Vergabe: Wann muss öffentliche Ausschreibung erfolgen?

Die öffentliche Hand vergibt jährlich Aufträge mit einem Gesamtvolumen von mehreren Hundert Mrd. EUR. Wir haben für Sie zusammengefasst, wann eine öffentliche Ausschreibung erfolgen muss.

Grundlegend handelt es sich bei Aufträgen der öffentlichen Hand und die Beschaffung „im kleinen Stil“, wie z. B. von Fahrzeugen, oder Büro- bzw. EDV-Ausstattung. Teilweise handelt es sich jedoch auch um imposante Vorhaben, wie den Bau eines Opernhauses oder eines Flughafens.

Eine Ausschreibungspflicht besteht nicht immer

Kommt es zu einem Auftrag der öffentlichen Hand, kann dies oftmals, vor allem für Betroffene, zu Unsicherheiten führen. Dementsprechend können Fragen aufkommen: Wann muss eine Ausschreibung erfolgen? Wie hat eine solche Ausschreibung auszusehen?

Auch können Unsicherheiten aufkommen, wenn es darum geht, wie viele Unternehmen die Chance auf ein Angebot bekommen und ob die Möglichkeit der Nachverhandlung besteht.

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die sogenannte Ausschreibungspflicht nicht bei Direktkäufen besteht. Bei Direktkäufen handelt es sich um Leistungen, die unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden, kann. Demnach ist darauf zu achten, dass ein Direktauftrag nur bei ausgewählten Wertgrenzen zulässig ist. Als Beispiel können Bauleistungen herangezogen werden. Hier liegt die Grenze für den Auftragswert gemäß § 3a Abs. 4 VBO/A bei 3.000 EUR ohne Umsatzsteuer.

Rechtliche Grundlagen für öffentliche Ausschreibungen

Grundlegend richtetet sich die Vornahme eines Vergabeverfahrens durch eine Behörde nach folgenden Voraussetzungen:

  • Dem voraussichtlichen Gesamtauftragswert,
  • Schwellenwerten, die für Landes- und Kommunalbehörden je nach Bundesland variieren und
  • Dem konkreten Auftragsinhalt.

Die Behörde hat sich bei der Vergabe immer an strikte Regel zu halten. Dazu gehören unter anderem der Vergabegrundsatz, der Vertraulichkeitsgrundsatz, das Transparenzgebot sowie Pflichten zur Markterkundung und Berücksichtigung kleinerer und mittlerer Unternehmen.

Als wichtigste Rechtsgrundlage erweisen sich:

  • Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),
  • Die Vergabeordnung (VgV) sowie
  • Die 3 nach Leistungsart unterschiedene Vergabeverordnung – die VOL/A für (allgemeine) Leistungen, die VOL/B für Bauleistungen und die VOF für freiberufliche Leistungen.

Zudem wird das Vergaberecht stark durch das EU-Recht, insbesondere die Richtlinie 2014/17/EG und 2014/18/EG, beeinflusst.

Vergabeformen für öffentliche Ausschreibungen

Im Falle eines Vergabeverfahrens gibt es unterschiedliche Vergabeformen. Bei 90 % der Auftragsvergaben, lässt sich zwischen 3 unterschiedlichen Vergabeformen unterscheiden:

  • die öffentliche Ausschreibung,
  • die beschränkte Ausschreibung und
  • die freihändige Vergabe.

Lediglich bei sogenannten Sektorenleistungen bestehen Sonderreglungen. Hier geht es insbesondere um Leistungen der Trinkwasserversorgung. Ebenso gesondert geregelt sind Vergaben im Bereich von Verteidigung und Sicherheit.

Freihändige Vergabe

Bei der freihändigen Vergabe – gemäß § 12 UVGO – handelt es sich um ein Verfahren zur Vergabe von Aufträgen, bei denen der Wert grundsätzlich unter dem allgemeinen Schwellenwert liegt. Auch wenn es diesbezüglich bei Bauvergaben keine explizite Regelung gibt, kann das Verfahren ein- aber auch zweistufig durchgeführt werden – ebenso wie bei beschränkten Ausschreibungen.

