Rn 79

Die Parteien sind verpflichtet, zur Erreichung des Vertragszwecks zusammenzuwirken und entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen (BGH NJW-RR 89, 1393, 1395; BAG ZIP 13, 2025 Rz 39; BGH NJW 16 Rz 23 [Pflicht der Fluggesellschaft zur Hinzuziehung des Fluggastes vor Entscheidung über Nichtbeförderung von Gepäck]); erst recht ist es ihnen verboten, Obstruktion zu betreiben (zu den sog Leistungstreuepflichten s.u. Rn 80). Diese Pflichten treffen auch den Gläubiger, wobei §§ 293 ff zeigen, dass die Schutzzwecke dieser Pflichten von den gewöhnlichen abweichen (NK/Schmidt-Kessel § 293 Rz 2). Unter § 242 sind insoweit va zwei Fallgruppen von Bedeutung: Zum einen müssen die Parteien zusammenwirken, um die Erteilung einer für den Vertrag oder seine Durchführung erforderlichen behördlichen Genehmigung herbeizuführen; umgekehrt müssen sie unterlassen, was die Genehmigung vereiteln oder gefährden könnte (RGZ 129, 357, 376; BGHZ 14, 1, 2; 67, 34, 35; BVerwG NJW-RR 86, 756, 758). Ggf sind sie einander verpflichtet, den Vertrag iRd Zumutbaren so zu ändern, dass er genehmigungsfähig wird (BGHZ 67, 34, 35; 87, 156, 165) oder den mangels Genehmigung gescheiterten Vertrag neu abzuschließen (BGH MDR 63, 837 f; BGHZ 87, 156, 165). Zum anderen kann sich – auch unabhängig von einer Genehmigungspflichtigkeit – aus § 242 die Pflicht ergeben, den Vertrag an veränderte Umstände anzupassen (BGHZ 71, 276, 284; 98, 276, 279 f); bei wirksamem Vertrag sind diese Fälle jedoch heute weitgehend durch § 313 abgedeckt (s etwa BGH NJW 14, 1590 [BGH 19.03.2014 - XII ZB 19/13] Rz 29), der so etwa auch § 275 überspielen kann (s § 275 Rn 21). Bei Befolgung behördlicher Anordnungen durch einen Teil, kann den anderen eine Duldungspflicht treffen (BGH NJW 09, 1736 [BGH 04.03.2009 - VIII ZR 110/08] [bauliche Maßnahmen beim Mietvertrag außerhalb von § 554]). Nicht um eine Kooperationspflicht, sondern um die Konkretisierung der vorvertraglich begründeten Pflicht zum Abschluss des Hauptvertrags geht es, wenn § 242 zum Kontrollmaßstab für das von einer Seite abgegebene Angebot herangezogen wird (s BGH NJW 06, 2843; s aber Krüger ZNotP 06, 447, 448 ff). Zum Sonderfall der beiderseitigen Rücksichtnahmepflicht im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis s BGH NJW-RR 03, 1313, 1314 [BGH 11.07.2003 - V ZR 199/02]; 08, 610 [BGH 24.01.2008 - IX ZR 216/06]; NJW 15, 2023 [BGH 16.01.2015 - V ZR 110/14] [Rauchen auf dem Balkon nur nach abgestimmten Zeiten] sowie § 906 Rn 1 ff. Ein entspr Gemeinschaftsverhältnis besteht zwischen Wohnungseigentümern (BGH NJW 07, 292, 293 [BGH 10.11.2006 - V ZR 62/06]) und kann auch Ansprüche auf Änderung der Gemeinschaftsordnung und sogar der Teilungserklärung begründen (BGH NZM 12, 613 [BGH 11.05.2012 - V ZR 189/11]; NJW 13, 1962 [BGH 12.04.2013 - V ZR 103/12] Rz 12); bei der richterlichen Kontrolle des Stimmverhaltens in der Eigentümerversammlung ist hingegen Zurückhaltung geboten (s OLGR München 06, 730). Eine dauerhafte Änderung eines Sondernutzungsrechts kann wegen des insoweit abschließenden § 10 II WEG nicht auf § 242 gestützt werden (BGH NZM 18, 568 [BGH 23.03.2018 - V ZR 65/17] [zu § 10 II 3 WEG aF]). Eine Kooperationspflicht trifft auch den Mieter, dem Vermieter nach Vorankündigung Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, allerdings nur, wenn dafür ein konkreter sachlicher Grund besteht (BGH NJW 14, 2566 [BGH 04.06.2014 - VIII ZR 289/13] Rz 20; s § 535 Rn 60). Zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht s Rn 80. Die Parteien eines Arbeitsverhältnisses sind verpflichtet, gegenseitig auf die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen (BAG AP BGB § 626 Nr 220 Rz 24; BAG NJW 10, 3112 Rz 26 f; BAG AP BetrAVG § 2 Nr 67 Rz 39 f [jeweils gestützt auf § 241 II]). Dies schließt im Einzelfall die Pflicht ein, Arbeitnehmern, die aus in ihrer Person liegenden Gründen insbes bei Schwerbehinderung nicht mehr imstande sind, die ihnen zugewiesene Arbeitsleistung zu erbringen, eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung sie noch in der Lage sind (BAG NJW 10, 3112 [BAG 19.05.2010 - 5 AZR 162/09] Rz 27 [Drogenabhängigkeit]; BAG NJW 11, 1757 [BAG 01.02.2011 - 1 ABR 79/09] Rz 23 [Schwerbehinderung, § 81 IV SGB IX]). Umgekehrt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auch außerhalb der Arbeitszeit auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG NZA 13, 1345 [BAG 20.06.2013 - 2 AZR 583/12] Rz 26 [Betäubungsmitteldelikt bei angestelltem Wachpolizisten]).

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