Gesetzestext

 

(1) Das Familiengericht überträgt auf Antrag des Vormunds oder der Pflegeperson einzelne Sorgeangelegenheiten oder eine bestimmte Art von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson als Pfleger, wenn

1. der Mündel seit längerer Zeit bei der Pflegeperson lebt oder bereits bei Begründung des Pflegeverhältnisses eine persönliche Bindung zwischen dem Mündel und der Pflegeperson besteht,
2. die Pflegeperson oder der Vormund dem Antrag des jeweils anderen auf Übertragung zustimmt und
3. die Übertragung dem Wohl des Mündels dient.

Ein entgegenstehender Wille des Mündels ist zu berücksichtigen.

(2) Sorgeangelegenheiten, deren Regelung für den Mündel von erheblicher Bedeutung ist, werden der Pflegeperson nur zur gemeinsamen Wahrnehmung mit dem Vormund übertragen.

(3) Den Antrag auf Übertragung nach Absatz 1 Satz 1 kann auch der Mündel stellen, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Für die Übertragung ist die Zustimmung des Vormunds und der Pflegeperson erforderlich.

(4) § 1776 Absatz 2 gilt entsprechend. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Pflegschaft für Minderjährige entsprechend. Neben einem Pfleger nach § 1809 oder § 1776 kann die Pflegeperson nicht zum Pfleger bestellt werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Durch die Norm soll im Verhältnis zwischen Vormund und Pflegeperson, bei der der Mündel idR lebt, die Möglichkeit eingeräumt werden, Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson als Pfleger zu übertragen. Die Übertragung von Sorgeangelegenheiten auf Antrag und mit Zustimmung ist übernommen aus dem Verhältnis von Eltern und Pflegeperson (§ 1630 III). Unabhängig von § 1777 können Pflegeperson oder Pflegeeltern auch selbst zum Vormund bestellt werden. Außerdem ist nunmehr gem § 1797 I der Pflegeperson ausdrücklich das Recht eingeräumt, den Vormund in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten, wenn das Pflegeverhältnis für längere Zeit eingegangen wird. Der Begriff der Pflegeperson stimmt mit demjenigen aus § 1688 überein. In 1796 III Nr 1 ist eine Person der Pflegeperson gleichgestellt, die den Mündel in einer Einrichtung betreut und erzieht. Da für die als Pfleger zu bestellende Pflegeperson das Pflegschaftsrecht für Minderjährige gilt (§ 1777 IV, 1776 III 1), ist gem § 1813 I auch § 1784 II Nr 4 anwendbar, sodass ein Mitarbeiter oder der Leiter einer Einrichtung, in der der Mündel lebt, nicht zum Pfleger nach § 1777 bestellt werden kann (BTDrs 19/24445, 129 ff).

B. Rechtsausübung.

 

Rn 2

Gem I soll auch im Verhältnis zwischen Vormund und Pflegeperson die Übertragung von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson ermöglicht werden, wenn der Mündel seit längerer Zeit bei ihr in Familienpflege lebt und sich eine tw Übertragung von Sorgeangelegenheiten als seinem Wohl förderlich erweist (I 1 Nr 1 1. Alt), oder eine Übertragung ist auch bereits zu Beginn des Pflegeverhältnisses möglich, wenn bereits dann eine persönliche Bindung zwischen Mündel und der Pflegeperson besteht (I 1 Nr 1 2. Alt). Dies kann etwa gegeben sein, wenn ein Kind iR eines Sorgerechtsentzugs aus der Familie herausgenommen werden muss und zu einer ihm vertrauten Person aus dem sozialen Umfeld in Familienpflege kommt, ohne dass diese selbst die Vormundschaft übernehmen will oder kann. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Übertragung dem Wohl des Mündels dient (I 1 Nr 3) ist gem I 2 auch der Wille des Mündels einzubeziehen (BTDrs 19/24445, 129 ff).

Gem II kann das FamG Angelegenheiten, deren Regelung für den Mündel von erheblicher Bedeutung sind, nur mit dem Vormund gemeinsam auf die Pflegeperson übertragen. Ob eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung vorliegt, bemisst sich entspr den §§ 1628 S 1, 1687 I 1. In den zur gemeinsamen Sorge übertragenen Angelegenheiten entscheiden Vormund und Pflegeperson im gegenseitigen Einvernehmen gem § 1792 IV. Können sich Vormund und Pflegeperson in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung nicht einigen, müssen sie die Entscheidung des FamG nach § 1793 I Nr 3 beantragen (BTDrs 19/24445, 129 ff).

Gem III wird der Wille des Mündels in den Mittelpunkt gestellt, dem ein eigenes Antragsrecht eingeräumt wird, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat. Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung ist in diesem Fall, dass Vormund und Pflegeperson beide der Übertragung zustimmen (BTDrs 19/24445, 129 ff).

C. Rechtsfolge.

 

Rn 3

Gem IV 1 kann das FamG unter den Voraussetzungen des § 1776 II die Übertragung von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson wieder ganz oder tw aufheben. Eine Rückübertragung kann etwa infrage kommen, wenn sich die Aufteilung der Sorgeangelegenheiten zwischen Vormund und Pfleger aus tatsächlichen Gründen als nicht praktikabel erweist. IV 2 stellt klar, dass für die Pflegeperson als bestellter Pfleger iÜ grds die Vorschriften über die Pflegschaft für Minderjährige gelten. Nach IV 3 ist die Übertragung von Sorgebefugnissen auf die Pflegeperson als Pfleger nicht neben einem Ergänzungspfleger oder einem Zusatzpfleger nach § 1776 zulässig, um eine Aufspaltung der Sorgebefugnisse auf einen zu großen Personenkreis zu vermeiden (BTDrs 19/24445, 129 ff).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge