen der Arbeitgeber Sanktionen gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer, gleich welcher Art (zB Abmahnung, Kündigung) ergreifen kann.

Auskunftspflichten des Arbeitnehmers

Ob der Arbeitnehmer auch dann umfassend Auskunft erteilen muss, wenn er sich dabei selbst einer Straftat bezichtigen würde, wird bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.

Zu der im Arbeitsverhältnis bestehenden Auskunftspflicht führt das BAG Folgendes aus:

„Voraussetzung für den Auskunftsanspruch des Arbeitgebers im bestehenden Arbeitsverhältnis ist zunächst ein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung der Frage. Dieses Interesse muss gerade im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis vorliegen. Da sich die Auskunft nur auf das Bestehen oder den Umfang von Rechten aus dem Arbeitsverhältnis beziehen kann, muss ein Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten vertraglichen Leistung, mit dessen sonstiger Pflichtenbindung oder mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers bestehen.

Die Auskunftsverpflichtung darf aber keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen. Sie muss der Bedeutung des Auskunftsinteresses entsprechen. Kann sich der Arbeitgeber die Information auf zumutbare Weise anderweitig verschaffen, ist der Anspruch ausgeschlossen. Greift die Frage in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein, so muss dieser Eingriff einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten. Ein unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung muss in jedem Falle gewahrt bleiben.“ (Vgl. BAG, Urteil v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95).

Das BAG hat mit diesen Grundsätzen die „Rahmenbedingungen“ der Auskunftsverpflichtung des Arbeitnehmers festgelegt. Zu der konkreten Frage, ob die Auskunftspflicht des Arbeitnehmers selbst bei Gefahr der Selbstbezichtigung wegen einer strafbaren Handlung gegeben ist, hat sich das BAG allerdings bislang nicht geäußert. Hierzu werden in der Rechtsprechung und Literatur derzeit unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Von Gerichten und auch in der Literatur wird teilweise in solchen Fällen ein strafprozessuales Verwertungsverbot angenommen. (so Hauschka/Moosmayer/Lösler/Wessing, Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 46 Rz. 50, 56 m. w. N.).

Zusammenfassung der Rechte und Pflichten eines Arbeitnehmers bei Mitarbeiterbefragungen nach jetziger Rechtslage


  • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, an Gesprächen teilzunehmen, zu denen der Arbeitgeber ihn auffordert und die Art und Weise seiner Leistungsbringung betreffen.
  • Steht der Vorwurf einer schädigenden Handlung zulasten des Arbeitgebers im Raum, ist der Arbeitnehmer zur Teilnahme und auch zur Auskunft verpflichtet. Er hat sich dabei selbst dann wahrheitsgemäß einzulassen, wenn er sich selbst einer Straftat bezichtigen würde. Ob ein strafprozessuales Verwertungsverbot solcher Aussagen besteht, ist umstritten, wird aber von einigen Arbeitsgerichten angenommen.
  • Selbiges gilt, wenn der Arbeitnehmer bei einem solchen Geschehen als Zeuge befragt wird.
  • Ein Teilnahmerecht von Dritten, sei es des Betriebsrats, sei es des Rechtsanwalts, besteht grundsätzlich nicht, es sei denn, der Anwendungsbereich der Teilnahme des Betriebsrats ist über das BetrVG eröffnet. Es empfiehlt sich jedoch, hier eher zuzustimmen als abzulehnen.
  • Es bleibt abzuwarten, ob das geplante Gesetz über Unternehmenssanktionen hierzu Regelungen enthalten wird.
Schlagworte zum Thema:  Mitarbeiterbefragung, Compliance