Mitarbeiter kontrollieren: Was ist dem Arbeitgeber wann erlaubt?

Aus Arbeitgebersicht ergibt sich in vielen Konstellationen ein Bedürfnis nach der Kontrolle ihrer Mitarbeiter. Etwa in Produktionsbetrieben bei Materialschwund oder von Zusammenhang mit erfassten und tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten. Wann und wie darf ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter kontrollieren? Was ist als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte im Interesse des Unternehmens zulässig, was geht zu weit?

Dem Interesse des Arbeitgebers an einer Kontrolle der Mitarbeiter stehen die Rechtspositionen der Mitarbeiter gegenüber. Betroffen sind dabei insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie ggf. das Recht auf Unverletzlichkeit und Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 GG. Diese Grundrechte entfalten mittelbar auch Drittwirkung innerhalb des Arbeitsverhältnisses, sodass auch der Arbeitgeber diese Rechte zu beachten hat.

Darüber hinaus sind die Mitarbeiter seit 2018 auch durch die DSGVO sowie das BDSG umfassend datenschutzrechtlich abgesichert. Bei Mitarbeiterkontrollen müssen auch die Vorgaben dieser Gesetze beachtet werden. Sie begründen ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, persönliche Daten dürfen nur erhoben werden, wenn das Gesetz Erlaubnistatbestände vorsieht. Die Zulässigkeit der Datenerhebung – und mithin der Überwachung – kann sich u. a. aus Art. 6 Abs. 1 DSGVO und § 26 BDSG ergeben.

Verhältnismäßigkeit der Überwachung

Für alle Kontrollen der Mitarbeiter gilt, dass sie nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie verhältnismäßig sind. Die Verhältnismäßigkeit hat 4 Voraussetzungen:

  • Die Maßnahme erfolgt, um ein legitimes Ziel zu erreichen.
  • Sie ist geeignet dieses Ziel zu erreichen.
  • Sie ist erforderlich, d. h. es gibt kein anderes und milderes Mittel, mit dem der Zweck ebenso wirkungsvoll erreicht wird.
  • Die Maßnahme ist angemessen, d. h. sie steht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck. Hierbei ist eine Interessenabwägung durchzuführen.

Diese Grundlagen zeigen bereits, dass die Rechtmäßigkeit bestimmter Maßnahmen nicht abstrakt bestimmt werden kann. Entscheidend sind stets die Umstände des konkreten Einzelfalls.

Dennoch lassen sich für die Praxis folgende Grundsätze aufstellen:

- Präventive und repressive Maßnahmen

Zunächst ist zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen zu differenzieren. Präventive Kontrollen dienen dazu, mögliche Vergehen der Mitarbeiter abzuwehren. Repressive Kontrollen dienen der Aufklärung eines konkreten Verdachts. Bei repressiven Maßnahmen steht dem Arbeitgeber ein weiterer Handlungsspielraum zu als bei präventiven.

-  Sanktionen

Werden die Grenzen der Kontrollrechte überschritten, drohen nicht unerhebliche Konsequenzen. Die unbefugte Datenerhebung oder ‑verarbeitung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gem. Art. 83 Abs. 5 DSGVO mit einer Geldbuße von bis zu 20 Mio. EUR oder 4 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes geahndet werden – je nachdem, welcher Betrag höher ist. Bei vorsätzlicher Begehung steht sogar das Vorliegen einer Straftat im Raum, die eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren nach sich ziehen kann (§ 42 BDSG).

Zudem können Unternehmen sich schadensersatzpflichtig machen, Art. 82 DSGVO.

Außerdem können rechtswidrig gewonnene Beweise einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, sodass sie in arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht genutzt werden können. Der Arbeitgeber sollte daher bereits im Vorfeld genau die Rechtslage prüfen.

Mögliche Kontrollmaßnahmen: Physische Kontrollen der Mitarbeiter

Zur Verhinderung oder Aufklärung von Pflichtverletzungen wie Diebstählen kommen zunächst physische Kontrollen in Betracht. Es können z. B. Taschen und Rucksäcke der Mitarbeiter am Ausgang des Betriebs kontrolliert oder der Inhalt von Spinden überprüft werden. Dabei sollte aus Beweisgründen stets das Vier-Augen-Prinzip gewahrt werden.

1. Tor- und Taschenkontrollen

Tor- und Taschenkontrollen stellen einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Arbeitnehmer dar. Präventive Kontrollen sind daher nur sehr eingeschränkt zulässig. Nach manchen restriktiven Ansichten sollen sie sogar gänzlich unzulässig sein. Auch der Arbeitgeber hat jedoch schutzwürdige Interessen. Bei erheblichen Angriffen auf seine rechtlich geschützten Interessen und Güter (z. B. bei Diebstählen oder anderen Straftaten) muss sich der Arbeitgeber wehren können. Das BAG hält präventive Kontrollen daher für zulässig, wenn sie verhältnismäßig und dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend durchgeführt werden (BAG, Beschl. v. 15.4.2014, 1 ABR 2/13).

