Gesetzestext

 

(1) 1Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlass hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. 2Ein nach § 2315 anzurechnendes Geschenk ist auf den Gesamtbetrag des Pflichtteils und der Ergänzung anzurechnen.

(2) Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

A. Zweck.

 

Rn 1

Angemessener Weise müssen auch Geschenke des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten selbst bei Berechnung nur (München 25.5.11 – 20 U 2853/08) des Ergänzungsanspruchs (§ 2325) berücksichtigt werden, da dieser sonst mehr als den Pflichtteil erlangte. Sie sind vAw, wenn sie nach § 2315 auf den Pflichtteil anzurechnen sind, auf den Gesamtbetrag von ordentlichem Pflichtteil und Ergänzung (I 2), ansonsten auf die Ergänzungsforderung anzurechnen (I 1).

B. Eigengeschenk.

 

Rn 2

Der Erblasser muss einen Dritten (München 6.2.19 – 20 U 2354/18 Rz 23; MüKo/Lange Rz 3) und daneben grds auch den Pflichtteilsberechtigten selbst beschenkt haben (Ausn: II). Mehrere Geschenke an den gleichen Berechtigten werden insgesamt dem Nachlass hinzugerechnet (Staud/Olshausen Rz 6). Beim Berliner Testament (§ 2269) ist zwischen den Erbfällen zu unterscheiden (vgl BGH NJW 83, 2875 [BGH 13.07.1983 - IVa ZR 15/82]; MüKo/Lange Rz 4). Bei mittelbaren Zuwendungen über eine Familienstiftung ist § 2327 analog anwendbar (RGZ 54, 399, 400 ff).

 

Rn 3

Nicht berücksichtigt werden Pflicht- und Anstandsschenkungen (§ 530, § 2330; vgl BGH FamRZ 82, 165 [BGH 11.11.1981 - IVa ZR 235/80]) sowie Schenkungen an den Ehegatten des Berechtigten, es sei denn, es liegt eine versteckte Schenkung an den Pflichtteilsberechtigten vor (BGH DNotZ 63, 113 [BGH 21.03.1962 - V ZR 169/60]; Staud/Olshausen Rz 13, aA KG NJW 74, 2131 [KG Berlin 21.03.1974 - 12 U 2102/73]).

C. Berechnung.

 

Rn 4

Im Fall des I 1 sind alle Eigengeschenke und sonstige ergänzungspflichtigen Geschenke nach den Wertansätzen des § 2325 II zum Nachlass zu addieren, diese Summe (S) durch die halbe gesetzliche Erbquote des Pflichtteilsberechtigten (½Q) zu dividieren und davon das Eigengeschenk des Ergänzungsberechtigten (G) zu subtrahieren. Das Ergebnis ist der Ergänzungspflichtteil (EP): EP = S/2Q-G (mit Beispielen Staud/Olshausen Rz 18). Ist der Wert des Eigengeschenks mindestens so groß wie der fiktive Ergänzungsanspruch, hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch, muss aber auch nichts in den Nachlass zurückleisten, es sei denn, andere Ergänzungsberechtigte haben gegen ihn einen Anspruch gem § 2329 (MüKo/Lange Rz 1).

 

Rn 5

Im Fall des I 2, wenn der Erblasser nach § 2315 I ein Geschenk für anrechnungspflichtig erklärte, ist dieses auf den Gesamtbetrag von ordentlichem Pflichtteil und Ergänzung anzurechnen: Der Ergänzungspflichtteil besteht aus dem Unterschied zwischen dem nach § 2327 I 1 bereinigten Gesamtpflichtteil und dem nach §§ 2303, 2311 ermittelten (verkürzten) Pflichtteil. Bsp (vgl Soergel/Dieckmann Rz 9): Der Nachlass beträgt 1000. Erbe ist der familienfremde Y, der ein Geschenk von 400 erhalten hat. Einziger Pflichtteilsberechtigter ist der enterbte Sohn S, der anrechnungspflichtig 600 geschenkt erhielt. S. Gesamtpflichtteil beträgt (1000 + 600 + 400): 2 = 1000. Sein bereinigter Gesamtpflichtteil beträgt 1000 – 600 = 400. S. ordentlicher Pflichtteil unter Beachtung der Anrechnung ist 1600/2 – 600 = 200. Sein Ergänzungspflichtteil beträgt 400 – 200 = 200. Die Anrechnung des Geschenks erfolgt nach hM nach § 2315 II 2 (Grünewald/Weidlich Rz 2; RGRK/Johannsen Rz 5), nach aA nach § 2325 II (Staud/Olshausen Rz 25).

D. Abkömmling (Abs 2 iVm § 2051 I).

 

Rn 6

Fällt ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers, der von diesem ein Geschenk erlangt hat, weg, wird der für ihn eintretende Abkömmling so behandelt, als habe er es selbst erhalten.

E. Verhältnis zu § 2316.

 

Rn 7

Ausgleichungspflichtige Zuwendungen bleiben außer Ansatz, insoweit sie bereits bei der Berechnung des ordentlichen Pflichtteils eines Abkömmlings berücksichtigt (§ 2316) wurden. Macht ein Abkömmling, der eine ausgleichungspflichtige Ausstattung, die keine Schenkung iSv § 1624 I ist, erhalten hat, gegen einen Dritten einen Ergänzungsanspruch geltend, ist zunächst nach § 2316 der ordentliche Pflichtteil unter Berücksichtigung der Ausgleichung zu ermitteln. Der Differenzbetrag zum Gesamtpflichtteil, also mit allen ergänzungspflichtigen Geschenken und ausgleichungspflichtigen Zuwendungen, ist der Ergänzungsanspruch (BGH NJW 65, 1526; MüKo/Lange Rz 9). Zur Vermeidung einer Doppelanrechnung ist eine bereits zur Hälfte berücksichtigte Eigenschenkung nur noch mit ihrer anderen Hälfte entspr § 2327 I anzurechnen (Oldbg ZEV 98, 143; BeckOKBGB/Müller Rz 14; Soergel/Dieckmann Rz 14, 19; aA Staud/Olshausen Rz 22). Bei einem hohen Vorempfang ergibt sich wegen § 2056 uU auch bei Hinzurechnung des Geschenks zum Nachlass kein Pflichtteilsanspruch und keine Ergänzung (BGH NJW 65, 1526 [BGH 15.03.1965 - III ZR 10...

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