In der ersten Stufe wird durch den Auftraggeber ein geeigneter Bieter ermittelt, genutzt wird hier ein sogenannter öffentlicher Teilnahmewettbewerb. Die zweite Stufe ist dazu da, ein Angebot abzugeben, wodurch die Zahl der Bieter, die zur Angebotsabgabe auffordert, im Vorfeld eingeschränkt wird. Bei Bauvorgaben sollte die Zahl nicht unter 3 liegen.

Bei der freihändigen Vergabeform handelt es sich um die wenigsten formstrenge Vergabe, da die Möglichkeit der Verhandlung weiterhin besteht. Genau dieser Punkt unterscheidet dieses Vergabeverfahren von anderen seiner Art.

Beschränkte Ausschreibung

Bei der beschränkten Ausschreibung handelt es sich regelmäßig und ein zweistufiges Verfahren zur Vergabe von Aufträgen, deren Wert unterhalb der Schwellenwerte liegen. Allerdings gelten hier die zusätzlichen Voraussetzungen wie bei der freihändigen Vergabe, wenngleich nicht ebenso streng. Es muss etwa eine gewisse Dringlichkeit vorliegen oder eine öffentliche Ausschreibung bereits erfolglos durchgeführt worden sein bzw. sich von vorneherein nur ein geringer Bieterkreis ergeben haben. Die beschränkte Ausschreibung erfolgt grundsätzlich in 2 Stufen. Zunächst sollen sich interessierte Unternehmen, ohne ein Angebot abzugeben, in einem vorgeschalteten Wettbewerb für die Teilnahme am Vergabeverfahren bewerben. Die Behörde entscheidet insbesondere nach Eignung, welche Unternehmen sie sodann zur Abgabe eines konkreten Angebots auffordert. Zwar kann hier auch einfließen, dass sich ein Unternehmen bei früheren Aufträgen bereits bewährt hat, allerdings darf dies nicht allein ausschlaggebend sein.

Öffentliche Ausschreibung

Die öffentliche Ausschreibung erfolgt immer bei Überschreiten der Schwellenwerte für die beschränkte Ausschreibung und wenn sonst keine Gründe eine andere Vergabeart rechtfertigen. In Betracht kommen z. B. mittlere Bauvorhaben, Renovierungen, Dienstleistungen, wie die Beauftragung einer Reinigungsfirma für ein öffentliches Gebäude, oder die Anschaffung von Dienstwagen.

Europaweite Ausschreibungen

Zudem bestehen sogenannte EU-Schwellenwerte, bei denen für öffentliche Auftraggeber die EU-Richtlinien gelten. Zu beachten ist jedoch, dass diese Schwellenwerte nicht darüber entscheiden, ob eine Ausschreibung nur bundes- oder auch europaweit erfolgen muss. Denn auch unterhalb dieser EU-Schwellenwerte dürfen sich Unternehmen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz um die öffentliche Auftragsvergabe bemühen.

EU-Schwellenwerte 2020/21

  • für Bauleistungen und Konzessionsvergaben bei 5,350 Mio. EUR,
  • für allgemeine Aufträge oberster und oberer Bundesbehörden bei 139.000 EUR,
  • für Aufträge besonderer Sektorenauftraggeber bei 428.000 EUR,
  • im Übrigen bei 214.000 EUR (Stand 1.1.2020).

EU-Schwellenwerte 2022/23

  • für Bauleistungen und Konzessionsvergaben bei 5,382 Mio. EUR, 
  • für allgemeine Aufträge oberster und oberer Bundesbehörden bei 140.000 EUR, 
  • für Aufträge besonderer Sektorenauftraggeber bei 431.000 EUR, 
  • im Übrigen bei 215.000 EUR (Stand 1.1.2022).

EU-Schwellenwerte 2024/25 (gültig seit dem 01. Januar 2024

  • für Bauleistungen: 5.538.000 EUR (bisher 5.382.000 EUR)
  • für Liefer- und Dienstleistungen: 221.000. EUR (bisher 215.000 EUR)
  • für Liefer- und Dienstleistungen der obersten und oberen Bundesbehörden: 143.000. EUR (bisher 140.000. EUR)

Bei Überschreiten dieser Werte sind andere Vergabearten durchzuführen, die den bereits genannten grundsätzlich gleichen, wobei nicht mehr weiter nach Auftragswerten unterschieden wird. Es kommt dann nur noch auf Faktoren wie einen geeigneten Bieterkreis oder die Zweckmäßigkeit bzw. Dringlichkeit des Verfahrens an. Das offene Verfahren entspricht insoweit der öffentlichen Ausschreibung, das nicht offene Verfahren der beschränkten Ausschreibung und das Verhandlungsverfahren der freihändigen Vergabe.

