Gesetzestext

 

(1) 1Ist eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugte Person als Erbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie als Nacherbe eingesetzt ist. 2Entspricht es nicht dem Willen des Erblassers, dass der Eingesetzte Nacherbe werden soll, so ist die Einsetzung unwirksam.

(2) Das Gleiche gilt von der Einsetzung einer juristischen Person, die erst nach dem Erbfall zur Entstehung gelangt; die Vorschrift des § 84 bleibt unberührt.

 

Noch nicht gezeugter Nacherbe. (zum 1.7.23)

(1) Ist eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugte Person als Erbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie als Nacherbe eingesetzt ist. Entspricht es nicht dem Willen des Erblassers, dass der Eingesetzte Nacherbe werden soll, so ist die Einsetzung unwirksam.

(2) Das Gleiche gilt von der Einsetzung einer juristischen Person, die erst nach dem Erbfall zur Entstehung gelangt; die Vorschrift des § 80 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

A. Auslegungsregel.

 

Rn 1

Nach § 1923 kann Erbe nur werden, wer beim Erbfall lebt oder schon gezeugt ist. Analog § 2108 I muss der Nacherbe beim Erbfall noch nicht existieren, wohl aber beim Nacherbfall leben oder schon gezeugt sein.

 

Rn 2

Daraus ergibt sich die Regel des § 2101 I für den Fall, dass eine Person als Erbe eingesetzt ist, die beim Erbfall noch nicht lebt und auch noch nicht gezeugt ist. Sie geht dahin, dass diese Person als Nacherbe eingesetzt ist (§ 2101 I 1).

B. Widerlegung.

 

Rn 3

Die Regel ist widerlegt, wenn der Erblasser den noch nicht Erzeugten nur als sofortigen Erben, keinesfalls aber als Nacherben einsetzen wollte. Der bloße Nachweis, dass der Erblasser ihn als Erben einsetzen wollte, genügt nicht. Ist die Regel widerlegt, so ist die Erbeinsetzung unwirksam gem §§ 2101 I 2, 1923. Die Beweislast liegt bei demjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit beruft und daraus Rechte herleiten will.

C. Rechtsfolgen.

 

Rn 4

Greift die Auslegungsregel, so sind Vorerben die gesetzlichen Erben (§ 2105 II); indessen kann der Erblasser auch hiervon abw testieren. Gem § 2106 II tritt der Nacherbfall mit der Geburt des Nacherben ein. Dem Nacherben kann ein Pfleger bestellt werden (§ 1913). Der Schwebezustand endet mit der Geburt des Nacherben oder wenn feststeht, dass mit einer solchen nicht mehr zu rechnen ist, oder nach 30 Jahren (§ 2109).

D. Anwendungsfälle.

 

Rn 5

Als praktisch häufigsten Anwendungsfall nimmt die Literatur die Erbeinsetzung der Kinder eines nahen Angehörigen des Erblassers an, jedoch auch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass entgegen der Auslegungsregel des § 2070 auch die beim Erbfall noch nicht gezeugten Abkömmlinge eingesetzt werden sollten. Die schon lebenden und die schon gezeugten Abkömmlinge sind dann Vorerben. Die nachgeborenen Abkömmlinge sind Nacherben mit ihrer Erbquote. Ist mit der Geburt mehrerer Abkömmlinge zu rechnen, so tritt eine gestaffelte Nacherbfolge (s § 2100 Rn 29) ein.

E. Analogien.

I. Abs 1.

 

Rn 6

Die Vorschrift gilt entspr, wenn der Nacherbfall durch ein anderes Ereignis als die Geburt des Nacherben definiert, dieser aber bis dahin nicht gezeugt ist. Auch hier handelt es sich um eine gestaffelte Nacherbschaft.

 

Rn 7

Die Vorschrift gilt ferner entspr, wenn eine beim Erbfall noch nicht gezeugte Person als Ersatzerbe eingesetzt ist; § 2102 steht nicht entgegen.

II. Abs 2 Hs 1.

 

Rn 8

Danach gilt I entspr, wenn eine juristische Person zum Erben eingesetzt ist, aber erst nach dem Erbfall entsteht, dh die Rechtsfähigkeit erlangt. Der Nacherbfall tritt mit Erlangung der Rechtsfähigkeit ein.

 

Rn 9

Eine andere Regelung gilt für eine vom Erblasser begründete Stiftung (§ 2101 II Hs 2 iVm § 84 aF, ab 1.7.23 iVm § 80 II 2 nF ohne sachliche Änderung). Das Stiftungsrecht fingiert dort ihre Entstehung und damit auch ihre Erbfähigkeit schon für den Erbfall (s § 80 Rn 1). Eine Vor- und Nacherbschaft besteht insoweit nicht. Rechtstechnisch muss die Zeit vom Erbfall bis zur Anerkennung der Stiftung durch eine Nachlasspflegschaft überbrückt werden.

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