Gesetzestext

 

(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1. der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
2. eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

(2) Der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird.

(3) Der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungshandlung nach Absatz 2 aufgehoben wird.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

§ 212 kennt – im Unterschied zur bloßen Hemmung – einen Neubeginn der Verjährung: Die ganze Verjährungsfrist beginnt von neuem zu laufen. I bezweckt den Schutz des Gläubigers, der ggf im Vertrauen auf das Verhalten des Schuldners den Anspruch nicht geltend macht; der Schuldner dagegen, der einen Anspruch anerkennt, bedarf nicht des Schutzes der Verjährung (BGH NJW 13, 1430 Rz 7, 13; einschr Schlesw FamRZ 13, 1973, 1975). Beachte § 213 und § 194 Rn 9 aE. ZT ist der Neubeginn eingeschränkt (§ 5 III 4 GKG ggf iVm § 2 IV 2 JVEG, § 6 III 3 GNotKG, 8 III 4 GvKostG).

B. Anerkenntnis.

I. Begriff und Rechtsnatur.

 

Rn 2

Ein Anerkenntnis ist jedes tatsächliche Verhalten, das unzweideutig darauf schließen lässt, dass dem Schuldner das Bestehen des Anspruchs – nicht nur zB einer Pflichtverletzung oder Schädigung (BGH 19.7.12 – IX ZR 157/09 Rz 3) – bewusst ist und dem Gläubiger die berechtigte Erwartung gibt, eine Berufung auf Verjährung werde nicht erfolgen (BGH NJW 14, 2574 [BGH 04.06.2014 - IV ZR 348/13] Rz 13; 12, 1293 Rz 10; 3633 Rz 29). Der Schuldner muss sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen (s.a. Rn 4). Das Anerkenntnis ist kein Rechtsgeschäft. Es bedarf keiner Willenserklärung. Es ist eine geschäftsähnliche Handlung, deren Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Schuldners und einer gerichtlichen Protokollierung eintreten (BGH NJW 14, 394 [BGH 21.11.2013 - VII ZR 48/12] Rz 21: zum Vergleichsangebot). Es sind aber bestimmte gesetzliche Regelungen zur Willenserklärung analog anwendbar (Vor §§ 116 ff Rn 7). So muss der Anerkennende geschäftsfähig sein, kann sich vertreten lassen (§§ 164 ff) und seine Erklärung ggf nach §§ 119, 123 anfechten (aA Grüneberg/Ellenberger Rz 2); insoweit gilt dann § 122 I (Staud/Peters/Jakobi Rz 9). Der Berufung auf ein arglistig erschlichenes Anerkenntnis steht § 242 entgegen. Die Auslegung etwaiger Erklärungen richtet sich nach §§ 133, 157 (BGH NJW 02, 2872, 2873 [BGH 20.06.2002 - IX ZR 444/00]); § 140 ist anwendbar. Das Anerkenntnis muss sich nicht auf einen konkreten Betrag beziehen; ein Anerkenntnis dem Grunde nach lässt die Frist für den gesamten Betrag neu beginnen (BGH aaO).

II. Beteiligte.

 

Rn 3

Das Anerkenntnis ist vom Schuldner oder dem, der auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes ermächtigt ist, für den Schuldner zu handeln, abzugeben (BGH NJW 12, 1293 [BGH 09.12.2011 - V ZR 131/11] Rz 10). Die Erklärung muss insb von der Ermächtigung umfasst sein. Eine Genehmigung (§ 185) wirkt nicht zurück; sie kann selbst Anerkenntnis sein (MüKo/Grothe Rz 10). Das Anerkenntnis eines Haftpflichtversicherers wirkt auch ggü dem Versicherten (BGH VersR 72, 373 [BGH 11.01.1972 - VI ZR 46/71]), und zwar auch dann, wenn die Deckungssumme überschritten ist (BGH NJW 07, 69 [BGH 11.10.2006 - IV ZR 329/05] Rz 20 ff), und iÜ ggü mitversicherten Personen, insb dem Fahrer (BGH NJW-RR 04, 1475, 1476). Das Anerkenntnis muss ggü dem Berechtigten erfolgen (BGH 14.11.13 – V ZB 204/12 Rz 13), wobei auch hier Stellvertretung möglich ist. In einer ggü Dritten abgegebenen Erklärungen des Schuldners liegt ein Anerkenntnis, wenn er sie mit dem Willen abgab, dass sie dem Gläubiger zugehe (BGH NJW 08, 2776, 2778 [BGH 17.06.2008 - VI ZR 197/07]).

III. Form des Anerkenntnisses.

 

Rn 4

Das G nennt als Formen möglicher Anerkenntnishandlungen Abschlagszahlung (BGH 27.1.15 – VI ZR 87/14 Rz 8), Zinszahlung und Sicherheitsleistung. Auch das konstitutive oder deklaratorische Schuldanerkenntnis (s § 781 Rn 3, 9) sind erfasst. Das Anerkenntnis kann unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls auch allein durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGH NJW 12, 2180 [BGH 24.05.2012 - IX ZR 168/11] Rz 29). Einzelfälle: Á-Konto-Zahlungen sind regelmäßig Anerkenntnisse der Restschuld, Zahlungen auf einzelne Schadensfolgen die Anerkennung des Anspruchs aus dem gesamten Schaden (zu § 115 II VVG a. BGH NJW 17, 2271 [BGH 14.03.2017 - VI ZR 226/16] Rz 12) und zwar selbst dann, wenn sich der Schaden aus mehreren Schadensarten (zB Heilungskosten, Erwerbsschaden, Mehrbedarf) zusammensetzt, der Geschädigte aber nur einzelne dieser Schadensteile geltend macht und der Schädiger allein hierauf zahlt (BGH NJW 09, 455 [OLG Dresden 06.11.2008 - 2 Ws 103/08] Rz 22). Ferner liegt ein Anerkenntnis vor bei Abschlagsz...

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