Grundsätzlich können oberhalb der EU-Schwellenwerte alle Teilnehmerstaaten des Government Procurement Agreement (GPA) um die Auftragsvergabe ringen. Neben dem EWR und der Schweiz sind dies 9 weitere Staaten, u. a. Japan und die USA.

Folgen von Compliance bei öffentlichen Ausschreibungen

Bei einem Verstoß gegen die Regelungen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

  • Oberhalb der EU-Schwellenwerte kann der benachteiligte Unternehmer ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer beantragen, um eine ordentliche Vergabedurchführung zu erreichen. Daneben kommen Schadensersatzansprüche in Betracht.
  • Unterhalb der EU-Schwellenwerte kann eine ordnungsgemäße Vergabe nicht durchgesetzt werden, hier können lediglich gegebenenfalls bestehende Schadensersatzansprüche vor den Zivilgerichten eingeklagt werden.

Wegen der Komplexität des Vergaberechts sollte jedoch in jedem Fall zuvor Rechtsrat eingeholt werden.

Öffentliche Ausschreibungen – was sollte sonst noch beachtet werden?

Das Vergabeverfahren ist auch von juristischen Personen des Privatrechts durchzuführen, wenn sie nichtgewerbliche Aufgaben im Allgemeininteresse wahrnehmen und von der öffentlichen Hand beherrscht oder überwiegend finanziert sind. Dies können z. B. Wohnungsbau- und Wirtschaftsförderungsgesellschaften oder Wasserversorgungs- und Parkhausunternehmen sein. Daneben müssen sowohl juristische als auch natürliche Personen des Privatrechts bei Bauaufträgen, für die sie zu mehr als 50 % öffentliche Mittel erhalten, eine förmliche Ausschreibung vornehmen. Das Gleiche gilt für Tätigkeiten im Bereich der Trinkwasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, wenn eine behördliche Erlaubnis erteilt wurde oder eine öffentliche Stelle entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen nimmt. Als Beispiel dienen hier etwa die meisten Stadtwerke.

Für besonders komplexe Aufträge gibt es den wettbewerblichen Dialog. Hier weiß die Behörde zwar, was sie als Ergebnis will, jedoch nicht, wie dies zu erreichen ist. Es kommen vor allem innovative Projekte im Bereich der Infrastruktur oder der Softwareentwicklung in Betracht. Im Dialog mit entsprechenden Unternehmen entsteht so erst der eigentliche Auftragsgegenstand. Erst dann erfolgt eine Ausschreibung, an der sich die Dialogteilnehmer durch Angebote beteiligen können.

Bei einer Angebotsabgabe müssen Unternehmen vor allem das „One-Shot-Prinzip“ beachten: Das einmal abgegebene Angebot kann nicht nachträglich geändert werden. Nachverhandlungen sind nicht möglich. Dies ist Ausdruck des Transparenz-, Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatzes im Vergaberecht. Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag.

Öffentliche Ausschreibungen – auch Pflicht für Privatunternehmen?

Private Unternehmen müssen sich nicht an die Regelungen halten. Das gesetzliche Vergabeverfahren ist grundsätzlich nur durchzuführen, wenn es sich bei dem Auftraggeber um eine öffentliche Stelle handelt. Private Unternehmen hingegen können ihre Vertragspartner prinzipiell frei wählen und werden bereits von sich aus nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden. Allerdings sind auch die private Auftragsvergabe und ebenso die Angebotsabgabe nicht vollkommen frei von gesetzlicher Kontrolle. Diese erfolgt in erster Linie durch das Strafrecht. In Betracht kommen insbesondere die Tatbestände der Untreue gemäß § 266 StGB sowie Straftaten gegen den Wettbewerb gemäß §§ 298–302 StGB, hier vor allem Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus dem Kartellrecht. Private Unternehmen sollten bei der Wahl des Vertragspartners innerhalb ihrer Compliance-Organisation eine Geschäftspartnerüberprüfung vornehmen. Bei der Zusammenarbeit mit unseriösen oder korrupten Vertragspartnern besteht die Gefahr, künftig von Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen zu werden oder eine Eintragung auf den „schwarzen Listen“ zu erhalten.

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