Gesetzestext

 

(1) 1Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. 2Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. 3Der Mieter kann sich im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

A. Grundsätzliches.

I. Entstehungsgeschichte.

 

Rn 1

Das am 1.12.20 in Kraft getretene WEMoG (BGBl I, 2020, 2187) hat den § 554a aufgehoben und den neuen § 554 geschaffen. Der Gesetzgeber hatte schon mit § 554a aF Rspr (BVerfG ZMR 00, 435 = NZM 00, 539 und LG Duisburg ZMR 00, 464) verfestigt. § 554 ist § 20 II WEG nF nachgebildet; er übernimmt für das Mietrecht nur die ersten 3 der 4 privilegierten baulichen Veränderungen (Rolfs NZM 20, 902; Horst MietRB 21, 181).

II. Normzweck.

 

Rn 2

Der Mieter hat Anspruch auf Erweiterungen des Mietgebrauchs durch eigene bauliche Veränderungen (Herlitz AnwZert MietR 24/20 Anm 1). § 554a aF ermöglichte allein Maßnahmen zur behindertengerechten Nutzung. Die Verhandlungsposition behinderter Mieter ggü ihrem Vermieter wurde bereits durch § 554a aF gestärkt. Zu sozialrechtlichen Fragen iVm der UN-BRK vgl Welti SGb 15, 533 ff; Hintzke SuP 18, 343 ff. Aus § 554 I 1 ergibt sich grds ein Anspruch des Mieters einer Einzelgarage auf Erlaubnis des Vermieters zum Einbau einer ›Wallbox‹ nebst Anschluss an eine bereits vorhandene Starkstromleitung zum Laden eines Elektrofahrzeugs (LG München I ZMR 22, 731).

III. Anwendungsbereich.

 

Rn 3

§ 554 regelt vom Mieter geplante Eingriffe in die Bausubstanz, die den vertragsgemäßen Gebrauch überschreiten. Der Zustimmungsanspruch gem § 554 besteht für alle Mieter von jedweden Räumen, da in § 578 seit 1.12.20 nunmehr eine Verweisungsvorschrift existiert. Auch mit eigenem Vertrag hinzugemietete Stellplätze und Garagen bei Wohnraummiete werden erfasst. Zum vermieteten Wohnungseigentum vgl Schultzky AnwZert-MietR 24/19 Anm 1.

Mangels spezieller Übergangsvorschrift gilt § 554 ab 1.12.20 (arg Art 171 EGBGB) für eine vom Mieter verlangte Erlaubnis.

 

Rn 4

§ 554 erfasst auch den Fall einer bereits ursprünglich (erst recht später) bestehenden Notwendigkeit behindertengerechten Umbaus, der über seniorengerechtes Wohnen hinausgeht (Kobl VersR 12, 201). Trotzdem wird man den Mieter nicht für verpflichtet halten, unaufgefordert bei Vertragsabschluss etwa auf eine Behinderung eines Haushaltsangehörigen hinzuweisen; er darf gezielte Fragen des Vermieters zu diesem Themenbereich nur nicht falsch beantworten.

B. Regelungsgehalt.

I. Tatbestandsvoraussetzungen.

 

Rn 5

Ein berechtigtes Interesse des Mieters im Hinblick auf die begehrte bauliche Veränderung wird nicht gefordert. Die Interessenabwägung findet erst iRd Ausnahme des § 554 I 2 statt.

Der Begriff ›bauliche Veränderung‹ ist weit zu verstehen; von ihm werden auch Veränderungen der Anlagentechnik des Gebäudes erfasst. Diese bauliche Veränderung beschränkt sich nicht auf die Mietwohnung. Der Mieter kann etwa einen Treppenlift in dem gemeinschaftlich genutzten Treppenhaus einbauen lassen wollen.

1. Behinderung.

 

Rn 6

›Behindert‹ ist nicht im engen Sinne des Sozialrechts zu verstehen. Erfasst werden soll jede erhebliche und dauerhafte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit (vgl BGG v 27.4.02, BGBl I 02, 1467). § 554 I 1 meint solche baulichen Veränderungen, die Menschen mit Behinderungen den Gebrauch der Mietsache erleichtern. Hierzu zählen Maßnahmen, die für eine Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Menschen zumindest eine Erleichterung sind.

 

Rn 7

Es muss auch nicht eine Barrierefreiheit iSd § 4 BGG erreicht werden. Dies wird nur bejaht bei solchen baulichen Maßnahmen und Anlagen, verkehrsmitteltechnischen Gebrauchsgegenständen etc, wenn sie für behinderte Menschen in der allg üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grds ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind (Braun MDR 02, 862, 864 linke Spalte). Eine Barrierereduzierung genügt.

 

Rn 8

Wegen der neuen Verweisung in § 578 I besteht ein Anspruch des Mieters gem. § 554 I 1 auf Erteilung einer Veränderungserlaubnis auch in der Gewerbemiete. Wegen der Zugangserleichterung zB für Patienten und Kunden mit (Geh-)Behinderungen besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf eine Rollstuhlrampe im Zugangsbereich zum Aufzug. Dieser kann noch an der Interessenabwägung nach § 554 I 2 scheitern.

2. E-Mobilität.

 

Rn 9

Wie bei den privilegierten baulichen Veränderungen nach § 20 II 1 Nr 2 WEG besteht ein Erlaubnisanspruch für Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge (vgl insb § 2 Nr. 1 EmoG) dienen (Horst NZM 22, 313). Hierzu zählen: reine Batterieelektrofahrzeuge, von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge, Brennstoffzellenfahrzeuge, elektrisch betriebene Zweiräder. Elektromobile für Gehbehinderte, die nicht unter das EmoG fallen ebenfalls. Es geht primär um die Errichtung eines Ladepunktes (Wallbox), einer Ladesäule nebst Verleg...

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