Kontrollen dürfen nur durchgeführt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass ohne die Maßnahme die Gefahr von Pflichtverletzungen erhöht ist. Auch dann dürfen Kontrollen aber nicht uneingeschränkt für den gesamten Betrieb erfolgen. Zulässig sind nur Stichproben unter Mitarbeitern, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Es ist dann für jeden Mitarbeiter gleichermaßen wahrscheinlich, in eine Kontrolle zu geraten. Nur so kann eine gleichheitsgerechte Durchführung der Kontrollen gewährleistet werden. Außerdem ist stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (s. o.) zu wahren.

Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die den Verdacht begründen, dass aus einer abgrenzbaren Gruppe von Mitarbeitern heraus schwere Pflichtverletzungen oder Straftaten begangen werden, kann ausnahmsweise die Durchführung repressiver Kontrollen zulässig sein. Ein Generalverdacht gegen sämtliche Arbeitnehmer genügt indes nicht. Liegt ein konkreter Verdacht gegen bestimmte Personen vor, dürfen deren Taschen gezielt kontrolliert werden. Rechtfertigungsgrundlage hierfür ist § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG.

In jedem Fall gilt, dass die Kontrollen schonend durchzuführen sind. Mitarbeiter sind nach Möglichkeit in einen separaten Raum zu führen und die Taschenkontrollen in ihrer Anwesenheit durchzuführen. Eine Stigmatisierung durch Kollegen oder die Öffentlichkeit ist – soweit möglich – zu vermeiden. Zunächst dürfen nur die Jackentaschen oder mitgeführte Rucksäcke kontrolliert werden. Lediglich wenn dies zu einer Erhärtung des Verdachts führt, dürfen weitere Kontrollen in Erwägung gezogen werden. Im Falle einer Weigerung der Mitarbeiter, sich der Kontrolle zu beugen, darf der Arbeitgeber keinen Zwang anwenden. In diesem Fall muss die Polizei hinzugezogen werden, um weitere Kontrollen durchführen zu können. Auch Leibesvisitationen sind grundsätzlich der Polizei vorbehalten.

2. Spindkontrollen

In Spinden bewahren Arbeitnehmer regelmäßig auch persönliche Gegenstände wie Kleidung, Hygieneartikel oder Wertsachen auf. Eine Spindkontrolle greift daher noch tiefer in die Privatsphäre ein, als dies bei Taschenkontrollen der Fall ist. Spindkontrollen sind deshalb grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt nur für repressive Kontrollen bei schweren Pflichtverletzungen und Straftaten, wenn ein konkreter Tatverdacht gegen einen kleinen Kreis an Mitarbeitern besteht und davon auszugehen ist, dass sich Tatobjekte im Spind befinden. In diesem Fall kann der Spind in Anwesenheit des Mitarbeiters kontrolliert werden. Heimliche Spindkontrollen sind fast immer rechtswidrig.

3. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Zu denken ist bei Mitarbeiterkontrollen an die erzwingbare Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da die Ordnung des Betriebs bzw. das Verhalten der Mitarbeiter betroffen ist (BAG, Beschl. v. 9.7.2013, 1 ABR 2/13 [B]). Sollen Mitarbeiterkontrollen durchgeführt werden, ist daher zuvor stets der Betriebsrat zu beteiligen. Erfolgen die Kontrollen regelmäßig, empfiehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung zu schließen. Zu regeln wären etwa die Voraussetzungen und das Verfahren der Mitarbeiterkontrollen, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen.

Mögliche Kontrollmaßnahmen: Elektronische Kontrolle der Mitarbeiter

Statt physischer Kontrollen kommen oft auch elektronische Kontrollen der Mitarbeiter in Betracht. So kann z. B. die Überwachung mittels Videokameras das tauglichste Mittel für die Aufklärung von Diebstählen darstellen.

1. Zulässigkeit

Die Überwachung mit Videokameras oder anderen technischen Mitteln stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Auch hierfür gelten daher strenge Voraussetzungen. Für elektronische Überwachung gibt auch das Datenschutzrecht einen Rahmen vor, an den sich der Arbeitgeber halten muss.

Die verdeckte Videoüberwachung ist aus diesen Gründen regelmäßig unzulässig. Eine offene Videoüberwachung kann zulässig sein. Hierfür sind ein legitimer Grund und die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes notwendig. Als Rechtfertigungsgrundlage kommt insbesondere § 26 Abs. 1 BDSG in Betracht. Eine Videoüberwachung in Umkleideräumen und Toiletten ist immer unzulässig. Nähere Informationen zu den Voraussetzungen der Videoüberwachung finden Sie hier und zu weiteren technischen Mitteln hier.

2. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Bei Kontrollen unter dem Einsatz technischer Mittel hat der Betriebsrat nicht nur ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sondern darüber hinaus nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Auch hier ist der Betriebsrat daher zwingend zu beteiligen.

Fazit

Aufgrund der zu berücksichtigenden Arbeitnehmerrechte – des verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – ist die Kontrolle und Überwachung von Mitarbeitern an strenge Voraussetzungen gekoppelt. Eindeutige Regelungen, wann entsprechende Maßnahmen zulässig sind, bestehen nicht. Es bedarf vielmehr einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall, wobei insbesondere auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Da im Falle von Pflichtverletzungen empfindliche Konsequenzen (Bußgeld, Freiheitsstrafe, Schadensersatz) drohen, sollte im Vorfeld stets eine gründliche Prüfung erfolgen.

Schlagworte zum Thema:  Überwachung, Arbeitnehmer