Gesetzestext

 

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) 1§ 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

2Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. 3Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils wirksam.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Auflösung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft durch deren Anfechtung im gerichtlichen Verfahren (Abs 1) oder durch eine sog scheidungsakzessorische Vaterschaftsanerkennung im Wege einer dreiseitigen Erklärung (Abs 2). Dem Grundsatz der Abstammungswahrheit dient die Anfechtung der Vaterschaft, weil die auf gesetzlicher Vermutung oder persönlicher Erklärung beruhende rechtliche Zuordnung korrigiert wird. Aufgrund der zugleich normierten Rechtsausübungssperre bestehen insb Unterhaltsansprüche des Kindes bis zur rkr Vaterschaftsanfechtung fort und der in Anspruch genommene (rechtliche) Vater kann im Unterhaltsverfahren nicht einwenden, nicht der leibliche Vater des Kindes zu sein (Rostock FamRZ 20, 792; Frankf FamRZ 17, 835). Auch für die Steuerklasse nach § 15 ErbStG ist die rechtliche Vaterschaft maßgebend (BFH FamRZ 20, 864).

B. Nichtbestehen der Vaterschaft.

 

Rn 2

Die rechtliche Vaterschaft eines Mannes zu einem Kind muss nach Maßgabe der §§ 1592, 1593, 1599 II bestehen und nach den genetischen Daten objektiv unrichtig sein. Von einem genetischen Abstammungsgutachten (§ 177 FamFG; Celle FamRZ 19, 303) kann abgesehen werden, wenn ein im Ausland lebender Beteiligter seine Mitwirkung an der Untersuchung verweigert, jedoch durch eine anderweitige vorherige Vernehmung hinreichende Anhaltspunkte für oder gegen die Vaterschaft bestehen (Frankf NZFam 22, 1000). Durch die Feststellung (§§ 169 Nr 4, 184 FamFG), dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist (§ 1599 I), wird die Rechtslage gestaltet. Die gerichtlich festgestellte Vaterschaft (§§ 1592 Nr 3, 1600d I) ist nur im Wiederaufnahmeverfahren (§ 185 FamFG) mit einem neuen Gutachten auflösbar. Nur im Anfechtungsverfahren des leiblichen Vaters (§ 1600 I Nr 2) wird auch dessen biologische Vaterschaft festgestellt (§§ 1600 II, 182 I FamFG; Hambg FamRZ 20, 511). Die Anfechtung der Vaterschaft, auf die nicht wirksam verzichtet werden kann (BGH FamRZ 20, 1004), kann nur auf zeitlich befristeten Antrag (§ 171 FamFG) erfolgen und ist vor der Geburt des Kindes unzulässig (Rostock FamRZ 07, 1675), aber noch postmortal möglich. Für die Anfechtungserklärung wird die Geschäftsfähigkeit erweitert (§ 1600a II).

 

Rn 3

Die Anfechtung der Vaterschaft erfordert nach der stRspr des BGH (FamRZ 12, 1290; 95, 955; einschränkend für die Mutter BGH FamRZ 20, 1004) und der Regelung in § 171 II FamFG einen sog Anfangsverdacht. Der Antragsteller muss – auf die Empfängniszeit bezogene – Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu wecken und die Möglichkeit der anderweitigen Abstammung als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen. Allein die durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellte Behauptung, nicht leiblicher Vater des Kindes zu sein, ist nicht ausreichend. Nur solche Umstände, die den Anfangsverdacht stützen, setzen auch die Anfechtungsfrist nach § 1600b I in Lauf. Die den Anfangsverdacht begründenden Tatsachen sind von nicht ausreichenden Vermutungen oder Gerüchten (BGH FamRZ 89, 169; Brandbg FamRZ 14, 1129; Frankf FamRZ 08, 805) bzw einem bloßen Verdacht aufgrund anonymer Anrufe (BGH FamRZ 08, 501; Kobl v 9.8.22 – 9 WF 287/22, juris) abzugrenzen. Keine intime Beziehung des rechtlichen Vaters mit der Mutter oder eine solche zu einem anderen Mann, ein dahingehendes Eingeständnis der Mutter begründen (BGH FamRZ 06, 771; 89, 169; Kobl FamRZ 20, 1845; Brandbg FamRZ 14, 1215; Karlsr FamRZ 13, 555) ebenso hinreichende Verdachtsmomente wie ein Urlaub oder das Zusammenleben mit einem anderen Mann (Brandbg FamRZ 04, 480; Hamm FamRZ 92, 472; Frankf FamRZ 00, 108 [Sextourismus]). Die ärztlich bescheinigte absolute Zeugungsunfähigkeit (BGH FamRZ 89, 169; Dresd FamRZ 06, 1129) begründet einen Anfangsverdacht, nicht jedoch die Verwendung von Kondomen oder die regelmäßige Einnahme der Pille (BGH FamRZ 14, 463; 06, 771 [zur Prostitution]). Ein mit erklärter oder gerichtlich ersetzter Einwilligung eingeholtes Abstammungsgutachten, nicht hingegen der heimliche Vaterschaftstest, führt ebenfalls zu einer hinreichenden Kenntnis (BGH FamRZ 06, 686; BVerfG FamRZ 07, 441). Eine fehlende...

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